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Politische Kontrolle auf der Kieler Woche:

Transparent verboten

Die Aktion der "BI für eine umweltfreundliche Energieversorgung in der Region Kiel" am letzten Samstag der Kieler Woche auf der Kiellinie fing eigentlich ganz gut an. Wir hängten unser Transparent gegen ein neues Kohlekraftwerk beim Stand des  Energiestamm- tisches auf, der die ganze Woche schon vor dem Zelt des Umweltamtes aktiv war. Wir sammelten fleißig Unterschriften und verteilten unseren frisch gedruckten Flyer. Eine Mitstreiterin hatte sich als Kilia verkleidet und wir waren für die Besucher der Kieler Woche vor dem Stand des Umweltamtes sehr gut sichtbar. Insgesamt waren wir mit 8 Personen aus der "BürgerInneninitiative umweltfreundliche Energieversorgung" vertreten. Es hätten gerne mehr sein können. Direkt am Tisch waren auch drei Jugendliche von der BUND-Jugend mit dabei, die ebenfalls tatkräftig Unterschriften sammelten.

Nicht weit von uns entfernt hatte der Offene Kanal seinen Stand mit der Live-Übertragung über die Kieler Woche. Sie waren sehr interessiert an unserer Aktion und sie baten mich um ein Live-Interview im Offenen Kanal. Wir hatten die Möglichkeit ausgiebig auf ihre Fragen einzugehen. Ich konnte die Ziele und Forderungen der BI umfassend erläutern, warum wir gegen den Bau eines neuen Kohlekraftwerkes sind, was das für Auswirkungen hätte und konnte auch unsere Auseinandersetzung mit den Stadtwerken und den Energiekonzernen EON und MVV schildern. Später haben wir dann noch den Kohlekraftblues noch live gesungen.

Nach ca. 1,5 Stunden kamen zwei Hilfskräfte des Ordnungsamtes und verboten einer Mitstreiterin das Verteilen der Flugblätter, weil politische Flugblätter auf der Kieler Woche verboten seien. Wenig später fragten sie nach dem Verantwortlichen des Standes und verlangten eine Standgenehmigung. Da Peter als Verantwortlicher vom "Energiestammtisch" zu der Zeit nicht anwesend war, konnten wir die Hilfskräfte etwas hinhalten, aber sie meinten denn, dass das Transparent gegen das Kohlekraftwerk nicht erlaubt sei. Als Peter kam stellte sich heraus, dass es für den Stand zwar keine Standgenehmigung gab, aber eine Duldung durch das Umweltamt, dort etwas außerhalb zu stehen. So war es auch jeden Tag während der ganzen Kieler Woche und es wurden viele Unterschriften gesammelt. Die Ordnungskräfte forderten nun von uns direkt bei den Verantwortlichen des Ordnungsamtes, die einen Stützpunkt beim Landeshaus haben, eine Genehmigung einzuholen und solange das Transparent abzunehmen, keine Flyer mehr zu verteilen und keine Unterschriften mehr zu sammeln.

Wir machten dies so und zogen mit dem Transparent und einem Flyer zum Ordnungsamt. Wir fanden dann einen Verantwortlichen vom Ordnungsamt, der meinte, man dürfe nach Paragraph 46 soundso sowieso generell in ganz Kiel keine Flugblätter verteilen (das Wort Flyer kannte er nicht, weil er Anglizismen nicht mag). Wir erklärten ihm dann, worum es ging und dass der Stand die ganze Woche da steht und als wir ihn fragten, ob wir das Transparent aufhängen können, da hatte er nichts dagegen und hat dann mit seinen Hilfskräften telefoniert. Wir also wieder zurück, was ja auf der Kiellinie etwas dauert. Als wir wieder ankamen und das Transparent wieder aufhängen wollten, hatten sich dort noch weitere Ordnungshilfskräfte versammelt und ein noch wichtigerer Ordnungsbeamter schlug uns vor an einen anderen Ort zu ziehen, wo sie uns nicht sehen könnten.

Als das Hauptproblem stellte sich heraus, dass der Stand des Umweltamtes die Auflage bekommen hatte, dass es keine politische Äußerungen oder Stellwände gegen das Kohlekraftwerk geben darf. Dies soll angeblich nach Verhandlungen zwischen den Stadtwerken und der Stadt Kiel den Standbetreibern zur Verpflichtung auferlegt worden sein. Daran müsse sich nun auch der Stand des  "Energiestammtisches" und somit auch die Bürgerinitiative gegen ein neues Kohlekraftwerk halten. Sonst hätte es evtl. zur Folge gehabt, dass auch der Stand des Umweltamtes die Genehmigung entzogen wird. Angesichts dieser bedrohlichen Aussicht, der fortgeschrittenen Zeit und der geminderten Kräfte verzichteten wir auf Transparent und Flugblattverteilung und betrieben nur noch heimliche Unterschriftensammlung.

Da auch der Offene Kanal dieses politische Verbot der Aktion mitbekommen hatte, forderte er uns auf, darüber live zu berichten. Dabei haben wir nicht nur über das Verbot der Aktion gegen Kohlekraftwerke berichtet, sondern auch über die Vorfälle bei der Eröffnung der Kieler Woche mit Frau Merkel, wo u. a. politische Transparente gegen Aufrüstung beschlagnahmt wurden, selbst Transparente für ein solidarisches Europa nicht zugelassen waren und der Gebrauch einer Trillerpfeife zum Platzverbot führte.In späterer Diskussion mit dem Betreiber des Standes vom Umweltamt wurde mitgeteilt, dass die Stadt erwägt, den Platz an der Kiellinie im nächsten Jahr nicht wieder an das Umweltamt, sondern an den NDR zu vergeben. Unbequeme und politisch brisante Themen sollen wohl von der Kieler Woche ferngehalten werden.

Während unser Flyer gegen den Bau eines neues Kohlkraftwerkes als zu politisch auf der Kieler Woche verboten wurde, dürfen die Sponsoren von debitel ihren Handy-Werbeflyer auf der Kiellinie offiziell verteilen. Die Kieler Woche soll eben nur für Spaß und Kommerz sein.

Die BürgerInneninitiative trifft sich wieder am Montag, 14.7. um 19 Uhr in der Pumpe. Hier sollte das weitere Vorgehen gegen den politischen Maulkorb und gegen den geplanten Bau der Kohlekraftwerke in S-H  sowie die Mobilisierung für das bundesweite Klimacamp vom 15.-24. August in Hamburg beraten werden.

(uws)

Der Stein des Anstoßes. Seit dem Schwarz-Grün in Kiel regiert feiert preußische Obrigkeitsstaats-Mentalität in der Verwaltung Widerauferstehung. Ob das Zufall ist, oder doch eher mit der brachialen Kaputtsparerei (genannt Haushaltskonsolidierung) im Zusammenhang zu sehen ist, die den entsprechenden Zynismus erzeugt?