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Kohlelobby zeigt ihr wahres Gesicht

Stadtwerke-Vorstand, MVV und EON wollen Kohle

Der Streit um den Bau eines Kohlekraftwerks in Kiel ist voll entflammt. Während Rot-Grün im Rat am 18.9.2008 gegen den Bau  beschlossen hat, macht der Vorstand der Stadtwerke Kiel den ersten Schritt zum Gegenangriff: Das Innenministerium soll prüfen, ob der Bau eines Raumordnungsverfahrens bedarf. Unter-
stützung zu der Stadtwerke-Ankündigung kam vom Stadtwerke-Betriebsrat: „Wir begrüßen das Vorgehen“, erklärte dessen stellvertretende Vorsitzende, Barbara Neumann, es sei an der Zeit, „Klarheit im Ge-
nehmigungsverfahren zu schaffen.“ Nachdem Rot-Grün den sogenannten Konsens in der Kraftwerksfrage, der den Aufschub der  Investitionsentscheidung um drei bis fünf Jahre beinhaltete, aufgekündigt hatte, kommen jetzt die Betreiber des Gemeinschaftskraftwerks Kiel (GKK) – je zu 50 Prozent Stadtwerke Kiel und E.ON – aus der Kurve:

"Mit diesem Schritt wollen wir nach der Aufkündigung des Moratoriums durch die Ratskoalition Planungs-
sicherheit zum Bau des neuen GKK gewährleisten“, erklärte auch Stadtwerke-Vorstandschef Stefan Grütz-
macher. Zunächst ginge es um die Prüfung, ob so ein Raumordnungsverfahren nötig sei. Die Antwort aus dem Innenministerium dürfte, so Norbert Schlick, dort zuständig für Landesplanung, nach vier Wochen erfolgt sein. Fällt sie positiv aus, legt das Ministerium fest, welche Unterlagen nötig sind. Nach deren Ein-
gang dauert das Raumordnungsverfahren selbst dann ein weiteres halbes Jahr.

Bei der Kooperation im Rathaus kommt die Ankündigung der Stadtwerke als Kriegserklärung an: „Unver-
antwortliche Stimmungsmache“, so SPD-Ratsfraktionschef Ralph Müller-Beck unisono mit Grünen-Rats-
fraktionschef Lutz Oschmann: „Die Kohlelobby zeigt ihr wahres Gesicht!“

Hintergrund des rot-grünen Neins sind der zu erwartende Ausstoß von jährlich mehreren Millionen Tonnen klimaschädlichen CO2 bei der Inbetriebnahme eines 800-Millionen-Watt-Kohlekraftwerks „für die nächsten 50 Jahre“, so beide Fraktionschefs, da das geplante Kraftwerk eine mehr als doppelt so hohe Leistung wie das heutige GKK aufweisen würde. Kiel dürfe „nicht zum Handlanger von E.ON werden“, so die Kooperation.

Dagegen warnt Stadtwerkechef Grützmacher vor „weit reichenden negativen Folgen“, wenn eine komplett dezentrale  Energiever- sorgungsvariante statt eines Kohlekraftwerk-Neubaus verfolgt würde: „Die Stadt-
werke würden bei dem Energiekonzept der Ratsmehrheit keine Dividende mehr erwirtschaften, alternativ müssten die Fernwärmepreise um bis zu 40 Prozent erhöht werden.“  Stadtwerkesprecher Wolfgang Podolske erinnerte an die frühere Vereinbarung, Entwicklungen in der – derzeit nicht großkraftwerkstaug-
lichen – CO2-Abscheidung zu beobachten.

Von „ideologischer Scheuklappenpolitik“, die Rot-Grün „mit aller Gewalt und Rücksichtslosigkeit durchzu-
setzen“ bereit sei, sprach CDU-Ratsfraktionschef Robert Cordes mit Blick die Reaktion der Kooperation. „Wir wollen die Energieversorgung für Kiel geprüft sehen“, erklärte er. Es gehe um Ökologie, Ökonomie und Versorgungssicherheit für Kiel. Mit einem Bürgerentscheid „könnte ich mich anfreunden“, sagte er, die Aufkündigung des Moratoriums bedauernd. Auch Kiels OB Angelika Volquartz meldete sich zu Wort: „Ausgesprochen bedauerlich“ sei das Ende des Moratoriums für die Entscheidung zum Bau eines GKK: „Das nimmt den Beteiligten möglicherweise die Chance, in einem fundierten Abwägungsprozess zu einer Entscheidung zu kommen.“ Sie regte an, Bürger in diese zentrale Frage der Zukunft Kiels einzubinden. Müller-Beck forderte prompt „eine eindeutige Positionierung der OB.“

Neue Runde im Tauziehen um Kieler Kohlekraftwerk

Das Tauziehen um den Bau eines Kohlekraftwerks am Kieler Ostufer geht in eine neue Runde. Die Stadtwerke würden die ersten Schritte im Hinblick auf ein Genehmigungsverfahren einleiten, drohte der Vorstand Arthur Bächle. So berichtete am 15.9. die NDR 1 Welle Nord. Die Parteien im Rathaus seien über die Pläne bereits informiert. Vor der Kommunalwahl im Mai hatten sich noch alle Beteiligten zunächst auf eine Planungspause von drei bis fünf Jahren verständigt, um die Entwicklung neuer Technologie zur Deponierung von Kohlendioxid-Emissionen abzuwarten. Nach dem klaren Nein von SPD und Grünen für ein Kraftwerk fühlen sich die Stadtwerke und E.ON als Eigentümer des bestehenden, fast 40 Jahre alten Steinkohle-Kraftwerks dem Bericht zufolge aber nicht mehr an dieses "Stillhalteabkommen" gebunden.

Aus Sicht der Stadtwerke ist die Forderung von Rot-Grün in Kiel, mehrere kleinere Kraftwerke zu betreiben, die unwirtschaftlichste Lösung. "Wenn wir auf die komplett dezentrale Variante gehen, dann werden wir nicht mehr in der Lage sein, für die Stadt die jetzige Dividende von 13 Millionen Euro zu erwirtschaften", sagte Bächle. Die andere Konsequenz wäre, die Preise um rund 40 Prozent pro Haushalt zu erhöhen. Das wären dem Bericht zufolge rund 300 bis 400 Euro im Jahr zusätzliche Kosten.
 

Die Argumente:

Die Stadtwerke (sowohl die Führung als auch der Betriebsrat) argumentieren für den Bau des Kohlekraftwerkes folgendermaßen (KN 16.9.2008):

1. wenn das Kohlekraftwerk nicht gebaut wird, würden viele Arbeitsplätze vernichtet. Die Tatsache ist, dass hunderte Arbeitplätze als Folge der Privatisierung - schon vernichtet wurden und es wird weiterer Personalabbau betrieben. Dies belegt die Verlogenheit dieses Arguments. Hier geht es nicht um den Erhalt von Arbeitsplätzen.

2. die Stadtwerke wären nicht mehr in der Lage, für die Stadt die jetzige Dividende von 13 Millionen Euro
zu erwirtschaften (Bächle). Diese Art der Berechnung ist falsch. Denn, wenn man die Verluste bedenkt, die durch die Privatisierung entstanden sind  (volkswirtschaftlich gerechnet), in Form von Transferleistung für Arbeitslosen, die durch den massiven Arbeitsplatzabbau entstanden sind, durch den Verlust von Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche, den Wegfall von Möglichkeiten für die Stadt Kiel z. B. in die sozialen  Bereichen, wie Verkehr - wie früher- zu intervenieren, sehen wir, dass das Argument mit der Rendite ein Verlustgeschäft für die BürgerInnen ist.

3. Die Preise würden um rund 40 Prozent pro Haushalt steigen. Inzwischen weiß fast jeder, dass der Srompreis auf der Börse in Leipzig bestimmt wird. Hier wird entschieden, dass die Preise ständig steigen. Warum sollen wir glauben, dass dies in der Zukunft anders sein wird?

4. Was bei diesen Argumenten fehlt, ist das Wort Klima ( in der Klimaschutzstadt Kiel!) Mit den Argumenten von EON und MVV werden die BürgerInnen quasi entrechtet. Sie haben kein Wort mehr dazu zu sagen, wie sie ihrer Verantwortung nach kommen sollen, ihren Beitrag zum Klimaschuz zu leisten. Wie sie ihr soziales Umfeld gestalten sollen. Es sind die soziale Bereiche wie Umwelt, Arbeit, Bildung, Ausbildung, Kultur und die Frage der gesellschaftlichen Teilhabe, die nur kommunal gelöst werden können. Wir brauchen eine Stadt, die kommunaldemokratisch und volkswirtschaftlich handelt, und nicht eine Aktionäre-Stadt, die ihre Aufgaben darauf beschränkt Rendite zu erwirtschaften.

Unsere Ziele:

- Was wirklich nötig ist, sind Investitionen um den Servicebereich der Stadtwerke eigenverantwortlich wieder aufzubauen, um langfristig eine gesicherte Daseinvorsorge für die Kieler Bürger wiederherzustellen.

- Wir wenden uns gegen den Rückbau der Stadtwerke bei den Versorgungsleitungen, Werkstätten und den sofortigen Stopp der Auflösung von Betriebsbereichen bei den Stadtwerken.

- Wir brauchen die Entwicklung von alternativen Energien durch die Stadtwerke, bei denen die Erfahrungen und Kenntnisse der Stadtwerkemitarbeiter genutzt werden um zu zahlreichen neuen Arbeitsplätze im Bereich Energieeinsparung, Modernisierung und Nutzung umweltfreundlicher dezentraler Techniken zu kommen.

- Den Menschen in der Stadt muss zu bezahlbaren Preisen eine Versorgungssicherheit von Strom und Wasser gewährleistet werden und die Preiserhöhungen aus den letzten Jahren zurückgenommen werden.

- Mehr demokratische Mitspracherechte durch die Gewerkschaften, städtische Planungsämter, Ortsbeiräte, Bürgerinitiativen und Umweltverbände sind nötig. Unser Ziel ist u.a. die Kontrolle über die Wasserversorgung schnellstens wieder in die Kommunale Hand zu übertragen.

- Was wir brauchen ist die Offenlegung aller Verträge mit den Stadtwerken bzw. dem MVV-Konzern, insbesondere des Konsortialvertrags, wie auch des Konzessionsvertrags. Die Kündigung aller Verträge zum nächstmöglichen Termin durch die Ratsversammlung und eine öffentliche Diskussion.

Die schnellstmögliche Rekommunalisierung der Stadtwerke und Übernahme der operativen Leitung durch die Stadt Kiel ist die einzig richtige Antwort auf die Renditegier der Energiekonzerne.
 

(Ahmed und Uwe aus dem Bündnis Kielwasser u. Attac)