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Vorratsdatenspeicherung weiter nur eingeschränkt zulässig

Das Bundesverfassungsgericht hat seine Einstweilige Anordnung zum begrenzten Zugriff der Behörden auf Telekommunikationsdaten vom März um weitere sechs Monate verlängert und zudem mit Blick auf neue Polizeigesetze in Bayern und Thüringen erweitert. Bis zu einer endgültigen Entscheidung des Karlsruher Gerichts dürfen die Daten nur dann an die Polizei übermittelt werden, wenn es um die Abwehr einer „dringenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Person" oder um die Sicherheit des Bundes geht. Auch für den Datentransfer an Nachrichtendienste gelten Beschränkungen.

Eilentscheidungen im Rahmen von Verfassungsbeschwerden sind selten. Aber auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Eilentscheidungen sind solche Keile - wenn sie vom höchsten Gericht kommen, natürlich nicht grob, sondern hart und sauber geschnitzt. Gegen die Vorratsdatenspeicherung hat das Bundesverfassungsgericht nun schon einen zweiten Keil zum Einsatz gebracht. Das ist äußerst unge-
wöhnlich, das ist eine juristische Sensation, das ist ein Ausdruck großer höchstrichterlicher Missbilligung für die Gesetze, mit denen dem Staat der massenhafte Zugriff auf Telefondaten ermöglicht werden soll. Karlsruhe sagt nun zum zweiten Mal: So nicht, nicht in diesem Umfang und schon gar nicht ohne strikte richterliche Kontrolle.
 
 

Bereits im März hatte Karlsruhe den Gegnern der umstrittenen Massenspeicherung in einem Eilantrag teilweise recht gegeben. Zwar dürfen die Verbindungsdaten - wie seit dem 1. Januar vorgeschrieben - für sechs Monate gespeichert werden. In dieser ersten Eilentscheidung hatte das Gericht den umfassenden Abruf der Daten durch die Strafverfolgungsbehörden verboten. Es akzeptierte vorläufig den Zugriff auf die Daten bei der Verfolgung von schweren Straftaten. Es gab freilich auch hier schon zu erkennen, dass es den vom Gesetzgeber aufgestellten Katalog für viel zu umfangreich hält und ihn nur mit Grimmen vorläufig zulässt. Gleichzeitig kündigte das Gericht an, dass es die damals in Arbeit befindlichen Gesetze von Bund und Ländern, die der Polizei und dem Geheimdienst auch den präventiven Zugriff auf die Daten geben wollen, nicht akzeptieren wird. Die Gesetzgeber im Bund und in den Ländern haben sich darum nicht geschert.

Darum kam es jetzt zur zweiten Eilentscheidung. Die erste Eilentscheidung wurde noch einmal verlängert. Zudem untersagte das Gericht der Polizei in Bayern und Thüringen den uneingeschränkten Abruf von gespeicherten Verbindungsdaten zur Gefahrenabwehr - wie das dort in den neuen Polizeigesetzen vorgesehen ist. Das Gericht will verhindern, dass „das Vertrauen in die allgemeine Unbefangenheit des elektronischen Informations- und Gedankenaustauschs" der Bürger in „erheblichem Maß eingeschränkt wird", heißt es in dem Beschluss. Es ordnete deshalb an, dass Vorratsdaten nur zur Abwehr einer „dringenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“ oder für „die Sicherheit des Bundes oder Landes" abgerufen werden dürfen.

Diese zweite Eilentscheidung ist eine neue Station im Ringen zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der Politik, das nun schon einige Jahre dauert. Das Gericht mahnt den Gesetzgeber immer eindringlicher zur Beachtung der Bürgerrechte. Es warnt den Gesetzgeber immer eindringlicher davor, bei Sicherheitsgesetzen maßlos zu sein.

Man darf gespannt sein, ob die Politik darauf hört. Ansonsten können sich die Regierungspolitiker die Jubelreden zum bevorstehenden 60. Jubiläum des Grundgesetzes sparen. Mit einer Verhandlung in der Hauptsache wird erst im nächsten Jahr gerechnet.

csk