Die letzten Monate boten ein Bild, welches man wohl vom kleinen, beschaulichen Island am wenigsten zu sehen erwartet hätte: Wütende Bürger vor dem Parlament, Massendemonstartionen, die den Rücktritt der Regierung forderten. Im folgenden Artikel versucht Ørn Olafsson einige Hintergründe zu erklären. Der Artikel, der hier stark gekürzt veröffentlicht wird, erschien zunächst in der Online-Zeitung „Socialistisk Information“, die von der SAP, dänische Sektion der 4. Internationale und Tendenz in der Linkspartei „Enhedslisten“ herausgegeben wird. Als ich ein junger Mann in Island war, gab es vier politsche Parteien: Die Konservativen, die Fortschrttspartei (eine liberale Baürnpartei), die Sozialdemokratie und die sozialistische Partei. Letztgenannte unterschied sich von den Sozialdemokraten darin, dass sie die Sowjetunion unterstützte und den Austritt Islands aus der NATO und die Schließung der US-Militärbasis in Keflavik forderte. Die vier Parteien teilten die verstaatlichten Banken, die Fernsehanstalt, den Rundfunkaufsichtsrat usw. unter sich auf. Letztlich war Island also eine Art parlamentarisch legitimierter Mafiastaat.
Siegeszug der Neoliberalen
In den 1990ern änderten sich die Verhältnisse auf Island. Zunächst wurde das Staatsmonopol im Rundfunk abgeschafft, sodass nun Privatsender aufkamen, die amerikanische Popmusik spielten. Das gleiche passierte im Fernsehbereich, wo amerikanische Sit-Coms liefen. Die Banken wuchsen enorm, und gründeten Filialen im Ausland. Zum Schluss war deren Umsatz sechs mal größer als die Nationalökonomie Islands. Isländische Firmen kauften alles mögliche im Ausland auf, so z.B. die jetzt Pleite gegangene Billig-Fluglinie Sterling und den ebenfalls bankrotten Elektromarkt Merlin. Wo kam all dieses Geld her? Wahrscheinlich, indem Banken wie die „Danke Bank“ und britische Banken ihnen Geld liehen. Die Zinsen waren schließlich rekordniedrig und es wurde auf Rendite für die Milliardensummen gehofft, die jetzt (künstlich) vorhanden waren..
Was lief schief?
Was lief dann schief? Die am ehesten wahrscheinlche Erklärung
ist, dass die isländischen Banken über-
expandierten und ihre Schulden im Ausland einfach zu
groß wurden. Allein im Laufe des letzten Jahres steigerten sie ihre
Verleihtätigkeit um 20-30 %, und dies, obwohl diverse Experten davor
gewarnt hatten. Auch wurden die Banken nicht kontrolliert. Die Finanzaufsicht
wurde privatisiert und damit unabhänig von der isländischen Nationalbank.
Weiter wurden keine Sicherheiten oder Rücklagen von den Banken gefordert.
Die politischen Konsequenzen
Laut den letzten Meinungsumfragen verlieren die
Konservativen zehn Prozent. Der ganz große Verlierer ist jedoch die
liberale Fort- schrittspartei, die 25% verliert, und jetzt nur noch 9%
auf sich vereinen kann. Komischerweise können die Sozialdemokraten
einen Anstieg in der Wählergunst verzeichnen, obwohl sie zusammen
mit den Konservativen jahrelang die Regierung stellten und die jetzige
Krise mit zu verantworten haben. Die links-grüne Allianz kann sich
leicht verbessern, kann jedoch auch nicht wirklich zu den Gewinnern der
Krise gezählt werden. Deren Spitze setzt sich nun für eine Stärkung
des Kleinunter-
nehnertums ein, und weigert sich, den Kapitalismus als
Ganzes in Frage zu stellen. Die Zahl derer, die einen Anschluss Islands
an die EU befürwortern, liegt nun bei ca. 60 %.
Die Befürchtungen sind durchaus berechtigt, dass
diese Krise – mangels einer wirklichen antikapitalistischen Alternative
– zu einer Stärkung rechter/faschistischer Kräfte führen
kann.