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Interview mit dem OB-Kandidaten der Linken:

Keine Luxusgemeinde

Raju Sharma, Jahrgang 1964, gebürtiger Hamburger, Jurist und derzeit Mitarbeiter der Kulturabteilung in der Staatskanzlei, will Kieler Oberbürgermeister werden. Die Kieler Linkspartei hat ihn, wie berichtet zu ihrem Kandidaten für die Wahlen am 15. März 2009 gekürt. Sharma war seit Anfang der 1990er in der SPD aktiv, für die er unter anderem im Finanzausschuss der Eckernförder Ratsversammlung gesessen hat. 2005 hat er die Sozialdemokratie verlassen, ist der Linkspartei beigetreten und hat maßgeblich geholfen, den Zusammenschluss mit der WASG zu organisieren. Zur Zeit sitzt er in der Bundesfinanzrevisions-
Kommission seiner neuen Partei und hilft, die Finanzverwaltung der Landes- und zum Teil auch der Kreis-
verbände auf Vordermann zu bringen.  (wop)

LinX: Kannst du uns zunächst etwas über deinen beruflichen und politischen Werdegang erzählen?

Raju Sharma (R.S.): Nach einer kurzen Anwaltstätigkeit in Hamburg habe ich eine Stelle in der schleswig-
holsteinischen  Landesverwaltung angenommen, wo ich in diversen Funktionen gearbeitet habe. Unter anderem war ich auch zwei Jahre zum Kreis Pinneberg abgeordnet. Ich war dort Rechtsamtsleiter und Kulturderzernent und habe die Umstrukturierung der Verwaltung begleitet. In der Landesverwaltung habe ich unter anderem im Sozialministerium das Ministerbüro geleitet und war dann lange beim Landes-
rechnungshof. Nach einer Zeit in der Staatskanzlei, wo ich mich um Haushalt und Modernisierung gekümmert habe, war ich eine Zeit beurlaubt, um als Geschäftsführer der DFB-Kulturstiftung das Kunst- und Kulturprogramm zur Fußballweltmeisterschaft aufzubauen. Danach bin ich in die Kulturabteilung der Staatskanzlei gegangen, was ich gerne tat, weil ich mich der Kultur zunehmend verbunden gefühlt habe. Am Anfang meiner politischen Sozialisation war ich in der SDAJ und in der Friedensbewegung aktiv, auch in der DKP und im MSB Spartakus. Während meiner Familienphase – ich habe zwei erwachsene Kinder – habe ich mich ein wenig zurück gezogen und bin dann Anfang der 1990er Jahre in die SPD eingetreten, in der ich eine ganze Zeit sehr aktiv war. Im Frühjahr 2005 bin ich aus der SPD ausgetreten, weil ich dort weder in friedenspolitischer Hinsicht noch in der Sozialpolitik noch eine Perspektive sah.

LinX: Irgendwelche kulturpolitischen Initiativen in Planung für Kiel?

R.S.: Zum einen geht es darum, das kulturelle Erbe Kiels zu erhalten und es unter Wahrung seiner historischen Bedeutung weiterzu- entwickeln. Dazu gehört, dass man die Menschen darauf aufmerksam macht, was für einen kulturellen Reichtum es in ihrer  Stadt gibt. Eine andere wichtige Aufgabe wäre, kulturelle Initiativen von unten zu stärken. Es kann nicht darum gehen, in Kiel eine kostspielige, luxuriöse Elbphilharmonie zu kopieren. So etwas braucht Kiel nicht, sondern Kultur von unten, Kultur mit den Bürgerinnen und Bürgern, Initiativen, die mit den Menschen arbeiten und nicht Kultur von oben herab aufdrücken.

LinX: Die Rahmenbedingungen für deutsche Kommunen sind derzeit nicht besonders rosig und werden sich in den nächsten zwei Jahren dramatisch verschlechtern. Was könnte ein linker Oberbürgermeister unter diesen Umständen anders machen, als ein bürgerlicher Politiker?

R.S.: Zunächst müsste ein linker Oberbürgermeister deutlich machen, warum die Rahmenbedingungen so schlecht sind. Wir haben seit Jahren eine vollkommen verfehlte Steuerpolitik und eine Umverteilung zu Lasten der Sozialschwachen. Das hat unter Helmut Kohl angefangen, dann kam die Agenda 2010 und die große Koalition setzt dies jetzt fort. Diese Zusammenhänge muss man offen benennen, und für die Kommune  einfordern, was sie braucht um ihre Aufgabe wahrzunehmen, um für die Daseinsvorsorge in den Kommunen zu sorgen. Da ist ein linker Oberbürgermeister sicher freier und unabhängiger als ein Vertreter von CDU und SPD, die die Misere ja gemein- sam zu verantworten haben.

LinX: Gibt es denn überhaupt noch einen Spielraum für die Kommunalpolitik?

R.S.: Ich denke schon. Der Oberbürgermeister kann in der Verwaltung dafür sorgen, dass die vorhandenen Spielräume im Interesse der Bürgerinnen und Bürger genutzt werden, und er kann dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger, die soziale Transferleistungen bekommen, sich nicht minderwertig fühlen müssen, sondern mit der gleichen Wertschätzung behandelt werden, wie zum Beispiel ein Unternehmer. Das ist schon einmal eine wichtige Sache, weil wir ein Klima haben, in dem sich viele Menschen schlecht fühlen, weil es ihnen wirtschaftlich schlecht geht.

LinX: Wo müsste sich diesbezüglich konkret etwas ändern?

R.S.: Das Schlüselwort heißt „Respekt“. Überall, wo Menschen Sozialleistungen in Anspruch nehmen, muss man dafür sorgen, dass sie als Dienstleistungsempfänger und Bürger behandelt werden. Da würde ich, sofern ich denn gewählt werde, gemeinsam mit den Beschäftigten im Rathaus anschauen, warum dieser Anspruch in manchen Bereichen nicht optimal erfüllt wird.

LinX: Es gibt in Kiel inzwischen eine ganze Reihe von Projekten mit denen ein wirtschaftsfreundliches Glanz-Image verbreitet werden soll. Stichwort "Sailing City". Müsste man da nicht irgendwo einmal die Schere ansetzen?

R.S.: Ganz bestimmt. Man muss deutlich machen, dass Kiel nicht zu einer einzigen Einkaufsmeile verkommen darf. So eine Stadt wie Kiel muss einfach mehr sein. Sie muss offen sein für eine kräftige Wirtschaft, aber auch für die Menschen, die in ihr leben. Wir brauchen nicht überall noch mehr Einkaufszentren. Letztlich haben die meisten Menschen gar kein Geld das alles zu konsumieren, was da angeboten werden soll.

LinX: Was wären die ersten zwei Beschlüsse eines linken Oberbürgermeisters in Kiel?

R.S.: Das erste wäre, dass ich viel zuhöre und schaue. Ich möchte mit dem Grundansatz in die Verwaltung gehen, dass wir für alle Bürgerinnen und Bürger da sind.

LinX: Und was passiert mit der 70.000-Euro-Dienstlimousine?

R.S.: So etwas brauchen wir in Kiel ganz bestimmt nicht. Ich halte auch viele von den Empfängen für überzogen. Da kann man mit Sicherheit Geld sparen. Die Stadt muss sich so darstellen, wie sie ist. Sie muss sich selbstbewusst repräsentieren, aber sie ist keine Luxusgemeinde.