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NATO-Gipfel:
Proteste in Strasbourg

Am 3. und 4. April feierte die NATO (Nordatlantik-Vertragsorganisation) ihren 60. Geburtstag in Baden-
Baden und Strasbourg. Kein Grund zum Feiern, dachten sich allein in Strasbourg etwa 16.000 Gegen-
demonstrantInnen.Schon vor dem Gipfel hatte Frankreichs Präsident Sarkozy keinen Zweifel an seiner antidemokratischen Haltung gelassen, indem er dem zuständigen Präfekten sagte, er wolle keinen einzigen Demonstranten zu Gesicht bekommen. Die Repression nahm dementsprechend groteske Ausmaße an. So hat die französische Polizei z.B. in Fenstern hängende Friedensfahnen beschlagnahmt.

Ein Teil der Volxküche „Le Sabot“, welche ca. 3500 Personen bekochen kann, wurde an der deutsch-
französischen Grenze aufgehalten, alle Gemüsemesser wurden beschlagnahmt. Die Polizei behauptete, diese würden zeigen, dass militante Aktionen geplant gewesen wären. Der andere Teil der VoKü war zu dem Zeitpunkt bereits in Frankreich und schloss sich im Widerstandscamp mit der Wendland-Vokü zusammen.

Ein Genosse und ich wurden am 2. April viermal von der Polizei kontrolliert. Beim dritten Mal wurden wir in Gewahrsam genommen. Die PolizistInnen haben sich verhalten wie große Kinder: Sie rasten mit Blaulicht und Sirene zur Polizeiwache und drängten andere Fahrzeuge beiseite. Auf der Wache herrschte auf einmal überhaupt keine Eile mehr, wir verbrachten dort gut drei Stunden. Weitere Schikane: Pinkeln gehen durften wir erst, als ich wenige Sekunden davor war, mich auf dem Flur, den wir nicht verlassen durften, zu erleichtern, weil ich es wirklich nicht mehr aushielt. Den Grund für die Ingewahrsamnahme haben wir bis heute nicht erfahren.

Die am 3. April genehmigte Großkundgebung durfte nur auf einem brachliegenden Industriegelände stattfinden, die Demonstration durch den Wald und an ein paar Schrebergärten vorbei. Dieser Ort weit ab von der Öffentlichkeit war nicht hinnehmbar, sodass mehrere Aktionen Zivilen Ungehorsams in der Innenstadt geplant waren. Die Polizei griff bereits am 2. April friedliche DemonstrantInnen,  darunter die Clowns Army, unprovoziert und ohne Vorwarnung mit Tränengasgranaten an. Am folgenden Tag warf sie sogar Steine und schoss Blendschockgranaten. Es wurden mindestens zehn Verletzte auf Seiten der DemonstrantInnen registriert.

In London ermordete die Polizei am Rande der Demonstrationen gegen den dortigen G20-Gipfel den 47jährigen Ian Tomlinson. Offiziell hieß es, er sei an einem Herzinfarkt gestorben. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Tagelang wurde verschwiegen, dass er wenige Minuten vorher von der Polizei zu Boden gestoßen und mit einem Stock geschlagen wurde. In Strasbourg gelangten am Samstag ca. 250 Personen im Rahmen der Aktion NATO-ZU (= Nato dichtmachen und ZU = Ziviler Ungehorsam) in die Innenstadt, obwohl diese durch Polizei hermetisch abgeriegelt wurde, und versperrten dort eine Zufahrtstraße zu einer so genannten orangen Zone. Ein Auto der US- Delegation musste umkehren.

Der Rest der DemonstrantInnen wurde von der Polizei zum Ort der genehmigten Großkundgebung gedrängt. Die Gewalt der französischen Polizei provozierte gegen Mittag so große Gegengewalt von etwa 1000 militanten NATO-GegnerInnen, dass die Europabrücke gesperrt und die Großdemonstration abgesagt werden musste. Am Nachmittag wurden dann die leerstehende Zollgrenzstation mit der Parole „No Border – No Nation“ und ein Hotel, in dem in der vorangegangenen Nacht Sicherheitskräfte für den NATO-Gipfel untergebracht waren, angezündet. So hat der Repressionsapparat am Ende die Bilder bekommen, die er für die Titelseiten der Tageszeitungen haben wollte.

Im Nachhinein haben sich dann die deutschen Behörden für ihre Demokratiefeindlichkeit auch noch selbst auf die Schulter geklopft. In Deutschland habe es keine von Gewalt überschatteten Proteste gegeben, weil ein Camp für DemonstrantInnen dort gar nicht genehmigt worden ist.

(cam)