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Das schleswig-holsteinische Landesamt für Ausländerangelegenheiten hat mal wieder gnadenlos zuge-
schlagen. Wie der Flüchtlingsrat mitteilt, wurde am 7. Mai der russische Asylsuchende, obwohl schwer traumatisiert und selbstmordgefährdet, nach Moskau abge- schoben. Zuvor war das Amt sogar vom Verwaltungsgericht aufgefordert worden, “aufenthaltsbeendende Maßnahmen” zunächst zu unterlassen. In Schleswig war nämlich ein Antrag auf Aussetzung der Abschiebung anhängig, da ein Asylfolgeantrag gestellt worden war. Der Flüchtlingsrat berichtet weiter, dass die Mutter des Abgeschobenen nach der Einreise der beiden 2005 Asyl wegen der in Russland erlittenen Gewalt gewehrt worden war. Die beiden sind georgischer Nationalität. D. hätte in seinem ersten Antrag, wie es bei vielen Traumatisierten vorkomme, die Gewalt die er selbst erfuhr, nicht erwähnt und weshalb dieser abgelehnt worden sei. Gutachten hätten inzwischen “eine posttraumatische Belastungsstörung, die er nach schweren gewalttätigen Übergriffen in der Heimat davon trug”, nachgewiesen. Das Landesamt habe bei der Abschiebung davon gewusst. Der Flüchtlingsrat verweist darauf, dass erst Anfang Mai in einem ähnlichen Fall die Abschiebung eines 27Jährigen durch ein Oberverwaltungsgericht gestoppt worden sei. Das Landesinnenministerium wird aufgefordert, D. zurück nach Schleswig-Holstein zu holen.

Ein “Convoi of Hope for Gaza” hat sich am 15. Mai von Genua übe Alexandria auf den Weg nach Rafah im Gazastreifen gemacht, um dringend benötigte medizinische Geräte in das kriegszerstörte Gebiet zu bringen. 60 Kleinlaster sowie Ambulanzfahrzeuge sollen von den etwa 150 europäischen Teilnehmern der Kampagne überbracht werden. An dem Projekt beteiligt sind unter anderem 12 Parlamentarier aus Italien, Griechenland, Irland, Großbritannien und der Schweiz.

Einige der Flüchtlinge, die von italienischen Behörden in letzter Zeit nach Libyen abgeschoben wurden, legen vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof Klage dagegen ein. Organisiert wird das Vorgehen vom italienischen Flüchtlingsrat, der die Vollmachten von 24 Betroffenen eingeholt hat, zumeist Somalis und Eritreern. In einer Presseerklärung dazu heißt es: “Die italienische Regierung war nicht befugt, die Migranten und Flüchtlinge zurückzuweisen. (...) Die Anwesenheit von Somalis unter der Migranten widerlegt die Legitimität der Aktion und stellt eine Verletzung des Art. 3 der Menschenrechtskonvention dar (...) Libyen hat die Genfer Flüchtlings- konvention nicht unterzeichnet und verfügt nicht über ein Asylsystem. (...) Die Flüchtlinge wurden in Libyen nicht einmal identifiziert, sie erhielten auch keine individuellen Zurückweisungsverfügungen.” Vermutlich ist es den europäischen Behörden lieber, wenn die Somalis zu hause aus purer Not zu Piraten werden, damit hiesige Militärs eine Rechtfertigung für ihre maritimen Abenteuer haben.

Am 4. und 5. Juni tagt in Bremen die diesjährige Innenministerkonferenz. Verschiedene Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen erneuern aus diesem Grunde ihre Forderund nach einem Ende de Kettenduldungen, mit denen Hunderttausende über viele Jahre in Unsicherheit gehalten werden, und nach einer großzügigen Bleiberechtsregelung für afghanische Flüchtlinge. Aus diesem Anlass laden der Flüchtlingsrat und die Diakonie für den 2. Juni zu einer Informationsveranstaltung in die Norderstedter Shalom-Kirche ein, auf der über die Eskalation in Afghanistan und im benachbarten Pakistan referiert wird. In Pakistan, wo in einigen Provinzen wohl inzwischen von einem regelrechten Bürgerkrieg gesprochen werden kann, sind in den letzten Wochen nach UN-Angaben 830.000 Menschen durch die Kämpfe vertrieben worden, die von den pakistanischen Behörden wenn überhaupt nur sehr unzureichend versorgt werden.

Das Lübecker Flüchtlingsforum und der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein rufen zu einer Solidaritätsaktion für Kapitän Schmidt und Elias Bierdel auf. Die beiden stehen wie berichtet in Italien vor Gericht, weil Schmidt 2004 al Kapitän der “Cap Anamur” zwischen Libyen und Italien Schiffsbrüchige aufgenommen und in einem italienischen Hafen abgesetzt hatte, wie es nicht nur die Menschlichkeit sondern auch internationales Seerecht vorschreibt. Bierdel war seinerzeit der Vorsitzende des Vereins “Cap Anamur”, in dessen Auftrag das Schiff Hilfsgüter in den Irak bringen sollte. Die italienische Staatsanwaltschaft hat nun für die beiden vier Jahre Haft und eine Geldstrafe von 400.000 Euro gefordert. Der nächste Prozesstag ist am 3. Juni. Am 18. Mai, einen Tag nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, gab es vor der italienischen Botschaft in Berlin eine Protestkundgebung. Beim Flüchtlingsrat können Protestpostkarten zum selbst verschicken und zum Verteilen bestellt werden.

Die Bundespolizei will am 8. Juni von Berliner Flughafen Schönefeld aus eine Massenabschiebung nach Vietnam organisieren. Zu diesem Zweck wurde ein Flugzeug der Air-Berlin gechartert. Die Berliner Innenverwaltung – in Berlin regiert eine Koalition aus SPD und Linkspartei – koordiniert die Aktion, an der sich eine ganze Reihe von Bundesländern beteiligen. Der Flug ist der erste seiner Art seit mehreren Jahren, der in Berlin startet. Betroffen sind nach Berichten in Berliner Zeitungen und auf indymedia über 100 Vietnamesen, darunter auch Frauen und Kinder. 60 Polizisten sollen mitfliegen, um die zwangsweise Abgeschobenen unter Kontrolle zu halten. Aus Berlin wurden nach Angaben der Berliner Zeitung zwischen 2005 und 2008 4.021 Menschen abgeschoben, wobei mitunter Familien auseinander gerissen werden. Die Zeitung zitiert Tamara Hentschel, Geschäftsführerin des Vereins Reistrommel, der im Berliner Bezirk Lichtenberg Vietnamesen unterstützt: Es gebe Fälle, "in denen die Polizei zum Abendbrot in der Familie auftauchte, die Eltern verhaftete und sie sofort abschob." Ihre Kinder blieben zurück. "Rosa-rote"-Hauptstadtpolitik.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin fordert die “sofortige Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für  EU- Bürger”. Die Bundesregierung schieße sich mit ihrer “Schotten-dicht-
Politik ins eigene Bein”. Die große Koalition will nämlich von den Vorschriften der Aufnahmeverträge mit den neuen  EU-Mitglieds- ländern Gebrauch machen und die Freizügigkeit für Bürger dieser Staaten bis 2011, den maximal möglichen Termin, beschränken. Auch Österreich hat einen entsprechenden Antrag bei der  EU- Kommission gestellt. Allerdings kann der Zuzug von Arbeitern aus den Mitteleuropäischen Ländern nur verweigert werden “wenn eine schwere Störung des Arbeitsmarktes” vorliegt. Es könnte also auch sein, dass die Kommission das Berliner und Wiener Ansinnen  ab- lehnt. Das DIW stellt jedenfalls fest, dass auch die restriktive Politik in Deutschland nicht hat verhindern können, dass sich Polen und andere hier Arbeit gesucht hätten. Allerdings  hätten “die dringend benötigten Fachkräfte” einen Bogen um Deutschland gemacht. Die haben sich eher in anderen EU-Ländern Jobs gesucht, die nicht so engstirnig waren. Die Folge laut DIW: Das Qualifikationsniveau der Zuwanderer hat deutlich abgenommen.

(wop)