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Nazi-Anschläge:
Gegenwehr organisieren

Wie in der letzten Ausgabe kurz berichtet, terrorisieren Neonazis weiter Kieler Projekte. In der Nacht vom 29. auf den 30. Mai wurden in der Hansastraße 48 und im Wohnprojekt „Dampfziegelei“ in der Wik zum wiederholten Male scheiben eingworfen. Außerdem wurden Besucher der „Dampfziegelei“ massiv bedroht. Am 5. Juni gab es daraufhin eine mit über 600 Teilnehmern gut besuchte Solidaritätsdemo, die von der Hansastraße in die Wik führte. Unter den Teilnehmern wurde erfreulicher Weise auch ein wenig lokale Grüne- und SPD-Prominenz gesichtet. Unterwegs wurde so manches DVU-Plakat von den Laternenpfählen gepflückt. Die Polizei hatte zur Abwechslung mal auf Deeskalation gesetzt und war kaum zu sehen.

Wir dokumentieren im folgenden einen offenen Brief der Organisation „Arbeit Zukunft“ an die Bewohner der betroffenen Projekte, in dem versucht wird die Angriffe in einen größeren Zusammenhang einzuordnen.

Liebe Bewohner/innen der Hansastraße 48, liebe Bewohner/innen des „WP Dampfziegelei“!

Brandanschläge, gewalttätige Übergriffe, Hetzjagden und Mord – so zeigt sich uns heute die hässliche Fratze der deutschen Nazis! Die Ideologie, die dahinter steht, kostete über 50 Millionen Menschen bis 1945 das Leben. Sie war und ist verantwortlich für Mord, Folter und Verfolgung in den faschistischen Diktaturen in Spanien, Chile, Griechenland und in der Türkei. Rassistisch und  völkisch- nationalistisch sind ihre Gedanken, unsägliches Leid bringen ihre Taten. Seit 1990 haben Nazis in Deutschland weit über 100 Menschen ermordet. Migrantinnen und Migranten, Obdachlose, Linke und Punks sind ihre bevorzugten Opfer. Also alle die, die aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft für die Nazis nur „Untermenschen“ sind.

In Deutschland existieren über 160 sog. „Freie Kameradschaften“. Nach außen hin wird gerne das Bild von losen Zusammenhängen dargestellt. Doch so „frei“, wie der Name sagt, sind die einzelnen Nazi-Zirkel nicht. Sie sind regional über „Aktionsbüros“ miteinander vernetzt, in denen alt bekannte Nazischergen den Ton angeben. Auch wenn die Anschläge auf Eure Gebäude noch verhältnismäßig harmlos sind, sollten wir sie nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn:

Hinter den Faschisten steht das Kapital!

Antifaschistische Aktionen, wie die heutige Demo, sind nur eine Bekämpfung der Symptome, trotzdem sind sie dringend notwendig und wir dürfen uns nicht durch bürgerliche Gesetze behindern lassen unsere Stimme zu erheben, denn dieser Staat, der nichts weiter ist als ein politisches Machtinstrument der deutschen Kapitalisten, schützt die Faschisten, wo er nur kann. Er braucht sie, um dem Volk einen Scheinfeind vorzu-
gaukeln, damit es nicht auf die Idee kommt seinen wirklichen Feind zu erkennen und zu handeln.

Demonstration am 5.06.2009 in Kiel

Und noch schlimmer: Der kapitalistische Staat entwickelt sich immer mehr nach rechts, schafft demo-
kratische Rechte ab: Er erhält Arbeitslose wie moderne Sklaven mit ALG II am Leben, er duldet, dass Jugendliche keinen Ausbildungsplatz erhalten, er beantwortet Bürgerprotest wie z. B. beim G-8-Gipfel mit Polizeigewalt, er schafft einen grenzenlosen Überwachungsstaat, er setzt Rentenbetrug als Gesetzgeber und Lohnraub als staatlicher Arbeitgeber durch, er schickt seine Truppen in fremde Länder, um wie z. B. in Afghanistan die freie Entfaltung des ausländischen Kapitals zu schützen. Unser Feind ist das Kapital in all seinen widerwärtigen Facetten und dieses müssen wir bekämpfen – dann bekämpfen wir auch die Glatz-
köpfe, die sich nachts um Eure Häuser schleichen! Das allherrschende Monopolkapital ist die Ursache für Ausbeutung, Unterdrückung und Kriege auf dieser Welt. Das ist der Schoß, den Brecht meinte, der aber nur so lange fruchtbar ist, wie wir es dulden!
 

Arbeit Zukunft Kiel
Das da hätt einmal fast die Welt regiert.

Die Völker wurden seiner Herr.

Jedoch ich wollte, daß ihr nicht schon triumphiert.

Bert Brecht 1955, Kriegsfibel


Pewe, Arbeiterfotografie

4.000 bis 5.000 Menschen demonstrierten am 6. Juni 2009 nach Angaben der Veranstalter gegen einen Aufmarsch von Neonazis in Pinneberg. Ein massives Polizeiaufgebot sorgte dafür, dass diese dennoch unbehelligt ihre Hetze verbreiten konnten. Positiv war, dass die Gewerkschaft IG Metall sich maßgeblich am antifaschistischen Protest beteiligte. Auf der Demonstration sprach auch der  DKP- Vorsitzende Heinz Stehr sowie die SPD-Bürgermeisterin Kristin Alheit. Diese meinte, Pinneberg sei eine nazifreie Zone, was angesichts der durch die Polizeimacht geschützten Aufzug der rechten Gewalttäter etwas befremdlich erscheint.

(wop)