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Bundesweiter Bildungsstreik:

Wir sind zufrieden

Mitte Juni hat es, wie in der letzten LinX berichtet, einen bundesweiten Bildungsstreik gegeben. Initiert war er vor allem von Schülern, aber vielfach haben sich auch die Studenten daran beteiligt. In vielen Orten gab es so fantatsievolle Aktionen wie „Banküberfälle“. Banken wurden zeitweise blockiert, um einen Anteil der Rettungsgelder für die Bildung einzufordern. In vielen Orten reagierte die Polizei brutal und hysterisch auf die Aktionen der Jugendlichen. Wie fragten den Sprecher des Bildungsbündnis Kiel wie die Aktionswoche in Kiel gelaufen ist.

 (wop)


 LinX: Rund 270.000 Schüler und Studenten waren Mitte Juli während des Bildungsstreiks bundesweit auf den Straßen. Wie sah es in Kiel aus.

S.B.: In Kiel fanden die Aktionen eine Woche früher statt, weil hier die landesweiten Abschlussprüfungen an den Schulen mit der bundesweiten Aktionswoche zusammenfielen. Am 9. und 11. Juli waren jeweils 2.500 Leute auf der Straße.

LinX: Was waren in Kiel die wichtigsten Forderungen?

S.B.: Das waren die selben, die auch bundesweit gestellt werden. (Siehe Kasten.) Darüber hinaus gibt es in Schleswig-Holstein eine ganze Menge Veränderungen an den Gymnasien, gegen die wir uns wenden. Außerdem sind die Real- und Hauptschulen zu Regionalschulen zusammengelegt worden, was für viel Protest sorgt. Unter anderem fordern wir kleinere Klassen und bessere Ausstattung. Wenn man mit 30 Leuten in einem Leistungskurs sitzt, ist das natürlich viel schlechteres Lernen, als wenn es nur zehn oder 20 Schüler sind.

LinX: Das heißt, ihr habt gegen die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen demonstriert?

S.B.: Wir wollen längeres gemeinsames Lernen, wir sind also gegen das dreigliedrige Schulsystem. Aber die Zusammenlegung der Haupt- und Realschulen führt dazu, dass das Aufteilen von Menschen nach Gesellschaftsklassen fortgesetzt wird. Nach der vierten Klasse wird gesagt, du kannst studieren und wirst Doktor, und du wirst am Fließband arbeiten.

LinX: Seit ihr mit der Beteiligung in Kiel zufrieden oder hatten ihr mehr erwartet?

S.B.: Wir sind zufrieden. An beiden Tagen hatte es wie aus Kübeln geschüttet, dennoch gingen zusammen 5.000 auf die Straße. Dafür waren es extrem viele. Im letzten Jahr, im November 2008, waren es 4.000 gewesen.

LinX: Es wird doch bei den beiden Demos bestimmt viel personelle Überschneidung gegeben haben.

S.B.: Nein, nicht viel. Es waren wirklich unterschiedliche Demonstrationen. Am 9. Juni waren 2.500 Leute aus Hauptschulen,  Realschulen, Gymnasien und von den Berufsschulen auf der Straße, die für die Forderungen der bundesweiten Schulstreikaktionen demonstrierten. Zwei Tage später ging es ausschließlich um die Eingriffe an den Gymnasien, um die Profiloberstufe, die den Schülern die Wahlfreiheit nimmt, die Verkürzung der Schulzeit auf acht Jahre (G8), die die anderen Schulformen nicht betreffen. Da wir im Schulstreik nicht den Schwerpunkt drauf gelegt haben, gab es dazu ein zweites Bündnis, das Bündnis gegen die Profiloberstufe.

LinX: Die Träger der Proteste waren in Kiel im Wesentlichen die Schülerinnen und Schüler. Was ist mit den Studis los?

S.B.: An der Kieler Uni hat sich wenig getan. An Flensburg gab es hingegen große Studentenproteste. In Kiel haben wir versucht, mit dem AStA zusammenzuarbeiten, aber der wollte nicht. Am Bündnis beteiligen sich zwar einige Studenten und 50 bis 100 waren auf den Demos, aber von offizieller Seite gab es bei den Studenten keinen Aufruf.

LinX: Und welche Strukturen haben an den Schulen mobilisiert?

S.B.: Die Kreisschülervertretung war nicht beteiligt, aber die Landesschülervertretung (LSV). An den einzelnen Schulen haben zum Teil die Schülervertretungen die Materialien der LSV verteilt, häufig gab es aber einfach an den Schulen einzelne Aktive, die sich Flyer und Plakate besorgt haben, um an ihren Schulen zu werben. Außerdem sind wir vom Bündnis rumgefahren und haben an den Schulen Flyer verteilt.

LinX: Waren die Schultypen gleichmäßig beteiligt, oder gab es Schwerpunkte.

S.B.: Schon wegen des Alters ist es so, dass besonders viele Gymnasiasten beteiligt waren. Es waren ein paar Hauptschüler aus den neunten Klassen dabei, auch Realschüler, aber die sind alle schon im Prüfungsjahr. Die Gymnasiasten in dem Alter haben hingegen relativ wenig in der Schule zu tun und daher mehr Zeit.
 

LinX: Bei einer der beiden Demonstrationen gab es einen ziemlich überzogenen Polizeieinsatz. Hat es ein Nachspiel gegeben?

S.B.: Das lief zum Beispiel so, dass ich als Veranstalter von der Polizei kaum Informationen bekommen habe, während am anderen Ende des Demozuges Beamte anfingen den Leuten drohen. Sie sollten weggehen und die Demo würde aufgelöst. Auch Festnahmen gab es, aber mir hat die Polizeiführung vorne nichts davon gesagt. Das ist ziemlich erstaunlich, denn eigentlich sind die  Vorbereitungsgespräche recht gut verlaufen. Im Nachhinein haben wir über Presse und Jugendorganisationen versucht, die Vorfälle öffentlich zu machen. Ansonsten haben wir die Betroffenen an die Rote Hilfe verwiesen. Sie waren alle im Laufe des Tages wieder frei gekommen. Es hat eine erkennungsdienstliche Behandlung gegeben, aber die Daten wurden angeblich wieder gelöscht.

LinX: Wie geht es weiter mit den Bildungsprotesten?

S.B.: In den nächsten wird es um die Aufarbeitung gehen. Zum einen werden wir uns gegen die Repression an den Schülern wehren müssen. Viele haben Verweise, Missbilligungen oder Strafarbeiten bekommen, weil sie sich an den Protesten beteiligt haben. Wir wollen an die Schulen gehen, um Lehrer und Direktoren davon zu überzeugen, dass es nicht gerechtfertigt ist, Schüler für das Äußern ihrer Meinung zu maßregeln. Zum anderen geht es auch um Öffentlichkeitsarbeit, Podiumsdiskussionen und ähnliches. Eine bundesweite Aktion steht in den nächsten Monaten nicht an. Das Kieler Bündnis trifft sich jeweils Dienstags um 18.30 Uhr im Gewerkschaftshaus. Demnächst werden wir allerdings auf 14tägigen Rhythmus umstellen.

Auf der bundesweiten Demo „Wir zahlen nicht für eure Krise” am 28. März in Berlin

Vom 10. bis zum 12. Juli gibt es in Bonn ein bundesweites Treffen, auf dem der Bildungsstreik ausgewertet und über weitere Aktionen gesprochen werden soll.

www.bildungsstreik.net
bildungsbuendnis-kiel.de.ki
www.schulaction.org