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Der Protest gegen ein neues Kohlekraftwerk:

Eine Chronologie

Im Sommer 2007 wird die Kieler Bevölkerung mit E.ons Kraftwerksplanung für ein neues Gigawatt-Kohle-
kraftwerk überrascht. Das Gemeinschaftskraftwerk Kiel GKK (50% E.on und 50% Stadtwerke Kiel/MVV) soll 2015 außer Dienst gestellt werden. Nach ersten Protesten wird die Planung auf 800 MW reduziert, mit Investitionskosten von ca. 1,5 Mrd. Euro. Im August 2007 ruft das Bündnis Kielwasser, eine Attac-AG zur Rekommunalisierung der Stadtwerke, zu einem ersten Treffen einer Bürgerinitiative auf. Ca. 50 Personen aus Kiel und dem Kieler Umland gründeten am 13.8.2007 die "BürgerInneninitiative umweltfreundliche Energieversorgung für die Region Kiel". Sie wird unterstützt aus Mitgliedern von Attac, BUND, Green-
paece, Energiestammtisch, NABU, Die Grünen, Die Linke, MLPD, SPD der Ostufergemeinden und vielen Einzelmitgliedern.

Am 8.10.2007 beschließt die BI ein Positionspapier welches sechs Eckpunkte enthält:

1. Weder Atomkraft noch Kohlekraft, sondern konsequenter Klimaschutz

2. Ausrichtung auf eine Regionalversorgung für Kiel und Umgebung

3. Energie sparen und Effizienz erhöhen

4. Nachhaltige Energieversorgung auf dezentraler Basis

5. Arbeitsplätze für die Region erhalten und neue schaffen

6. Rekommunalisierung der Stadtwerke und demokratische Kontrolle

Die BI fordert von der Stadt die öffentliche Diskussion über die Kraftwerksplanung und die Einberufung von Einwohnerversammlungen. Ein Bürgerbegehren wird erwogen.

Am 8.12.2007, dem Weltklimatag, geht die BI mit einem Flugblatt in die Öffentlichkeit, führt mehrere Aktionen und Stände durch und unterstützt die Unterschriftensammlung des "Energiestammtisches" gegen ein neues Kohlekraftwerk in Kiel.

Auf öffentlichen Veranstaltungen der Parteien und fordert die BI zu eindeutigen Stellungnahmen gegen den Bau eines neues Kohlekraftwerkes noch vor den Kommunalwahlen auf.

Die BI veröffentlicht ihre Positionen im Internet unter www.keine-kohle-kiel.de

Die Stadtwerke/MVV lassen von zwei Instituten, von ENERKO und vom Öko-Institut e.V., Gutachten über 6 Kraftwerksvarianten erstellen.

Am 2.2.2008 organisiert die BI eine Demonstration zum Kohlekraftwerk auf dem Ostufer mit über 600 TeilnehmerInnen.

Am 4.2.2008 präsentieren die Stadtwerke Kiel auf dem "Runden Tisch" aus Stadtwerken und Ratsver-
tretern der Parteien die Gutachten über Kraftwerksvarianten. Danach ist nur das Großkohlekraftwerk wirtschaftlich und rechnet sich für die Dividende der Konzerne und auch der Ratsvertreter.

Die BI überreicht der CDU-Oberbürgermeisterin für den "Runden Tisch" noch am selben Tag 4.000 Unterschriften gegen ein neues Kohlekraftwerk in Kiel.

Am 11.2.2008 schreibt die BI einen Brief an das Öko-Institut und fragt, warum in ihrem Gutachten mit keinem Wort der Schadstoffausstoss des Kohlekraftwerkes erwähnt ist und bemängelt, dass sie nur bezüglich der Rendite begutachtet haben.

Der "Runde Tisch" verkündet überraschend die Aufschiebung der Planungen um drei bis fünf Jahre, angeblich weil bis dahin die Technik für die CO2-Abscheidung entwickelt sei. Der Stadtwerkevorstand verkündet, "das Energiekonzept für Kiel nur mit und nicht gegen die Bürger zu entwickeln."

Die BI erklärt, dass sie sich von der Aufschiebung nicht täuschen lässt und kündigt über die Presse die hartnäckige Fortsetzung der Proteste an.

Bereits am 13.2.2008 bemängelt die BI in einem Brief an die Oberbürgermeisterin, dass keine Einwohnerversammlung zum Thema Kohlekraftwerk stattfinden soll und fordert die Veröffentlichung und Diskussion der Gutachten.

Endlich werden die Gutachten auf der Internetseite der Stadtwerke Kiel veröffentlicht.

Parteien und Ratsversammlung scheuen vor der Wahl die öffentliche Auseinandersetzung um das Kohlekraftwerk.

Die BI kündigt an, selbst eine öffentliche Veranstaltung zu den Kraftwerksplänen von E.on und MVV zu machen und lädt dazu die OB ein.

Die Stadtwerke laden daraufhin zur Podiumsdiskussion mit Gutachtern und BI-Vertretern am selben Tag ein. Die BI verzichtet auf ihre Veranstaltung.

24.4.2008. Auf der Veranstaltung der Stadtwerke mit ca. 600 Teilnehmern hängt das Transparent der BI mit Zustimmung der Geschäftsleitung. In der Diskussion verhärten sich die Gegensätze. MVV, E.on und Gutachter bleiben dabei, nur ein Kohlkraftwerk von 800 MW sei wirtschaftlich. Dem stimmt auch des Öko-Institut zu und entlarvt sich erneut als konzernhörig. Die Konzernleitung besteht auf der Renditeerwartung.

15.5.2008. Die BI besteht auf ihrer ökologischen und sozialen Sichtweise und macht eine eigene Veran-
staltung, auf der u. a. die IPPNW über die gesundheitlichen Folgen aufklärt. Der BUND untersucht die Folgen für die Umwelt. Attac referiert über die sozialen Auswirkungen, enthüllt die Politik der Energiekonzerne und stellt die Kampagne gegen die Stromkonzerne vor.

Von Wissenschaft und Wirtschaft wird die Kohlendioxid-Speicher-Technologie (CCS) als Lösung empfohlen. CDU und Teile der SPD unterstützen dies und bewilligen viel Geld für die Förderung der Forschung in Kiel.

Die BI gibt ein Flugblatt mit Argumenten gegen die CO2-Speicherung heraus.

Die BI fordert den Rat der Stadt Kiel auf, endlich das 1995 beschlossene Energiekonzept vorzulegen und weist darauf hin, dass der Bau eines GroßKohlekraftwerkes mit den erklärten Zielen der Klimaschutzstadt Kiel unvereinbar ist.

Kurz vor der Kommunalwahl legt das Umweltamt der Stadt Kiel ohne öffentliche Debatte ein Energie-
konzept vor, das mehrheitlich noch schnell von allen Parteien beschlossen wird und u.a. eine jährliche Verminderung des CO2-Ausstoßes um 10% umsetzen will.

Die Kommunalwahlen im Mai 2008 werden ein Disaster für CDU und SPD. Die CDU verliert die absolute Mehrheit und hat weniger Stimmen als die SPD, die aber auch Federn lassen muss. Die Grünen kommen auf 16% und die Linke kommt auf Anhieb mit 11 % in den Rat. Die Grünen kündigen ihre jahrelange Zusammenarbeit mit der CDU auf, Reden mit den Linken, mit der SPD und SSW. Alle Parteien haben sich ihren Reden nach vom Kohlekraftwerksbau verabschiedet, aber in der SPD träumen einige immer noch von der Dividende durch billigen Kohlestrom, um damit die Haushaltsverschuldung zu senken.

Am 14.7.2008 bildet sich eine Mehrheitskoalition aus SPD, GRÜNEN und SSW. In ihrem Kooperations-
vertrag schreiben sie u.a.: "In Kiel wird kein neues Kohlekraft gebaut" und sprechen sich aus für eine dezentrale Energieversorgung und Nutzung erneuerbarer Energien.

Der BI und Umweltverbänden wird vom Umweltamt ein Mitspracherecht bei der Umsetzung des Energiekonzeptes versprochen. Mitglieder der BI beteiligen sich während der gesamten Kieler Woche am Stand des Umweltamtes und erhalten großen öffentlichen Zuspruch. Am letzten Tag kommt es zu einem Konflikt mit Ordnungskräften der Stadt Kiel, die das Aufstellen eines Banners und das Verteilen von Flugblättern verbieten wollen.

Am 1.8.2008 erhöhen die Stadtwerke bereits nach einem Jahr erneut die Strompreise um 6%.

Auf der Ratsversammlung am 18.9.2008 erwirken CDU und FDP eine Vertagung der Entscheidung gegen den Neubau eines Kohlekraftwerkes. Die CDU spricht von "Öko-Egoismus", warnt vor einer Steigerung der Strompreise um 40 Prozent und benutzt den angeblichen Arbeitsplatzabbau als Drohung. Die BI protestiert mit ihrem Transparent gegen ein neues Kohlekraftwerk.

Am 9.10.2008 setzt die Ratsmehrheit den Beschluss für ein umweltfreundliches Energiekonzept in Kiel um und beschließt: "In Kiel wird kein neues Kohlekraftwerk gebaut". Am Tag des Beschlusses werden die Mitarbeiter der Stadtwerke und des GKK vom Vorstand der Stadtwerke und dem Betriebsrat zu einer Demonstration auf dem Rathausplatz beordert, weil angeblich die Existenz des Stadtwerke in Gefahr sei. Auf Transparenten steht: "Ohne Kohle ist Papa bald arbeitslos". Im Vorwege hatte es eine demagogische Pressekampagne gegen die Kraftwerksgegner und die regierenden Ratsparteien gegeben, die insbesondere von IHK und CDU betrieben wurde.

10.10.2008. Gegen die Stimmen von CDU, FDP und NPD entlässt die Ratsmehrheit das CDU-Aufsichts-
ratsmitglied Robert Cordes und bestimmt stattdessen den Grünen Ratsherren Willi Voigt für den Aufsichtsrat der Stadtwerke und den vorgeschalteten Konsortialausschuss um bei den Stadtwerken gegen den Bau eines Kohlekraftwerkes entsprechend dem Beschluss der Stadt zu stimmen.

Am 6.11.2008 beschließt die Ratsversammlung einen Bebauungsplan für das Kraftwerksgelände in dem die bauliche Größenordnung nicht verändert werden darf, womit ein 800 MW Kohlekraftwerk ausgeschlossen ist.

E.on macht Druck und erklärt, sie wollen entweder ein 800 MW-Kraftwerk oder garnichts.

Das GKK und E.on versuchen auf Landesebene die Durchsetzung ihrer Kraftwerkspläne mit einem Raumordnungsverfahren. Dies wird dann aber wegen eindeutiger Beschlüsse der Stadt Kiel abgewiesen.

Im Frühjahr 2009 entwickelt die BI ein alternatives Energiekonzept und stellt es zur Diskussion.

15.5.2009 Die Stadt Kiel gibt ein unabhängiges Gutachten in Auftrag, welches die Umsetzung eines klimafreundlichen Energie- und Versorgungskonzept für Kiel prüfen soll.

Im Mai 2009 gibt RWE in Nordfriesland wegen des starken Widerstandes die Pläne zur CO2-Speicherung auf. Die BI nimmt Kontakt mit Initiativen in Ostholstein auf, da dort ab September der Untergrund erforscht werden soll.

Stadtwerke/MVV und E.on beauftragen die IFOK, ein Kommunikations-Institut, zur politischen Durchsetzung ihrer Energiepolitik, indem sie versuchen Umlandbürgermeister, Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter, Umweltverbände und Kraftwerksgegner in ein Diskussionsforum einbinden, um gegen die Politik der Stadt Kiel Stimmung zu machen.

29.6.2009. Nachdem auf der IFOK keine Bereitschaft da war, über ein alternatives Energiekonzept zu diskutieren, wurde von der BI der Austritt erklärt und darauf hingewiesen, dass es eindeutige Ratsbeschlüsse gibt.

Am 14.7.2009 erklären die Stadtwerke Kiel ihre Planungen für eine Nachfolgeanlage des Gemeinschafts-
kraftwerkes zu ändern und prüfen jetzt den Neubau eines Gaskraftwerkes. Sie erklären ihren Willen, mit den Vorstellungen der Stadt Kiel kompatibel zu sein. Die Laufzeit des bestehenden Kohlekraftwerkes (GKK) auf dem Ostufer soll um 5 Jahre verlängert werden, d.h. bis 2020.

Die BI plädiert am 5.8.2009 erneut für eine dezentrale regenerative Energieversorgung. Sie fordert die Stadt auf, ihren Beschluss vom 15. Mai 2008 umzusetzen, d.h. lokale Umweltverbände mit einzubinden und die Gutachten unter Beteiligung von BürgerInnen und Verbänden öffentlich zu diskutieren.

(uws)
Weitere Infos: www.keine-kohle-kiel.de