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Über die unglaublichen Verhältnisse, unter denen Flüchtlinge in Griechenland leben müssen, ist an dieser Stelle schon öfter berichtet worden, aber was die deutschsprachige Internetplattform Turkish Press schreibt, übertrifft alles. Aus der türkischen Presse zitierend gibt sie einen Bericht über 47 Menschen wieder, die Anfang des Monats in der Nähe von Izmir aufgegriffen und festgenommen wurden. Bei ihnen handelte es sich um 37 Palästinenser, drei Afghanen und sieben Burmesen. Sie seien zuvor von türkischen Mittels-
männern auf die griechische Insel Lesbos übergesetzt worden, die unmittelbar vor der türkischen Ägäisküste liegt. Dort hätten griechischen Polizisten sie festgenommen und ihnen Pässe und Bargeld abgenommen. Anschließend habe man sie mit zwei Küstenwachbooten aufs offene Meer gebracht, wo sie kurz vor den türkischen Gewässern gezwungen worden seien, an Land zu schwimmen. Vor drei Jahren seien bei einem ähnlichen Vorfall sechs Menschen ertrunken. In den letzten Jahren seien in der Ägäis über 900 Flüchtlinge bei dem Versuch gestorben, nach Griechenland zu kommen.

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein hat dieser Tage eine umfangreiche und aktuelle Zwischenbilanz zur Flüchtlings- und Migrationspolitik an die in Bund und Land wahlkämpfenden Parteien, ihre Landes- und Kreisverbände und die KandidatInnen verschickt. Die als Sonderheft des Magazins Der Schlepper erschienene Dokumentation ist ein Kompendium zu fast allen im Bundesland relevanten einwanderungs- und integrationspolitischen Themen und wird insbesondere den an Wahl- und Regierungsprogrammen feilenden PolitikerInnen ans Herz gelegt. (http:/www.frsh.de/schlepp.htm)

„Die Politik der sozialen Kälte, die diskriminierende Praxis sowie die Ausgrenzung von Menschen mit Migrationhintergrund in der Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik lassen immer mehr Migrantinnen und Migranten Deutschland den Rücken kehren“, sagt die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dagdelen. Einwanderer seien überdurchschnittlich von Armut betroffen. Die 2007 erfolgte Novellierung des Zuwanderungs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes setze die Politik der Abschottung und Abschreckung fort. Wollte die Bundesregierung tatsächlich die Integration von Migrantinnen und Migranten, müsse sie soziale Sicherheit und gleiche Rechte für alle in Deutschland lebenden Menschen schaffen. Das dreigliedrige Schulsystem gehöre abgeschafft, genauso wie Hartz IV und ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt.

Ferienzeit ist Reisezeit - aber nur für Menschen mit den richtigen Papieren! Eine Pressemeldung der französischen  Menschenrechtsorganisation Cimade beschreibt, wie in Frankreich mit Touristen und Durchreisenden umgesprungen wird. Menschen, die auf den Weg in ihre Herkunftsländer oder als Touristen unterwegs sind, werden in Haft genommen und abgeschoben, nicht selten in das Land, in das sie ohnehin gerade reisen wollten. Das betrifft zum einen marokkanische und algerische Familien, die meist aus Italien kommen und per Bus und Fähre über Frankreich in ihr Herkunftsland wollen, in der Regel mit viel Gepäck. Letzteres wird sie für besonders teuer, denn die Abschiebung erfolgt per Flugzeug, wobei sie für ihr Gepäck reichlich Aufschläge zahlen müssen. Zum andern sind Menschen aus Lateinamerika und Osteuropa betroffen, darunter auch solche mit Touristenvisa und Rückflugtickets. Ein Beispiel: drei Männer und zwei Frauen mit guten Positionen in Russland, die per Auto nach Spanien in Urlaub wollten, aber ein in Polen ausgestelltes Touristenvisum hatten. Ihnen wurde in der polnischen Botschaft in Moskau gesagt, es sei in der ganzen EU gültig. Das erwies sich aber schon bei Kontrollen in Österreich und Italien als falsch. An der französisch-spanischen Grenze wurden sie - wie die andern erwähnten Menschen - festgenommen und in das Abschiebelager in Perpignan, Südfrankreich, gesteckt (zwischen April und Juni 2009 waren 23% der dort Inhaftierten, Personen, die auf dem Weg in ihr Herkunftsland waren). Dort bleiben die Festge-
nommenen im Schnitt acht Tage und werden dann zwangsweise abgeschoben.

Die Urteilsverkündung im Prozess gegen den Vorsitzenden der Hilfsorganisation Cap Anamur, Elias Bierdel, und den Lübecker Kapitän Stefan Schmidt, italienischen Agrigent auf Sizilien ist auf den 7. Oktober verschoben worden. Im Sommer 2004 hatte das von Schmidt befehligte Schiff „Cap Anamur“, das im Auftrag der gleichnamigen Organisation mit Hilfsgütern im Mittelmeer unterwegs war 37 Afrikaner in einem Schlauchboot entdeckt und aus Seenot gerettet. Danach begann ein dreiwöchiges Tauziehen mit den italienischen Behörden, bis die Afrikaner in Sizilien an Land gehen durften. Anschließend wurden Bierdel und Schmidt wegen „Beihilfe zur illegalen Einwanderung in einem besonders schweren Fall“ angeklagt.

Von 1933 bis 1945 fanden über Tausend politische Flüchtlinge aus Deutschland Asyl in der jungen türkischen Republik. Diese hatte sich aktiv darum bemüht, vor allem Akademiker ins Land zu holen. Unter ihnen war auch Ernst Reuter, Anfang der 1920er Vertreter des linken Flügels in der KPD, später für die SPD Bürgermeister von Magdeburg und nach 1945 erster Regierender Bürgermeister Westberlins. Im Exil lehrte er in Ankara an der Hochschule für Politik Kommunalpolitik und Städtebau. Manche, wie der Komponist Eduard Zuckmayer blieben für immer, andere kehrten wie Reuter nach Deutschland, gingen nach Israel oder in andere Länder. Geblieben ist von ihnen unter anderem ein türkisches Lehnwort: haymatloz – heimatlos. Diesen Titel trägt auch ein Band aus der Schriftenreihe des Vereins Aktives Museum in Berlin: „Haymatloz - Exil in der Türkei 1933-1945“. Das 234 Seiten dicke Buch erinnert an die deutschen Flüchtlinge in der Türkei. Zu bestellen ist es zum Preis von 20 Euro übers Internet (http://www.aktives-museum.de).

Nach Redaktionsschluss fand am 13. August vor dem Magdeburger Justizministerium eine Demonstration antirassistischer Gruppen statt. Ziel war es, an den Tod von Oury Jalloh am 7. Januar 2005 zu erinnern und die Einsetzung einer internationalen  Untersuchungskommission zu fordern. Jalloh, der aus seinen Heimat-
land Sierra Leone geflohen war, verbrannte unter höchst dubiosen Umständen qualvoll in einer Polizeizelle in Dessau, Sachsen-Anhalt. Freunde, Flüchtlingsorganisationen und antirassistische Gruppen haben den Verdacht, dass es ein Mord war. Sie führen an, dass die Matratze in der Zelle aus nichtbrennbarem Material war, aber dennoch in Brand geriet, dass Jalloh gefesselt war. Ein gebrochenes Nasenbein und ein kaputtes Mittelohr würden auf Misshandlung hindeuten, der in dem Gewahrsam diensthabende Polizist habe zudem mehrfach den Feuermelder ausgestellt. Die Staatsanwaltschaft habe später schlampig ermittelt, sodass es nicht weiter verwunderlich sei, dass die Sachverhalte vor Gericht nicht aufgeklärt werden konnten.

(wop)