In der Druckerei der Kieler Nachrichten gibt es Stunk,
nachdem die Drucker an ein anderes Unternehmen "outgesourct" wurden. Massenentlassungen
wurden für die TB Personaldienste GmbH (344 von 389 Beschäftigten)
beantragt und nicht für die Kieler Nachrichten. Diese wurden vom Landesarbeitsamt
registriert. Es sind zwei weitere Betriebe im Hause des Druckzentrums der
Kieler Nachrichten betroffen – einmal die Tabel GmbH sowie die PND Service
GmbH. Alle firmieren unter dem Begriff Tabel Gruppe mit Sitz der Hauptfirma
in Laatzen. Allen gekündigten Beschäftigten wurden nach Übermittlung
der Kündigungen bis 30.6.2010 befristete Verträge angeboten.
Für alle Gewerkschaftsmitglieder sind Kündigungsschutzklagen
vorbereitet worden. Am 4. Februar wurden im Kieler Gewerkschaftshaus die
Stimmen zur Betriebsratswahl ausgezählt und ein Betriebsrat bei TABEL
gewählt. Die Betriebsratswahlen wurden Ende letzten Jahres durch den
ver.di-Betreuungs sekretär Heino Stüve initiiert. Weit über
hundert neue ver.di-Mitglieder sind jetzt eine starke Basis für Haustarifverhandlungen.
„Wir sind damit auch streikfähig“, betonte der frisch gewählte
Betriebsratsvorsitzende Marcus Peyn. Für den Bezirk ver.di Kiel/Plön
ist es ein skandalöses Vorgehen, wenn einem Betrieb, in dem aktuell
erstmals Betriebsratswahlen stattfinden, durch die Kieler Nachrichten,
einem traditionsreiches Kieler Unternehmen, in dem Mitbe-
stimmung zum guten Ton gehört, die Existenzgrundlage
entzogen werden soll. Nach dem Juni soll es bei der KN wieder Arbeit geben.
Das TABEL-Konglomerat bewirbt sich erneut um den Auftrag. Heino Stüve
vom Fachbereich Medien sieht die Öffentlichkeit in der Pflicht. Die
Entlassung der Belegschaft dürfe nicht als „Betriebsaufgabe“ durchgegen,
um die Vertretung der Beschäftigen abzuschütteln. Im nachfolgenden
dokumentieren wir einen Artikel über die Hintergründe.
Im Druckzentrum der Kieler Nachrichten stellen
die Firmen TB Personaldienste GmbH, Tabel GmbH und PND Service GmbH (Tabel
Gruppe) mit 389 Teilzeitarbeit- nehmer/innen die Produktion und Weiterver-
arbeitung diverser Zeitungen (unter anderem die Kieler
Nachrichten, Kieler Express, Hamburger Morgen-
post, Blitz Mecklenburg, Hamburger Wochenblätter)
sicher. Die Arbeitsbedingungen sind alles andere als "Gute Arbeit": Dort
gibt es nur Teilzeitbeschäftigung ohne Stundenbeschränkung. Der
Stundenlohn von 6,14 Euro ist nicht einmal bei einer Vollzeitstelle existenzsichernd,
er entspricht 1062 Euro brutto bei einer Vollzeitstelle. Hinzu kommt, dass
die Arbeitnehmer/innen zum großen Teil unregelmäßig eingesetzt
werden und ihnen keine feste Stundenzahl garantiert ist. Wer auf das Geld
angewiesen ist, ist zu "Wohlverhalten" erpressbar, sonst gibt es
keine Schichten. Von dieser Disziplinierungspraxis wird bei der Tabel Gruppe
auch Gebrauch gemacht. In der Vergangenheit gab es immer wieder Versuche,
einen Betriebsrat zu installieren, um sich nicht alles widerspruchslos
gefallen lassen zu müssen. Diese Versuche wurden jedoch durch gezielte
Kündigungen und massiven Druck jedesmal sofort verhindert. Seit Oktober
2009 werden die Kolleginnen und Kollegen durch ein starkes Team aus der
Gewerkschaft Ver.di, der Bundestagsabge- ordneten Cornelia Möhring
von der Linken und dem Betriebsratscoach Wolfgang Behrs unterstützt
und haben die Betriebsratswahl auf den Weg gebracht.
Die Geschäftsführung der Tabel Gruppe reagierte: Mit Aushang vom 19.1.2010 wurde allen Mitarbeitern ihre betriebsbedingte Kündigung angekündigt. Dabei stellt die Tabel Gruppe den Vorgang so dar, dass die Kieler Nachrichten den Verarbeitungsauftrag erst gekündigt habe, nachdem dem vergeblichen Versuch, die Preise dort zu erhöhen, um den Kolleginnen und Kollegen höhere Löhne zahlen zu können. Man werde sich selbstverständlich für den neuen Auftrag bewerben. In den Tagen danach gingen den Kolleginnen und Kollegen die betriebsbedingten Kündigungen zu, mittlerweile schon bis zu 8 einzelne Kündigungen, da einige Formfehler enthielten. Am 25.1.2010 fand im Gewerkschaftshaus eine Versammlung der Kolleginnen und Kollegen statt. Ca. 200 von ihnen haben inzwischen Rechtsbeistand bei ver.di eingereicht und erheben Klage gegen diese Kündigung. Ver.di hat dazu allen neuen Mitgliedern von der ersten Minute der Mitgliedschaft an Rechtschutz gewährt, damit die KollegInnen und Kollegen vor Gericht gut vertreten sind.
Die Kündigungen sind der dreiste Versuch der Tabel Gruppe, die Betriebsratswahl doch noch zu verhindern und ihre Beschäftigten einzuschüchtern. Merke: Wenn Du einen Betriebsrat willst und mehr Geld verlangst als 6,14 , dann verlieren wir leider den Auftrag und Du den Job. Auch die Wahlvorstandsmitglieder sowie die Kandidaten zur Betriebsratswahl wurden trotz eindeutigen gesetzlichen Kündigungsschutzes gekündigt. Und es kommt noch besser: Nachdem das Schleswig-Holstein Magazin sich für die Angelegenheit interessiert, versuchte die Geschäftsführung der Tabel Gruppe, den Beschäftigten per Aushang einen Maulkorb zu verpassen und drohte ihnen - völlig rechtswidrig – 250Euro Vertragsstrafe an, wenn sie der Presse über ihren Fall berichten. Auch die Unterstützung für die Belegschaft der Tabel Gruppe wächst jedoch. Die Ratsfraktionen von SPD, Grüne und Linke im Kieler Rathaus ließen sich gestern das Geschehen bei der Tabel Gruppe vom ver.di-Sekretär Heino Stüve berichten und waren entsetzt über diese Vorgänge, auch sind die ersten Abo-Kündigungen bei den Kieler Nachrichten eingegangen.
Wie kommt es zu einem solch dreisten Fall von Lohndumping,
Ausbeutung und unwürdigen Arbeitsbe-
dingungen ?
Schon seit einigen Jahren erodiert in Deutschland das
"Normalarbeitsverhältnis". Immer weniger Menschen haben gute Arbeitsbedingungen
und unbefristete Arbeitsverhältnisse. Immer mehr Unternehmen trennen
sich von Belegschaftsteilen, die sie nicht zur "Kernkompetenz" Ihrer Unternehmung
zählen und kaufen deren Leistung zu. So hat auch die KN im Jahre 2000
das Verarbeitungszentrum "outgesourct" und lässt es von Personaldienstleistern
betreiben. Diese Branche hat sich seit der Liberalisierung der Leiharbeit
durch die erste rot-grüne Bundesregierung und die Hartz-Gesetze mit
ihren "Personalserviceagenturen" und ihrem Druck, so gut wie jeden Arbeitsplatz
annehmen zu müssen, ausgebreitet wie eine Grippewelle. Statt Auftragsspitzen
abzudecken, was eine sinnvolle Funktion der Zeitarbeit sein könnte,
(die in Ländern wie Österreich und Frankreich übrigens auch
gut bezahlt wird), ist sie für viele ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmer
längst zur Dauerfalle geworden: Es gibt ihn nicht, den von den Politikern
versprochenen massenhaften "Klebeeffekt" der dazu führen soll, dass
Arbeitnehmer dem Auftraggeber ihres Arbeitsein-
satzes gut gefallen, und dort ein festes Normalarbeitsverhältnis
finden. Stattdessen gibt es für diese Kolleginnen und Kollegen nur
noch schlecht bezahlte Stellen in Zeitarbeitsfirmen oder Arbeitslosigkeit.
Und ganze Arbeitsbereiche florierender Firmen gehen zur Profitsteigerung
an diese Branche, die dann von schlecht bezahlten Zeitarbeitnehmern in
Dauerstellung - wie bei den KN - abgearbeitet werden.
Was tun?
Die Liberalisierung der Zeitarbeit muss sofort rückgängig
gemacht werden, die dringendste Maßnahme dabei ist die gesetzliche
Anordnung von "Equal Pay", gleichem Lohn für gleiche Arbeit - egal,
ob der Arbeitgeber eine Betrieb der Druckindustrie oder eine Zeitarbeitsfirma
ist. Dieses politische Ziel der Linken müssen wir weiter propagieren
und versuchen, zur gesellschaftlichen Realität werden zu lassen. Ob
der dazu nötige gesellschaftliche Druck erreicht werden kann, ist
angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
noch nicht auszumachen. Aber als Sofortmaßnahme hilft das den Kolleginnen
und Kollegen der Tabel Gruppe nicht: Es wird darauf ankommen, dass der
neu gewählte Betriebsrat alles versucht, um die Weiterführung
des Unternehmens und die Rücknahme der Kündigungen zu erreichen.
Dazu reichen die Rechte eines Betriebsrates bei Weitem nicht aus, dafür
braucht es politischen und ökonomischen Druck, vor allem auf die KN
und die anderen Zeitungen, die in Kiel verarbeiten lassen. Und dazu benötigen
die Kolleginnen und Kollegen die Unterstützung von Ver.di sowie unsere
Unterstützung durch Know-How und Öffentlichkeitsarbeit. Zweitbeste
Lösung wäre ein materiell gut ausgestatteter Sozialplan für
die betroffenen Beschäftigten. Lasst uns die Kolleginnen und Kollegen
mit allen Kräften, die wir haben, unterstützen. Lasst uns hier
ein Exempel statuieren, damit Deutschland nicht für einen großen
Teil der Bevölkerung, nämlich für alle prekär Beschäftigten
Kolleginnen und Kollegen zurückfällt in die autoritären
und teils entwürdigenden Strukturen vordemokratischer Zeiten.