Wird überhaupt ermittelt?
Am 9. Mai kam es erneut zu Angriffen von bisher noch Unbekannten
aber ganz offensichtlich der Naziszene zuzuordnenden Personen auf den Buchladen
"Zapata" im Jungfernstieg und die Wohngenossenschaft "Dampfziegelei" in
der Wik. Am Abend des 9. Mai gegen 23.30 Uhr durchbrachen drei große
Steine, geworfen von drei Personen, die Scheiben des Buchladens. Die Gewalt
der Würfe zerbrach nicht nur Glas, sondern diesmal wurden auch Bücher
und Lampen im Laden zerstört. Im Unterschied zum letzten Mal wurden
die Täter von mehreren Personen gesehen, als sie sich schnell entfernten
und in einem Auto wegfuhren, dessen Kenn-
zeichen von einem der Zeugen erkannt und der Polizei
mitgeteilt wurde. In der "Dampfziegelei" wurden nach Angaben der Bewohner
am gleichen Abend gegen 23 Uhr mehrere Scheiben im Erdgeschoss eines der
drei Wohnhäuser eingeworfen. Drei Steine trafen das Fenster eines
Kinderzimmers, in dem ein vierjähriges Mädchen schlief. Ebenfalls
drei Steine flogen in die hellerleuchteten Scheiben einer Wohnküche.
Es kam glücklicherweise zu keinen Verletzungen. Die benachrichtigte
Polizei traf etwa 10-15 Minuten später ein und nahm einige der geworfenen
Steine mit.
Laut Pressemitteilung der "Dampfziegelei"-Bewohner waren
am Vortag nach einer missglückten Nazikundgebung am Hauptbahnhof (siehe
Artikel nächste Seite) die Teilnehmer von der Polizei aus der Innenstadt
geleitet worden. Danach seien sie zum Holstein-
stadion, durch die Wik und Holtenau gezogen und hätten
versucht Auseinandersetzungen zu provozieren. Am späten Nachmittag
des 8. Mai zwischen 16 und 17 Uhr lief eine Gruppe von ca. 15 schwarzgekleidete
Neonazis an den Häusern der "Dampfziegelei" vorbei.
Erst gingen sie still an den Häusern und an einem im Garten
arbeitenden Bewohner vorüber. Kurz darauf fingen sie jedoch an nationalistische
Kampflieder zu singen. Dies wurde als direkte Provokation empfunden. Die
Gruppe ging weiter und fiel anderen Bewohnern und Nachbarn in einem Café
eines nahegelegenen Einkaufszentrums auf. Es wurde die Polizei verständigt.
Die Steinwürfe auf die "Dampfziegelei" waren bereits der dritte Angriff dieser Art innerhalb der letzten zwei Jahre. Die Bewohner sehen die Vorfälle im direkten Zusammenhang mit wachsenden Übergriffen und Provokationen durch Neonazis im Raum Kiel. Neben der "Dampfziegelei" und dem Buchladen "Zapata" waren in jüngster Vergangenheit u.a. auch das Wohn- und Kulturprojekt Hansastraße 48, die "Alte Meierei", die Arbeitsloseninitiative in der Iltisstraße, das Kommunikationszentrum in der Schweffelstraße und Einzelpersonen betroffen. Dabei kam es neben zerschlagenen Scheiben auch zu schweren Körperverletzungen und Schüssen auf ein erleuchtetes Fenster. Auffallend sei, so die Bewohner in einer Pressemitteilung, dass der Polizei zwar nach eigenen Aussagen der Täterkreis gut bekannt ist, die Ermittlungen aber bislang keinen Erfolg hatten.
Wie schon zuvor haben die Kieler Nachrichten über
die Vorfälle nur minimal und mit rund einer Woche Verzögerung
berichtet. Einiges deutet daraufhin, dass die Polizei den offensichtlichen
Naziterror erneut unter den Teppich kehren will. Wird eigentlich Zeit,
dass sich die Linkspartei im Rathaus und im Landtag mal der Sache annimmt,
aber bisher gibt es von ihr nicht einmal eine Pressemitteilung dazu. Eine
Email-Anfrage der LinX bei der Landtagsfraktion blieb unbeantwortet.