Datensicherheit im neuen Medium?

Die neuen elektronischen Medien bieten viele Chancen und Möglichkeiten des basisdemokratischen Informationszugangs- und austausches aber mindestens ebenso viele Gefahren. Der „gläserne Mensch“ geistert immer wieder durch die Kolumnen der WarnerInnen vor dem Datenmißbrauch, vor der Erstellung elektronischer „Fingerabdrücke“ und dem Mißbrauch von Informationen, die sich technisch relativ einfach aus dem Datenverkehr in den Netzen filtern lassen. Auch in einer Sommerakademie der „Datenschutzakademie S.-H.“ am 26.8. wurden solche Probleme behandelt. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Schleswig-Holstein, Dr. Helmut Bäumler, stellte dazu in einer Pressemitteilung fest, es werde „mehr und mehr deutlich, daß die Technik selbst Möglichkeiten zum Schutz der Privatsphäre“ biete, man müsse „sie nur nutzen.“ Die Sommerakademie sollte über eben solche Techniken (z.B. die Verwendung von Kodierungs- und Verschlüsselungsprogrammen wie PGP) informieren.

Wichtig sei es, so Bäumler, daß die „Politik, künftig den grundrechtsfreundlichen Technikalternativen konsequent den Vorrang gegenüber unreflektierten Standardlösungen“ einräumen müsse. Es müßten Weichen gestellt werden in folgende Richtungen:

„- daß der zunehmende Einsatz von Chipkarten in allen Lebensbereichen nicht zu einem unübersichtlichen Geflecht von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen führt, sondern ganz im Gegenteil zu einem wirksamen Instrument der Ausübung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Hand des Bürgers wird;
- daß die Möglichkeiten der Verschlüsselung von Informationen intensiv genutzt werden, damit Daten z.B. auch in Netzen sicher übertragen werden können; der Schutz der Privatspähre muß im Zweifel Vorrang vor dem Wunsch der Sicherheitsbehörden haben, die Verschlüsselung einzuschränken und damit jedwede Kommunikation abhörfähig zu machen.“

Vor dem Hintergrund, daß u.a. in den USA seit geraumer Zeit versucht wird, Verschlüsselung zu verbieten, die Autoren von Verschlüsselungsprogrammen zu kriminalisieren (gegen den Autor des als „public domain“, also kostenlos verbreiteten Verschlüsselungsprogramms PGP wurde eine Anklage wegen unzulässigen Exports von Rüstungstechnologie angestrengt) und BetreiberInnen von Mailboxen und Netzservern zu verpflichten, die Netze jederzeit für die Spähversuche der Schlapphüte offen zu halten, muß eine solche Forderung eines deutschen Beamten aufhorchen lassen und unterstützt werden.

Ferner forderte Bäumler,
„- daß so schnell wie möglich gesetzlich geregelt wird, unter welchen Voraussetzungen die Bürger einer elektronischen Unterschrift genauso trauen
koennen wie einer handgeschriebenen;
- daß im Interesse der Patienten die Verbesserungen in der medizinischen Informatik auch in die Richtung gehen, daß ärztliches Handeln sicher vor Verfälschungen und Manipulationen dokumentiert wird und zugleich die unbefugte Kenntnisnahme von Patientendaten durch Dritte technisch so weit wie möglich ausgeschlossen wird;
- dass bei Multimediaangeboten konsequent das Prinzip der Datenvermeidung durch anonyme Abrechnungsverfahren durchgesetzt wird; die Verbraucher dürfen
nicht gezwungen werden, hinzunehmen, daß große Medienkonzerne ihre Fernseh- und andere Konsumgewohnheiten, registrieren; die Daten der Multimedianutzer dürfen nicht zur leichten Beute fuer die Werbewirtschaft werden.“

Die letztere Forderung ist insofern aktuell, als das Internet, das in seinen Anfangstagen und bis in die letzten Jahre das Verbot von kommerzieller Werbung zur „Netiquette“, sprich zum ungeschriebenen Gesetz unter den BenutzerInnen erhoben hatte, mehr und mehr von ungebetener Werbung überschwemmt wird. Als „UserIn“ von Abos bestimmter Newsgruppen ist es nämlich durchaus lästig, in bestimmten thematisch eng festgelegten „Brettern“ nicht zum Thema gehörige Werbung und Kettenbriefe der plumpesten Art vorzufinden. Über die Lästigkeit hinaus entstehen auch reale Kosten, da auch diese unerwünschten Daten bei einem die Telefonkosten reduzierenden „Polling“ der Daten, also dem automatisierten Bezug von abonnierten Newsgruppen, übertragen werden. Der/dem UserIn bleibt nichts anderes übrig, als eine von Werbung „verseuchte“ Newsgruppe abzubestellen oder aber die Werbung mit einer geharnischten Antwort an den Absender zurückzuexpedieren, was wiederum unnützen Datenverkehr erzeugt, der die ohnehin meistens überlasteten Netze belastet.

Allein, die Öffnung des Internets für Werbung dürfte kaum noch aufzuhalten sein. Die Strategen in den Agenturen haben die Potenz des neuen Mediums für ihre Zwecke längst ausgelotet, wie auch die Angebote auf der neuen Messe „CeBIT Home“ in Hannover, die am letzten Wochenende zuende ging zeigt. So dürfte die Vermutung des Datenschutzbeauftragten ins Leere gehen, daß „die Bürgerinnen und Bürger neue Techniken zur Informationsverarbeitung und zur Telekommunikation auf Dauer nur dann nutzen werden, wenn sie sicher sein können, daß ihre Privatsphäre gewahrt bleibt.“ Und auch die folgende Erklärung Bäumlers bleibt angesichts der Offensive von auf Monopole optierenden Konzernen wie der Kirch-Gruppe oder Bertelsmann wohl leider nur ein frommes Ansinnen: „Deshalb werden Technikalternativen, die ohne oder mit möglichst wenig personenbezogenen Daten auskommen, auf lange Sicht mehr Aussicht auf Akzeptanz und damit auf wirtschaftlichen Erfolg haben. Schleswig-Holsteins Politik, Wirtschaft und Verwaltung sollten also nicht undifferenziert auf ein quantitatives Wachstum der Informationstechnik hoffen, sondern deutliche Akzente für einen konsequenten, wirksamen technikunterstützten Schutz der Privatsphäre setzen. Hier liegen auf Dauer gute Marktchancen, denn sicher bin nicht nur ich der Auffassung, daß für den Schutz der Privatsphäre die beste Technik gerade gut genug ist.“ Übrigens, die e-mail-Adresse des Datenschutzbeauftragten S.-H. (könnte nützlich sein für die Anprangerung unerwünschter Werbung im Internet) lautet: ldsh@netzservice.de. Im WorldWideWeb ist der Datenschützer unter  http://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/DSB/SH/ erreichbar. (jm)