Totalverweigerer-Initiative soll eingeschüchtert werden

Staatsanwalt sieht Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz

Wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz hat die Staatsanwaltschaft gegen zwei Mitarbeiter der Totalverweigerer-Initiative Braunschweig Bußgelder in Höhe von jeweils 1.600 DM verhängt. Detlev Beutner und Rainer Scheer, selbst Totale Kriegsdienstverweigerer, hatten zwei befreundete Antimilitaristen in drei Straf- und Doppelbestrafungs-Prozessen wegen „Dienst-“ bzw. „Fahnenflucht“ verteidigt - mit Billigung der betroffenen Gerichte.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wirft nun den Mitarbeitern der Totalverweigerer-Initiative vor, sie „hätten sich entschlossen, in einer Vielzahl von Fällen Totalverweigerer in gegen diese anhängigen Strafverfahren zu vertreten“, ohne eine Erlaubnis „zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten“ zu besitzen. Dabei zählt die Staatsanwaltschaft nicht nur die Fälle auf, in denen eine Verteidigung erfolgt ist. Auch zwei Verfahren, in denen die beiden Betroffenen eine Zulassung zwar beantragt hatten, die aber nicht erteilt wurde, werden zum Vorwurf erhoben. Allerdings ist nach dem Rechtsberatungsgesetz der „erfolglose oder steckengebliebene Versuch“ einer „unerlaubten Rechtsberatung“ nicht strafbar. Staatsanwalt Meyer-Ulex sieht jedoch bereits in der Beratung „über die Möglichkeiten der Verteidigung“ eine Ordnungswidrigkeit.


Ins Rollen gekommen war das Verfahren, nachdem der Präsident des Amtsgerichts Braunschweig, Brackhahn, eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Totalverweigerer-Initiative gegen einen Mitarbeiter des Amtsgerichts zu entscheiden hatte. Brackhahn wandte sich daraufhin an die Staatsanwaltschaft und erklärte: „Beutner und Scheer haben sich als selbst wegen Wehrdienstverweigerung Verurteilte in besonderem Maße mit der Materie der Wehrdienstverweigerung befaßt. Offenbar gelten sie in Kreisen Betroffener als besonders sachkundig. Es liegt daher nahe, daß sie bei sich bietender Gelegenheit wieder zur Übernahme einer Verteidigung bereit sein werden. Ich bitte, dem Verdacht nachzugehen.“

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens hatte die Staatsanwaltschaft am 24. April diesen Jahres mit einem Beschluß des Ermittlungsrichters Nitschke die Wohnungen von Beutner und Scheer durchsuchen lassen. Dabei hat sie die gesamten Verteidigerakten in den laufenden Verfahren und weitere Ordner mit diversem Schriftverkehr beschlagnahmt. Die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung wurde vom Landgericht Braunschweig „infolge Erledigung der Anordnung“ als unzulässig verworfen. Tatsächlich ist allerdings eine Beschwerde gegen eine Durchsuchungsanordnung solange möglich, wie die Durchsicht der beschlagnahmten Papiere anhält. Das Landgericht selbst hatte die Staatsanwaltschaft in dem Beschwerdebeschluß aufgefordert, „im Interesse der Verhältnismäßigkeit“ einen beschlagnahmten Ordner „alsbald zu sichten, das Beweiserhebliche von Irrelevanten zu sondern, zu prüfen, inwieweit Kopien als Beweismittel genügen und sodann den Ordner wieder zurückzugeben.“

Zwei Monate später ist die Staatsanwaltschaft nun allerdings den minimalen Aufforderungen des Landgerichts noch immer nicht nachgekommen. Dafür aber hat sie den beiden Braunschweigern einen Bußgeldbescheid in Höhe von jeweils 1.600 DM wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz in fünf Fällen zugestellt.

Das Rechtsberatungsgesetz war 1935 zur Eliminierung der Juden aus der Rechtsberatung durch die Nationalsozialisten eingeführt worden. Nachdem die Passagen über Juden gestrichen worden sind, spricht ein aktueller Kommentar davon, daß dieses Werk deshalb nicht mehr als „außerordentlich nationalsozialistisch“ angesehen werden könne. Heutzutage wird es immer wieder zur Einschüchterung sozial engagierter Gruppen wie z.B. von Flüchtlings- oder Sozialhilfevereinen angewandt. Fraglich ist insbesondere die Übereinstimmung mit europäischem Recht, da zum einen kein europäisches Land außer Deutschland schon die nicht-gewerbsmäßige Rechtsberatung sanktioniert. Zum anderen schreibt Art. 6 Abs. 3 Ziffer c) der Europäischen Menschenrechtskonvention vor, daß jeder Angeklagte das Recht habe, „den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten“, welcher nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kein Rechtsanwalt sein muß.

Die Totalverweigerer-Initiative Braunschweig wird gegen die Bußgeldbescheide Einspruch einlegen und erklärte, daß sie im Prozeß die „willkürliche, politische und rechtsbeugerische Art, mit der inzwischen nicht nur Totale Kriegsdienstverweigerer, sondern auch zunehmend deren UnterstützerInnen kriminalisiert werden“, breit thematisieren werde. (nach einer Pressemitteilung der Initiative)