Noch immer keine Sicherheit für die Opfer

In Lübeck begann am Montag, dem 16.9. der Prozeß gegen Safwan Eid. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1996 die Flüchtlingsunterkunft in der Neuen Hafenstraße, in der er selbst mit seiner Familie wohnte, angezündet zu haben. Motiv: Ein Konflikt mit einem Mitbewohner. Zehn Menschen kamen in den Flammen ums Leben. Der Nachbar, mit dem Safwan Streit gehabt haben soll, hält die Darstellung der Staatsanwaltschaft allerdings für absurd. Wie die anderen Überlebenden ist er überzeugt, daß der junge Libanese zu Unrecht beschuldigt wird.

Auch viele antifaschistische und antirassistische Gruppen sehen das ähnlich. Sie werfen der Staatsanwaltschaft vor, sehr einseitig zu untersuchen. Vor dem Gerichtsgebäude gab es daher am Montag eine kleine Kundgebung. Zwanzig Leute zogen anschließend vom Gericht durch die Lübecker Innenstadt und hielten auf dem Rathausplatz eine kleine Kundgebung ab.

In den Gerichtssaal wären sie sowieso nicht gekommen, der barst aus allen Nähten. Nicht nur zahlreiche Medienvertreter wollten den Prozeßauftakt verfolgen, auch viele Unterstützer und Freunde waren gekommen, Safwan den Rücken zu stärken. Beobachter waren auch von der Internationalen Unabhängigen Kommission anwesend, die die Ermittlungen sehr kritisch verfolgt hat.

Pünktlich zum Prozeßbeginn legte sie Ende August einen Zwischenbericht vor, in dem noch einmal die Zweifel an den Ermittlungsmethoden und -ergebnissen der Staatsanwaltschaft zusammengefaßt wurden. Die Kommission bringt darin vor allem ihr Befremden darüber zum Ausdruck, daß die ganze Arbeit der Verfolgungsbehörden sich darauf konzentriert, Safwan zu belasten. Es habe den Anschein, so der Bericht, daß die Staatsanwaltschaft dadurch von anderen Untersuchungssträngen abgelenkt wird, die die Ursachen des Feuers und die verantwortlichen Personen aufdecken könnten.

Insbesondere zeigen sich die Juristen besorgt, daß wichtige Zeugen vor Abschluß des Verfahrens abgeschoben werden könnten. Der Aufenthalt der Mehrzahl der Flüchtlinge aus der Hafenstraße ist nämlich noch immer nicht gesichert. 27 von ihnen haben nur bis zum 8.11. eine vorläufige Duldung. Die anderen sind noch im Asylverfahren und haben daher vorerst einen gewissen Schutz, oder haben, da sie Angehörige verloren, aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbefugnis bis Februar 1997. Keinem der Opfer wurde bisher die menschlich gebotene unbefristete Aufenthaltserlaubnis ausgestellt. Das Kieler Bündnis gegen Rassismus, das sich vor kurzem neu gebildet hat, plant eine Kampagne für ein allgemeines Bleiberecht für alle ehemaligen Bewohner der Hafenstraße. In Kiel fand eine Veranstaltung zu den Hintergründen des Prozesses und der Lage der Überlebenden statt. (wop)