Kriegshafen des neuen Reichs?

Während sich die Bundesmarine auf neue Aufgaben vorbereitet, möchte in Kiel eine ganz Große Koalition ein Stück vom Kuchen, sprich ein paar Arbeitsplätze, abbekommen. Im Kriegsministerium wird geplant, 1997 und 1998 je einen „Einsatzgruppenversorger“ in Auftrag zu geben. Sie sollen die Versorgung von Fregatten und Zerstörern bei Auslandseinsätzen sicherstellen und jeweils 200 Soldaten Platz bieten. Von der CDU-Ratsfraktion, in der man offensichtlich über einen guten Draht zu Rühes Truppe verfügt, ist zu erfahren, daß diese Schiffe für 45 Tage (!) Proviant und Treibstoff mitführen werden können. Bestens geeignet also, um künftig „die Küsten der Weltmeere sicherheitspolitisch zu gestalten“, wie es Flottillenadmiral Christian Giermann im Marineforum 3/94 in schönster Militaristen-Poesie ausdrückte. 45 Tage auf See heißt, daß diese Schiffe jeden Punkt im Atlantischen Ozean anlaufen können, ohne auf befreundete Häfen angewiesen zu sein.

Wie nicht anders zu erwarten, sind die christdemokratischen Rathauspolitiker ganz erpicht darauf, diese Schiffe nach Kiel zu holen. Schließlich gilt es, eine Tradition zu bewahren, ist doch die Kieler Wirtschaft seit Kaisers Zeiten von Militär und Rüstung abhängig. Also brachte die CDU-Fraktion auf der Ratssitzung im September eine Resolution ein, die den Magistrat auffordert, sich bei Rühe für eine Stationierung in Kiel einzusetzen. SPD und Grüne zierten sich jedoch ein wenig, dem forschen Drängen nachzugeben, und hatten einen eigenen Antrag vorbereitet.

Der löste bei den Christdemokraten Irritationen aus, denn, so CDU-Ratsherr Moritz, schließlich habe man in der Vergangenheit in diesen Fragen immer zusammen abgestimmt. Die SPD mochte dem nicht recht widersprechen, sah aber in der Konkurrenz mit Wilhelmshaven wenig Chancen. Auf Drängen von CDU und SUK versuchten nach einigem Hin und Her die Fraktionsspitzen, aus beiden Anträgen einen zu machen. Die SPD schien willig, allein den Grünen war es wohl zu peinlich. Ihr Fraktionsmitglied Lutz Oschmann forderte, die vom Militär genutzten Flächen endlich für zivile Nutzung freizumachen. Ein Wort gegen den aggressiven Charakter der Bonner Flottenpolitik war allerdings auch von ihm nicht zu hören. Also blieb es bei den beiden Anträgen, die letztlich alternativ abgestimmt wurden.

Im Ergebnis sprach sich die Ratsversammlung mit den Stimmen von SPD und Grünen für „die Sicherung des Verbleibs von Soldaten und zivilen Beschäftigten mit ihren Familien als MitbürgerInnen in der Stadt“ aus. Der Magistrat wurde außerdem (mit den Stimmen der Grünen!) aufgefordert, „über die Möglichkeiten der Stationierung neuer Einheiten in Kiel (z.B. Einsatztruppenversorger) sowie über die Entwicklung und weitere Möglichkeiten von Konversionsvorhaben in Kiel zu berichten.“ Ganz ausgewogen also ein bißchen „sicherheitspolitisches Gestalten“ und ein bißchen Rüstungskonversion. Der Tippfehler (Einsatztruppen statt Einsatzgruppen) zeigt übrigens, daß man bei SPD und Grünen zwar nicht die militär-technischen Details kennt, wohl aber die militaristische Politik, die hinter dem Kriegsschiffbau steckt. Eine Opposition dagegen lassen sie jedoch vermissen. (wop)