Metall-Kapitalisten blasen zum Angriff

Die Verabschiedung des „Sparpakets“ war für die Unternehmerverbände das Signal zum Angriff. Ohne sich um irgendwelche Verträge zu kümmern, greifen sie nach der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Den Anfang machten die beiden führenden Rüstungskonzerne Daimler und Siemens. Andere folgten schon bald nach.

Nordmetall, der Verband der norddeutschen Metallindustrie, forderte am Freitag letzter Woche seine Mitglieder auf, ab dem 1. Oktober bei Krankheit nur noch 80% zu zahlen.

Für die IG Metall ist das klarer Vertragsbruch. Im Manteltarif, der noch bis zum 31.3.1997 gültig ist, sei die Lohnfortzahlung eindeutig festgeschrieben, so Wolfgang Mädel von der Kieler Verwaltungsstelle der Gewerkschaft. Der Tarifvertrag beziehe sich ausdrücklich auf das entsprechende Gesetz in seiner Form von 1969. Zwischenzeitlich sei dieses mehrfach geändert worden, ohne daß die Unternehmer eine Anpassung an das jeweils gültige Gesetz verlangt hätten.

Zusätzlich zu den Angriffen auf die Lohnfortzahlung hat Nordmetall auch für die Tarifgebiete Hamburg und Schleswig-Holstein die Vereinbarungen über die Urlaubsregelungen und betrieblichen Sonderzahlungen gekündigt. Die Begründung ist die ewig gleiche: Die Kostensteigerungen der letzten Jahre seien dafür verantwortlich, daß Aufträge und Arbeitsplätze verloren gegangen seien.

In den Kieler Betrieben sorgte das Vorgehen der Unternehmer für erhebliche Unruhe. Betriebsräte berichten von großer Empörung unter den Beschäftigten. Bei HDW gab es am Montag eine Betriebsversammlung, auf der dem Unternehmensvorstand der geballte Unmut der Belegschaft entgegenschlug. Das mag mit ein Grund dafür gewesen sein, daß die Geschäftsleitung bekannt gab, auch weiterhin bei Krankheit den vollen Lohn zu zahlen. Allerdings unter Vorbehalt. Die Kieler Werften waren vor 40 Jahren eines der Zentren des Streiks gewesen, mit dem die Lohnfortzahlung durchgesetzt wurde (siehe Chronik nächste Seite).

Auch bei der zu Krupp gehörenden Maschinenfabrik Kiel (MaK) ließ die Geschäftsleitung wissen, daß sie nicht den Vorschlägen von Nordmetall folgt. Aber auch hier will man künftig den vollen Lohn bei Krankheit nur unter Vorbehalt zahlen. Daß sich die beiden Kieler Großbetriebe nicht an die Vorgaben des Unternehmerverbandes halten, ist zunächst erstaunlich, sitzen doch in dessen Leitungsgremien Vertreter sowohl von HDW als auch der MaK. Wolfgang Mädel erklärt sich das damit, daß man in den Vorstandsetagen Angst hat, die Gewerkschaften zu vergraulen. Unter solchen Bedingungen sei die IGM natürlich nicht mehr bereit, Gespräche über kostenmindernde Maßnahmen zu führen.

Angesichts dessen, daß die Zahlungen zukünftig unter Vorbehalt erfolgen würden, sieht allerdings auch der Verwaltungsstellen-Chef keinen Grund zur Entwarnung. Zumal einige Betriebe sich bei Redaktionsschluß noch nicht klar geäußert haben, wie die Siemens- und Daimler-Filialen, die von ihrer Konzernleitung Anweisungen erhalten haben, vom 1.10. nur noch 80% zu zahlen. Andere Firmen, wie der Aufzugshersteller August G. Koch, haben bereits angekündigt, daß sie der Aufforderung der Unternehmerorganisation folgen werden. Bei Koch verweigerte daraufhin die Belegschaft am vergangenen Samstag sämtliche Überstunden.

Die Metall-Gewerkschafter bereiten jedenfalls schon einmal Kampfmaßnahmen vor, um die Tarifverträge zu verteidigen. Für den 24. Oktober sind bundesweite Arbeitsniederlegungen geplant. Zwei Tage später, am 26., wird es in Kiel in der Ostseehalle eine große Gedenkveranstaltung anläßlich des vierzigjährigen Jubiläums des norddeutschen Metallarbeiterstreiks geben. Für den 4.11. plant der Landesbezirk Wasserkante der IGM weitere Protestkundgebungen. (wop)