Schlußapplaus

Theaterdebatte im Rat, 5. und letzter Akt?

Nach der Theaterdebatte in der Augustsitzung des Kieler Rats (wir berichteten) ging plötzlich alles sehr schnell. Einen Tag vor dem Theaterfest, mit dem die Kieler Bühnen in die neue Spielzeit starten wollten, wurden Emmanuel Bohn und Nikolaus Büchel aus dem Künstlerischen Leitungsteam fristlos entlassen. Gegen diesen übereilten Beschluß wollen beide arbeitsgerichtliche Maßnahmen einleiten. Übrig blieb nur die Operndirektorin Kirsten Harms.
 
 

Bohn Büchel

Somit hatte sich der Rat in der Sitzung am 19.9. erneut mit den Brettern, die die Welt bedeuten, zu beschäftigen. Zwar waren Bohn und Büchel auch mit den Stimmen von Rosa-Grün gefeuert worden, doch an dem Modell ihrer Theaterreform wollten die Mehrheitsfraktionen dennoch festhalten. Man dürfe Struktur und Personen, mit denen man wohl einen Fehlgriff getan habe, nicht vermischen, so die SPD, die einen Teil der Verantwortung Theaterdezernent Karl-Heinz Zimmer (CDU) zuschob. Er sei von Anfang an gegen die kollektive Leitung gewesen und habe deren Arbeit „aus der Distanz“ betrachtet. Er habe dabei versäumt, enger mit dem KLT zusammenarbeiten und rechtzeitig vor dem drohenden Finanzdebakel zu warnen. Zimmer bestätigte, daß er stets gegen eine kollektive Leitung der Bühnen gewesen sei, wies aber die übrigen Vorwürfe zurück. Er sei „von einer geradezu olympischen Gelassenheit“ bezüglich Leuten, die jetzt auch seinen Kopf rollen lassen wollten, sagte Zimmer und verwies den Schwarzen Peter zurück ans KLT. Die Spielzeit 95/96 sei von diesem nicht rechtzeitig geplant worden. Eine weitere Ursache für das finanzielle Defizit sei die schlechte Engagementspolitik: viel zu viele Gastschauspieler zu überhöhten Gagen. Unter dem vorherigen Intendanten Peter Dannenberg seien 400.000 DM pro Spielzeit für Gastengagements ausgegeben worden, unter dem KLT das Dreifache.

Die Grünen versuchten in gewohntem Schlingerkurs zu retten, was zu retten war. Das von ihnen einst mit unterstützte Strukturreformmodell für die Bühnen habe ein zweiköpfiges KLT (Oper und Schauspiel) vorgesehen. Daß daraus ein Dreierteam geworden sei, habe man nur akzeptiert, weil Büchel und Harms nicht ohne Bohn im Schlepptau an die Förde gekommen wären. Ferner wären von den 4,2 Mio. DM Defizit 1 Mio. sowieso angefallen, dieser Teil des Defizits sei dem KLT also nicht anzukreiden.

Die S.U.K. glänzte wiederum mit unqualifizierten Zahlenspielchen. Sie rechnete den allgemeinen Subventionsbedarf der Bühnen in Höhe von 17 Mio. DM kurzerhand zum Defizit dazu, das somit „eigentlich“ mehr als 21 Mio. betrage.

Die CDU-Fraktion warf dem KLT, namentlich den entlassenen Mitgliedern, pauschal „Diletantismus, Egoismus und Profilneurosen“ vor. Nicht zuletzt um dem Theaterdezernenten aus der eigenen Partei etwas Rückendeckung zu geben, gab man allerdings zu, daß das Defizit auch Anteile infolge „ganz normaler Tariferhöhungen“ enthalte. Dennoch: Es habe sich erwiesen, daß „viele Köche den Brei verderben“. Und so stellte die CDU einen Antrag, spätestens ab der Spielzeit 97/98 zu einer Generalintendanz (ein Intendant für alle Bühnen) zurückzukehren, der allerdings mit den Stimmen von Rosa-Grün abgelehnt wurde.

Letztere handelten nach der Ratssitzung wiederum schnell. Schon am 20.9. wurde mit Raymund Richter ein neuer Schauspieldirektor bestimmt. Ob dieser der Kunstauffassung der CDU, Ratsherr Wulff zitierte Hermann Hesse, daß „Kunst das Zeitlose, nicht das Zeitgemäße“ sei, folgen wird, bleibt abzuwarten. (jm)