„Folgenschwerer Kahlschlag!“

Uni-Senat gegen Sparpaket der Landesregierung

9,4 Mio. DM (Sachmittel und Personalkosten) soll die Uni 1997 einsparen, so will es der Haushaltsentwurf, den das Kabinett Anfang September beschloß (wir berichteten). Am 2.9. tagte der Uni-Senat und wandte sich in einer Resolution ebenso wie der AStA vehement gegen das Spardiktat, das, geht es durch den Landtag, den Lehrbetrieb an der Uni in vielen Bereichen vollständig zum Erliegen bringen wird.

Ein „Morgenthau-Plan“ für die Uni

Der AStA-Vorsitzende Oliver Niederhoff warf Heide Simonis vor, sie „verhöhne mit dieser Politik die junge Generation, die auf eine qualifizierte Bildung angewiesen sei“. Der Haushaltsentwurf erinnere im Hochschulbereich „eher an den Morgenthau-Plan als an ein vernünftiges Konzept“. (Anmerkung: Der Morgenthau-Plan sah nach dem Zeiten Weltkrieg eine vollständige Deindustrialisierung Deutschlands zurück zu einem reinen Agrarland vor.) Ferner betonte Niederhoff, daß Schleswig-Holstein schon in den letzten Jahren deutlich weniger Geld für Hochschulen ausgegeben habe als alle anderen alten Bundesländer. Der Anteil des Hochschuletats (ohne Klinkum) am Gesamtetat des Landes lag 1992 bei 2,8%. Zum Vergleich: Der Durchschnitt für die alten Bundesländer beträgt 4,6%, und von dem Vorletzten Rheinland-Pfalz (3,9%) trennt das Schlußlicht in Sachen Hochschulförderung Schleswig-Holstein mehr als ein Prozentpunkt.

An der Kreuzung Westring/Olshausenstraße stellten AStA-AktivistInnen ein (Ab-) Baustellenschild auf (siehe Foto). Für den 31.10. (12 Uhr), einen der ersten Vorlesungstage des Wintersemesters, plant der AStA eine Vollversammlung und eine anschließende Großdemonstration.
 


Schon vor der Kabinettsklausur und der Sitzung des Uni-Senats am 2.9. hatte der Personalrat des wissenschaftlichen Unipersonals die Sparpläne, insbesondere den zu dem Zeitpunkt noch inoffiziellen Streichplan, den Rektor und Dekane Ende Juni auf einer Klausurtagung in Malente erarbeitet hatten, scharf kritisiert: „Bei dem Vorschlag des Rektorats fällt auf, daß i.w. Minderheiten betroffen sind, die durch fachlichen oder räumlichen Abstand von den jeweiligen Mehrheiten der Fächer und Professuren der Fakultäten gekennzeichnet sind, während alle übrigen Kriterien (gemeint ist der Kriterien-Katalog, den das Rektorat als Grundlage für die Streichungen ganzer Institute angegeben hatte - Red.) kaum erkennbar in die Betrachtung einbezogen wurden.“ Überdies werden in der Stellungnahme des Personalrats (W) arbeitsrechtliche Bedenken bezüglich der Institutsschließungen geltend gemacht. Und in der Tat wäre es schwierig, den Plan der Unileitung umzusetzen. Die LehrstuhlinhaberInnen sind gewöhnlich BeamtInnen auf Lebenszeit, so daß eine Entlassung nicht in Betracht kommt. Der letzte der betroffenen Lehrstuhlinhaber geht erst in ca. 25 Jahren in Pension. Nur etwa 50% der geplanten 290 zu streichenden Stellen, so rechnete der AStA aus, ließen sich bis 2001 wirklich streichen.

Uni-Senat: „Streichungen sind nicht realisierbar“

Am 2.9. tagte der Senat und verabschiedete eine Resolution, die energisch gegen die von der Landesregierung am Wochenende zuvor geforderten Kürzungen Stellung bezieht. Zentrale Kernaussage ohne wenn und aber: „Die Forderung, 10% der Stellen über den Zeitraum von 5 Jahren für den Innovationspool zu erbringen, ist nicht realisierbar.“ Offenbar seien „bei der Festsetzung dieser Quote die spezifischen Gegebenheiten einer Universität, die Verpflichtungen aus geltenden Prüfungs- und Studienordnungen gegenüber den Studierenden eingegangen ist, ebenso ignoriert worden wie die rechtlichen Bindungen, die durch die Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst gegeben sind“. Der Senat forderte daraufhin eine „detaillierte Begründung für die Erhöhung der Quote (der in den „Innovationspool“ einzustellenden Stellen - Red.) von 1 auf 2%/Jahr bzw. deren Rücknahme durch die Koalitionspartner“. Ferner fordert die Resolution die Rücknahme der „kw-Vermerke“ („künftig wegfallend“) bei 75 Stellen. Die „sachliche Basis“ für die Vermerke, die 1978 ausgebracht wurden, sei entfallen, da sich die Prognose von in den 90er Jahren sinkenden Studierendenzahlen inzwischen als „falsch erwiesen“ habe. Im Gegenteil werde die Zahl der Studierenden in den nächsten Jahren nochmals um 20-30% ansteigen.

Zudem weist die Resolution wiederholt auf die Inkonsequenz und Konzeptlosigkeit der Pläne der Landesregierung hin. In einem Schreiben der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur vom 31.10.95 war zu lesen: „Unverändert gilt die Aussage des Hochschulplans, daß die Hochschulen personell und materiell weiter ausgebaut werden müssen.“ „Wenn innerhalb eines Kalenderjahres“, so die Resolution dazu, „die Prioritäten so verändert werden, daß an die Stelle des weiteren Ausbaus die Ankündigung des massiven Abbaus tritt, wird das in dem o.g. Schreiben ebenfalls angesprochene Ziel, ’insgesamt eine größere Planungssicherheit für alle Beteiligten zu erreichen‘, in das Gegenteil verkehrt.“

In logischer Folge diese Kritik beschloß der Senat auch keinen Vorschlag zur Umsetzung der Sparauflagen des Landes. Vielmehr lehnte er eine Verantwortung für die bei Bestehenbleiben der Auflagen notwendigen Kürzungen rundweg ab: „(Der Senat) muß darauf bestehen, daß die Sparauflagen, die als politische Setzungen zu bewerten sind, ausschließlich von politischer Seite verantwortet werden.“

Und die Politik?

Deutliche Worte also aus dem Uni-Hochhaus, die der Landesregierung einiges Kopfzerbrechen bereiten dürften, und die besonders deswegen als äußerst positiv zu bewerten sind, weil jetzt eine „Einheitsfront“ von Uni-Leitung und Studierenden beim Protest gegen den Sparwahn aus dem Landeshaus möglich erscheint. Die Koalitionspartner indes scheinen gespalten. Während Jürgen Weber, bildungspolitischer Sprecher der SPD, zwar vor zu wildem Sparen warnt, andererseits aber wieder Studiengebühren aufs Tablett der Diskussion wirft, scheinen sich die Bündnisgrünen teilweise der Meinung des Senats anzuschließen. Irene Fröhlich, bildungspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, nahm in einer Pressemitteilung vom 3.9. „die Warnung des Rektorats der CAU sehr ernst“. Als Erfolg des Juniorpartners in der Regierung wertete sie die „Milderung des Sparbeitrags der CAU um 3 Mio. DM“. Die Politik müsse sich jetzt „von der Praxis belehren lassen“ und dürfe „nicht offensichtlich Unmögliches verlangen“. Darüber wolle man mit dem Koalitionspartner „Gespräche führen“. Scharf setzte sich Irene Fröhlich von Webers Studiengebührenplänen ab: Studiengebühren blieben „für Bündnis 90/Die Grünen ein politisches Tabu“.

Auch im Kieler Rat (auf der Sitzung am 19.9.) waren die drohenden Kürzungen Thema. Die CDU-Fraktion legte eine Resolutionsentwurf vor, der die Sparmaßnahmen der Landesregierung kritisierte und forderte, es dürfe keine Einschränkungen im Lehr- und Studienbetrieb geben. Überdies solle der „Innovationspool“ nicht auf 2% jährlich aufgestockt werden. Rosa-Grün konterte mit einem eigenen Resolutionsentwurf, an dem die CDU zurecht eine Passage kritisierte, nach der „Land und Hochschule gemeinsam“ die Sparpläne nochmal überdenken sollten. Schließlich sei das Land, insbesondere der rosa-grüne Koalitionsvertrag letztlich der Urheber der angedrohten Sparmaßnahmen. Solchermaßen in die Bedrouille gebracht verstieg sich die Grünen-Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff, deren Ablehnung der Sparmaßnahmen in der Zeitschrift „Gegenwind“ die CDU genüßlich zitiert hatte, zu einem wahren Eiertanz: Das Stadtparlament könne sich nicht anmaßen aus seinem „beschränkten Horizont“ heraus Pläne für die Uni zu schmieden und sich in die Zuständigkeit des Landes einzumischen. An der Uni gebe es durchaus „Sparpotentiale“, sie könne durch geeignete Umstrukturierung „Geld erwirtschaften“. Es dürfe daher nicht gefordert werden, daß an der Uni alles beim Alten bleibe, weil das „finanziell nicht mehr tragbar“ sei. Außerdem, so Dickhoff zu den Äußerungen des Uni-Senats, man müsse ja nicht alles glauben, was an Verlautbarungen aus der Uni komme! Die SPD lehnte den CDU-Antrag ab, weil es vollkommen unrealistisch sei, die Sparzwänge rundweg abzulehnen. Freilich bekundete auch die CDU ihren Sparwillen, allein das Sparziel sei zu hoch gehängt. Keine großen Differenzen also bei den halbherzigen Bekenntnissen gegen den Uni-Kahlschlag, so daß man sich schließlich zum Zusammenfügen beider Resolutionsentwürfe kurz in Klausur begab. Über die katastrophalen Auswirkungen des Sparpakets an der Uni wurde freilich nicht diskutiert, das Wort Bildung wurde von niemandem in der Debatte auch nur in den Mund genommen, allenfalls die Uni als Standortfaktor für Kiel war noch der Rede wert. Vom Kieler Rat ist also in dieser Sache nichts Positives zu erwarten, zumal von den Grünen nicht, die sichtlich vorsichtig in Richtung ihrer VertreterInnen im Landeshaus schielten.

Ein „heißer Herbst“ kündigt sich dennoch an, der sich auch durchaus zu einer ersten größeren Belastungsprobe für die rosa-grüne Koalition entwickeln könnte. Für die Studierenden gilt es jetzt, die Koalition mit der Unileitung zu festigen, eigene alternative Konzepte für die seit mindestens 10 Jahren notwendige Hochschulreform zu entwickeln, und spätestens am 31.10. der Landesregierung zu zeigen, wo der Hammer hängt. (jm)