„Gemeinsam sind wir unausstehlich“ - eine Perspektive?

Rückblick auf die FrauenLesbenTage

„FRAUEN BEWEGT EUCH!“ war das Motto der FrauenLesbenTage vom 10.-12.10. in Kiel, aber leider scheint diese Aufforderung selbst in der engeren Kieler Frauenszene, beispielsweise im Kieler Frauenbündnis, in dem Rotgrüne, Kirchenfrauen und Gewerkschafterinnen dominieren, kaum Resonanz gefunden zu haben. Von wenigen Einzelbesucherinnen abgesehen, war jedenfalls keine Mitwirkung dieses Umfeldes zu erkennen. Dabei genügten allein schon zwei Veranstaltungen, die zu obdachlosen Frauen und die zur erzwungenen Prostitution von Migrantinnen, um das schreiende Mißverhältnis zwischen zunehmender Verelendung von Frauen in der BRD und der relativen Unbeweglichkeit bundesdeutscher Frauen erschreckend klar zu machen.

Um so mehr ist den Frauen zu danken, die, an die Tradition der ersten Frauenwochen in Kiel, 1983, 1985 und 1987 anknüpfend, jedenfalls noch diese verkürzte Fassung einer Frauenwoche in Kiel auf die Beine gebracht haben. Es war die Zehnte!

Was an den FrauenLesbenTagen auf Grund der Geschichte einer selbständigen Frauenbewegung schon traditionell genannt werden kann, war auch diesmal wieder ihr autonomer Charakter. Damit hatten Frauen, die das „Schulter an Schulter mit dem Mann“ bevorzugen, egal ob in Familie, Parteien oder in sonstigen staatlichen und kirchlichen Institutionen, schon immer gewisse Schwierigkeiten - von den diesbezüglichen Problemen der Männer ganz zu schweigen. Aber auch Frauen, Heteras und Lesben, die aus der autonomen Bewegung heraus den Feminismus in die hergebrachten Institutionen trugen und zahllose neue Projekte für Frauenemanzipation schufen, wurden scharenweise von der gesamtgesellschaftlich noch wenig erschütterten patriarchalen Tradition eingeholt und paßten sich ihr wieder an. Was sich in Kiel beispielsweise an Veröffentlichungen des Frauenbündnisses ablesen läßt, das sich allmonatlich im Anzeigenteil der „Kieler Nachrichten“ mit kleinen, zwischen Anzeigen gequetschten Artikelchen zu Wort melden darf und darauf auch noch stolz ist.

Kein Wunder also, daß das autonome Experiment namens Frauenwoche, das in Großstädten wie zuletzt in Hamburg schon das Zeitliche gesegnet hat, in Kiel nur von einer Handvoll sehr junger Frauen, genauer junger Lesben, wieder gewagt wurde.

„Ob die FrauenLesbenTage für uns noch die Form ist oder nicht, das bestimmen und gestalten wir alle selbst, die wir teilnehmen“, heißt es selbstbewußt im Programm der diesjährigen Frauenwoche. Selbstbewußt und kreativ war die Atmosphäre in den mühsam erstrittenen Frauenfreiräumen der Pumpe, trotz des eingeschränkten Rahmens, und die Frauenband „Mean Abiliene“ aus Århus sorgte für einen powervollen Abschluß.

„Ist die Ära des Feminismus eine Verfallsgeschichte?“ Mit dieser Frage begann das Referat der Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag, und die Referentin führte durch die Geschichte der Frauenbewegung zu dem Fazit: „Eine konstruktive Streitkultur und damit einhergehende offensive, aufeinander abgestimmte Strategien der Einmischung (innerhalb und außerhalb von Institutionen) seitens der autonomen Frauenbewegung sind gefragt..“.

In einem Buch aus dem Jahre 1988, das die Geschichte von 20 Jahren Frauenbewegung reflektiert, kommt die Autorin Erica Fischer zu einem Schluß, der das obige Fazit ergänzen könnte: „Das Ertragen von Widersprüchen, die, eben weil sie als Widersprüche ausgewiesen werden, keineswegs Beliebigkeit bedeuten, erscheint mir als ein wesentliches Kennzeichen für die Reife einer Bewegung.“ Das Buch, aus dem dieses Zitat stammt, heißt „Mein Kopf gehört mir“ und wurde während der FrauenLesbenTage unter vielen anderen alten und neuen Büchern (teils zu Flohmarktpreisen) aus dem Lager des Wiesbadener Feministischen Buchverlags angeboten.

Kurz, es fehlte dieser 10. Frauenwoche nicht an historischem und gegenwärtigem Zündstoff, um einen konstruktiven Frauenstreit fortzusetzen, an dem sich in weiteren Frauenwochen gerne auch wieder mehr Frauen aus den Institutionen und mehr Heteras beteiligen sollten, damit es wieder dahin kommt, daß wir für alle großen und kleinen Patriarchen gemeinsam so unausstehlich werden, wie wir schon mal waren. (Eva Dockerill)