Kommentar:

Persilschein vom Standesamt

Dem Schutz der bürgerlichen Kleinfamilie, namentlich der Ehe, hat sich das Grundgesetz dieses Landes explizit verschrieben. Jedoch wird dieser Schutz mal eng, mal weit ausgelegt, ganz nach Opportunität. Beispiel 1: Das „ungeborene Leben“ schützt die Bonner Rechtskoalition lieber als Kinder, die bereits auf der Welt sind. Letztere trifft nämlich der Sparhammer der Bonner Sozialabbauer ganz besonders. Die Losung an alle Kinder muß daher lauten: Bleibt im Bauch, Leute! Beispiel 2: Der Schutz der Ehe gilt natürlich nur für die Ehe im engeren Sinne. Wer ohne Trauschein zusammenlebt, muß sich weiterhin durch einen bürokratischen Dschungel kämpfen, wenn es um Kind und Kegel geht, das fängt beim Namensrecht an und hört beim Erbschaftsrecht auf, sozusagen von der Wiege bis zur Bahre. Wer schwul oder lesbisch ist und der Zweisamkeit frönt, auf die oder den erstreckt sich der Schutz des Grundgesetzes selbstredend nicht.

Das dritte und herbste Beispiel ist der jüngst verabschiedete Paragraph zur Vergewaltigung in der Ehe. Der enthält eine sog. Versöhnungsklausel, die ihn praktisch wirkungslos macht. Eine Ehefrau, die ihren Mann wegen Vergewaltigung in der Ehe angezeigt hat, kann ihrem Peiniger ein Strafverfahren ersparen, indem sie die Klage zurückzieht. Die besondere Infamie der Klausel liegt darin, daß mit ihr mittelbar auf Ehefrauen Druck ausgeübt werden kann, die es wagen, den Ehevergewaltigungsparagraphen zu „nutzen“. Der gewalttätige Mann kann die Frau zwingen, ihre Klage zurückzuziehen - in Ehen, wo der Mann vergewaltigt, dürfte das keine Seltenheit sein. Und noch etwas kommt hinzu. Die Klausel heißt euphemistisch „Versöhnungs“-Klausel. Der Name unterstellt, daß in einer Ehe, in der sich Männergewalt auf brutale Weise und strafrechtlich weitgehend unbehelligt „ausleben“ kann, Versöhnung möglich ist.

Die Debatte um die „Versöhnungs“-Klausel war lang. Und sie stand auf der Kippe. Sowohl in der F.D.P. als auch in der CDU gab es GegenerInnen, mit deren Hilfe die Opposition die Klausel hätte kassieren können. Aber: Die Opposition war bei der namentlichen Abstimmung leider nicht vollständig angetreten, so daß die HERRschenden ihre paar AbweichlerInnen problemlos verschmerzen konnten.

Das Thema war der Opposition wohl nicht wichtig genug. So gibt es den Persilschein für die Vergewaltigung in der Ehe weiter - von Standesamtes Gnaden. Danke, Opposition. (jm)