Landtag fordert: Krümmel soll vom Netz!

Auf Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD hat der schleswig-holsteinische Landtag am 25.9. die  Betreiberge- sellschaft des AKW Krümmel aufgefordert, das AKW bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe um den Reaktordruckbehälter (wir berichteten) vom Netz zu lassen. Die Betreibergesellschaft solle die erhobenen Vorwürfe vollständig und rückhaltlos aufklären.

Der Landtag forderte die Landesregierung überdies auf, die begonnene Sicherheitsüberprüfung des Druckbehälters umfassend und nach strengsten Maßstäben durchzuführen, die beim Bau, der Errichtung und Inbetriebnahme des Reaktors Beteiligten anzuhören und die Öffentlichkeit über den Sachverhalt und seine atomrechtlichen Konsequenzen zu informieren. Ferner, forderte der Landtag, solle die in der Betriebsgenehmigung für 1997 (nach 10 Jahren) vorgesehene Sicherheitsüberprüfung der gesamten Anlage vorgezogen werden und schon jetzt im Rahmen der jährlichen Revision erfolgen.

Energieminister Claus Möller betonte vor dem Landtag, daß aktuelle Untersuchungen hinsichtlich der im ARD-Magazin „Monitor“ erhobenen Vorwürfe bezüglich des  Druckbehälters derzeit liefen. Bisher hätten die Untersuchungen folgendes ergeben: „Es sind Maßabweichungen an den zylindrischen Teilen aufgetreten. Der vor dem Pressen (die nicht passenden Teile wurden bei der Montage mittels einer Hydraulikpresse „in Form“ gebracht - Red.) gemessene maximale Kantenversatz betrug 23 Milimeter. (...) Es wurden Reparaturschweißungen durchgeführt, um Schlackeneinschlüsse in den Schweißnähten zu beseitigen.“ Diese Einschlüsse waren den Betreibern schon seit vielen Jahren aus TÜV-Gutachten bekannt. Atomkraft-Gegner, die seinerzeit gegen das AKW klagten, konnten sich 1988 durch Akteneinsicht bei den Hamburger Elektrizitätswerken (HEW) davon überzeugen. Sollte sich, so Möller weiter, bei weiteren Prüfungen herausstellen, daß die Betreiber Informationen zurückgehalten haben, stehe die Frage ins Haus, welche Konsequenzen das für die Anlage haben müsse.

In einer Regierungserklärung sagte Möller: „Daß Bundesregierung und Atomindustrie, daß das Atomgesetz und die Rechtsprechung den Ausstieg aus Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel gleichwohl sehr erschweren, das ist eine politische Belastung für unser Land. Die Atomenergie ist auch eine Belastung für die Sicherheit der Menschen in Schleswig-Holstein und weit darüber hinaus. Und die  Atom- energie ist eine ökologische Belastung, und sie hat keine ökonomische Zukunft. Man kann es nicht oft genug wiederholen: In  Schleswig- Holstein gibt es heute in der Windenergie mehr Arbeitsplätze als in allen drei Atomkraftwerken zusammen.“

Hinsichtlich der überproportional hohen Leukämierate in der Elbmarsch unterstrich der Landtag auf Antrag der rot-grünen  Koalitions- fraktionen die Notwendigkeit zur Durchführung einer Fallkontrollstudie, um den Zusammenhang der Leukämiefälle mit dem Betrieb des AKW Krümmel zu erforschen. Von der Landesregierung forderte das Parlament, den Beginn der Studie schnellstmöglich einzuleiten.

Indes gibt es Stimmen, die eine Umkehrung der Beweislast sehen. In der Landeszeitung vom 21.9. vertritt Gustav W. Sauer, ehemaliger Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Sozialministerium, die Meinung, daß die Landesregierung keinesfalls ein Wiederanfahren des AKW Krümmel zulassen muß. Nach dem Whyl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1985 darf eine erneute Inbetriebnahme nicht erfolgen, wenn - wie im Falle Krümmel - Ursachenzusammenhänge weder verneint, noch bejaht werden können. Ausreichend für die Verweigerung sei ein „Besorgnispotential“.

(bam, wop)