Prozeß gegen Mumia Abu-Jamal: Entlastungszeugin verhaftet

Um Mumia Abu-Jamal, den schwarzen Bürgerrechtler, der nach der einstweiligen Aufhebung der Vollstreckung seines Todesurteils im August 1995 weiterhin im Todestrakt von Philadelphia einsitzt, ist es in der hiesigen linken Presse wieder etwas stiller geworden. Zu unrecht, denn der schwarze Journalist wird nach wie vor mit dem Tode bedroht, für ein Verbrechen (ihm wird der Mord an dem Polizisten Daniel Faulkner zur Last gelegt), von dem in der gegenwärtig laufenden erneuten gerichtlichen Anhörung seines Falles immer deutlicher wird, daß er es nicht begangen hat.

Abu-Jamals Verteidigung hat jetzt erneut eine Entlastungszeugin präsentiert, die das Gericht mit zweifelhaften Methoden zum Schweigen bringen will. Veronica Jones wurde letzte Woche noch während ihrer Anhörung im Zeugenstand verhaftet, mit der Begründung, sie sei eine flüchtige Scheckbetrügerin. Jones war bereits im letzten Jahr in der ersten Anhörung nach dem Hauptprozeß gegen Abu-Jamal eine Schlüsselzeugin, allerdings der Anklage. Nach der Anhörung war sie verschwunden und wurde im April von Abu-Jamals Anwälten wieder aufgespürt. Jones hatte dabei gegenüber Abu-Jamals Verteidigern angegeben, daß sie von der Polizei erpreßt worden war, gegen Abu-Jamal auszusagen, und wollte dies jetzt in der neuerlichen Anhörung kundtun, nun als Zeugin der Verteidigung. Bei drei Gelegenheiten, so Jones, habe die Polizei ihr angeboten, gegen die ehemalige Prostituierte laufende Verfahren wegen Raubes und unerlaubten Waffenbesitzes fallen zu lassen, wenn sie gegen Abu-Jamal aussage. Ursprünglich hatte sie den Ermittlern gesagt, daß sie kurz nach der Schießerei, in der Faulkner erschossen und Abu-Jamal schwer verletzt worden war, zwei Männer habe flüchten sehen. Diese Aussage wiederrief sie später in der Hauptverhandlung.


Bei ihrer Aussage letzte Woche versuchte die Anklage systematisch, die Zeugin zu demontieren. Als Jones trotz Zweifeln an ihrer Glaubwürdigkeit an der Darstellung festhielt, daß sie in der Hauptverhandlung wissentlich gelogen habe, wurde ihr von der Anklage vorgeworfen, sie unterhalte persönliche Beziehungen zu den Anwälten Abu-Jamals und diese würden sie für ihre jetzige Aussage bezahlen. Diese Anschuldigungen konnte die Anklage freilich nicht beweisen, so daß schließlich die vier Jahre alte Geschichte mit den ungedeckten Schecks hervorgekramt wurde. Jones gab jedoch an, daß ihr der vermeintliche Scheckbetrug damals nicht nachgewiesen werden konnte und sie wieder auf freien Fuß gesetzt worden war, nachdem die Polizei sie als Belastungszeugin „eingekauft“ hatte. Der die Anhörung leitende Richter Sabo (der auch schon die Hauptverhandlung und die erste Anhörung Abu-Jamals geleitet hatte) veranlaßte dennoch, daß Jones verhaftet und in die Untersuchungshaft nach New Jersey überwiesen wurde. Danach wurde die Verhandlung sofort vertagt.

Leonard Weinglass, Abu-Jamals Verhandlungsführer, meinte bei einer spontanen Pressekonferenz, die nach der Räumung des Gerichtsgebäudes im Rathaus von Philadelphia abgehalten wurde, daß dieses Vorgehen des Gerichts in einer inzwischen langen Reihe von Maßnahmen stehe, jeden Entlastungszeugen Abu-Jamals mundtot zu machen. Für die verhaftete Veronica Jones wurde eine Spendenaktion gestartet. (jm, nach Meldungen aus dem Internet)