Türkei:

Erneute Hungerstreiks

In den türkischen Gefängnissen spitzt sich die Lage erneut zu. Mitte September wurden im kurdischen Diyarbakir innerhalb von vier Tagen neun Leichen gefunden. Die Opfer waren zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verbrannt oder gefoltert worden und konnten daher nicht alle identifiziert werden. Die, deren Identität festzustellen war, waren zuvor von der Sicherheitspolizei festgenommen worden. Angehörigen, die sich nach den Festnahmen beim Staatssicherheitsgericht erkundigt hatten, war keine Auskunft gegeben worden.

Einige Tage später, am 24.9., während sich der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel in Diyarbakir aufhielt, kam es im örtlichen Gefängnis zu einem offenbar gut vorbereiteten Überfall von Soldaten und Wärtern auf Gefangene. Zwölf Menschen wurden dabei getötet, zwölf weitere zum Teil schwer verletzt. Der türkische Justizminister Sevket Kazan (Refah Partei) behauptet, die Gefangenen hätten sich gegen eine Verlegung in andere Gefängnisse aufgelehnt. Dabei seien sie umgekommen. Angehörige und auch der Menschenrechtsverein IHD sprechen dagegen von regelrechten Hinrichtungen. Die Gefangenen seien zunächst von sogenannten Abschwörern angegriffen worden, dann habe das Militär eingegriffen, das schon Stunden vorher bereit stand.

Die PKK hatte nur wenige Tage vor den Ereignissen einige türkische Soldaten freigelaassen, um ihren guten Willen zu demonstrieren. Kurdische Quellen werten daher die Massaker als ein Zeichen für den Unwillen der türkischen Führung, eine politische Lösung zu suchen.

Unterdessen haben zahlreiche Gewerkschaften und linke Parteien aus dem Westen der Türkei die Vorkommnisse verurteilt und den Rücktritt des Justizministers gefordert. Am 28.9. erklärten die PKK-Kriegsgefangenen, als Antwort auf die Morde in allen Gefängnissen in den Hungerstreik treten zu wollen. Sie fordern die internationale Öffentlichkeit dazu auf, Druck auf die Regierungen auszuüben, damit jegliche diplomatische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung der türkischen Regierung eingestellt wird.

Darüber hinaus traten die Gefangenen zahlreicher türkischer und kurdischer revolutionärer Organisationen vom 27. bis zum 30.9. in einen Warn-Hungerstreik, um die Einhaltung der im Sommer nach dem letzten Hungerstreik gegebenen Versprechungen zu verlangen.

Vor dem Staatssicherheitsgericht in Ankara hat inzwischen der Prozeß gegen 41 Funktionäre und Mitglieder der kurdischen HADEP-Partei begonnen. Sie waren im Juni nach dem „Fahnenzwischenfall“ auf ihrem Parteitag verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt die HADEP, Beziehungen zur PKK zu unterhalten, als „Beweismittel“ wurden im HADEP-Büro gefundene Faxe der Nachrichtenagenturen KURD-HA und KURD-A sowie eine von der HADEP unterschriebene Zeitungsanzeige, in der ein Attentatsversuch auf Abdulla Öcalan verurteilt wurde, vorgelegt.

(wop - nach mehreren Pressemitteilungen)