Grüne Ministerin zensiert Jugendprojekte

Weil sich beim diesjährigen Jugend-Umwelt-Markt in Bad Oldesloe einer der angebotenen Workshops mit Sitzblockadetraining bei Demonstrationen befaßte, hat die grüne Jugendministerin Schleswig-Holsteins, Angelika Birk, angedroht, die Fördermittel für das Projekt zu streichen.

Obwohl sich die Veranstalter, das Jugendumweltnetzwerk, die Naturschutzjugend und diverse Projektwerkstätten, eindeutig von dem strittigen Workshop distanziert hatten, kündigte das Jugendministerium an, die bereits bewilligten Mittel zu kürzen und künftig ähnliche Projekte nicht mehr zu fördern. „Rechtswidrige Handlungen können nicht mit öffentlichen Geldern finanziert werden“, so die Jugendministerin.

Und mit drohendem Zeigefinger: Schon 1995 hätte es ähnliche Vorkommnisse gegeben. Weil die gewaltfreien Blockierer - daß sie gewaltfrei seien und auch das Demotraining auf ausschließlich gewaltfreie Aktionen abgezielt habe, betonten sie letzte Woche vor der Lokalpresse - sich von den Warnungen der Landesregierung hinsichtlich der Workshops im vergangenen Jahr nicht haben beeindrucken lassen, sollen sie nun sanktioniert werden: „Aufgrund der möglicherweise vergleichbaren Vorkommnisse im Jahr 1995 ist der seitens des Umweltministeriums gegebene Vertrauensvorschuß aufgebraucht. 1997 wird der Jugend-Umwelt-Markt nicht gefördert, sollte dies beantragt werden. Das Umweltministerium hat deshalb das Landesamt für Natur und Umwelt, das für die Bewilligung von Natur- und Umwelt-Förderprojekten zuständig ist, angewiesen, eventuelle Förderanträge des Jugend-Umwelt-Marktes in 1997 nicht zu berücksichtigen“, sagte die Staatssekretärin des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten Henriette Berg.

Die Jugendumweltwerkstätten Hamburg und Bad Oldesloe wiesen in einer Erklärung darauf hin, daß der umstrittene Arbeitskreis nur einer von 70 gewesen sei. „Themen wie Tierschutz, Fledermausbeobachten, Indianer, Situation in Ex-Jugoslawien, selbstbestimmtes Arbeiten, Wandmalereien, Bumerangbau, Nähen, Strümpfestricken, Jonglieren, Gitarrenspielen u.v.a. machen deutlich, daß es sich beim Jugendumweltjahrmarkt um ein Ferienlager mit dem Schwerpunkt Umweltschutz handelte und nicht um ein ’Chaoten-Training‘“.

Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, gab es ein Gespräch zwischen den Organisatoren und Vertretern des Jugend- und des Umweltministeriums, an der auch Angelika Birk teilnahm. Im Ergebnis nahm die Ministerin ihre Drohungen teilweise zurück. Das „OrganisatorInnen-Team“ bedankte sich im Gegenzug für „die bisherige Förderungspraxis in Schleswig-Holstein, die aus jugend-politischer Sicht bundesweit vorbildlich ist“. Außerdem wird den Organisatoren des Jugend-Umwelt-Marktes 97 empfohlen, „enger mit den Ministerien zusammenzuarbeiten“. Was Staatsknete doch so alles bewirken kann!

Ob Training für gewaltfreie Demonstrationen und Aktionen überhaupt „rechtswidrig“ ist, fragt sich die grüne Jugendministerin offensichtlich nicht. Ebensowenig erinnert sie sich anscheinend an Zeiten, in denen gewaltfreie politische Aktionen und Demonstrationen in der grünen Partei durchaus ihren Stellenwert hatten. Es nützt ihrer Glaubwürdigkeit auch wenig, wenn ihre Parteikollegin Dr. Adelheid Winking-Nicolay als Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag letzte Woche zum wiederholten Male auf den Zusammenhang zwischen Atomkraft und Blutkrebs hinwies und die Dringlichkeit einer Fallkontrollstudie zu den Leukämiefällen um das AKW Krümmel unterstrich. Daß sich die kritische Haltung zur Atomenergie überhaupt erst durch zahlreiche Demonstrationen und Sitzblockaden in der Vergangenheit hat durchsetzen können, steht für eine Grüne, wenn sie Ministerin ist, offenbar nicht mehr zur Debatte. (bam, wop)