Das Sanierungskonzept der städtischen Altenarbeit oder: Bloß nicht älter werden in Kiel

Wie schon in der letzten „LinX“ berichtet, haben die Betreuungs- und Pflegedienste der Stadt enorme finanzielle Probleme und planen den Abbau von mindestens 150 Arbeitsplätzen. In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick in das Sanierungskonzept von Sozialdezernentin Bommelmann, das kürzlich vorgelegt wurde und voraussichtlich auf der Dezember-Ratssitzung verabschiedet werden soll. Die Dezernentin war erst im Sommer auf Vorschlag der Grünen gewählt worden.

Am Anfang ihres „Konzeptes“ stellt die Dezernentin einen Streichkatalog vor, der alle Stellen betrifft die momentan frei oder nur vorübergehend besetzt sind. Das sind konkret 38, die hauptsächlich noch von Vertretungskräften besetzt sind. Näher ansehen sollten wir uns dann die weiteren Maßnahmen ihres Schreckenskatalogs. Der Pflegeschlüssel soll auf eins zu vier geändert, qualifiziertes Personal abgebaut und Krankengymnastik sowie Ergotherapie ganz aufgegeben werden. In der Praxis bedeutet dies, daß ein Heim mit 40 Pflegeplätzen zehn PflegerInnen beschäftigt, davon sind nach der Personalumstrukturierung fünf examiniert und fünf angelernt. Mindestens drei Pflegekräfte arbeiten im Nachtdienst, da sie alleine auf der Station sind, wäre es wünschenswert wenn sie qualifiziert wären. Bleiben noch sieben Pflegekräfte übrig, davon zwei examinierte. Gehen wir dann davon aus, daß eine der zehn Pflegekräfte im Urlaub ist, sind noch sechs PflegerInnen übrig. Davon arbeiten jeweils drei im Früh- und im Spätdienst. Also betreuen drei Pflegekräfte 40 pflegebedürftige Menschen. Das ist in der Praxis ein Pflegeschlüssel von eins zu 13,3! Ach ja, fast hätte ich es vergessen: freie Tage für die PflegerInnen gibt es nicht, und krank werden darf natürlich auch niemand. Und wenn doch, gibt es eben einen Pflegeschlüssel von eins zu 20. Pflegerische Tätigkeiten können dann zwar nicht mehr vernünftig ausgeführt werden, aber für eine Notversorgung, die da heißt: Füttern, Windeln und Ruhigstellen, könnte es noch langen.

Hier lohnt ein Blick in das erstmals 1990 erschienene Aktionsprogramm „Älter werden in Kiel“. In diesem von der Ratsversammlung verabschiedeten Papier ist noch von einer Verbesserung der Personalsituation die Rede. Der Pflegeschlüssel sollte von damals 1:3,4 auf 1:2,5 oder sogar 1:2 verbessert werden, „um Rehabilitation und aktivierende Pflege überhaupt erst zu ermöglichen“ (Aktionsprogramm). Auch die Arbeitssituation der MitarbeiterInnen sollte verbessert werden, da der Arbeitsplatz bei „schlechter Bezahlung und ungünstigen Arbeitszeiten eine sowohl körperlich als auch psychisch sehr anstrengende Tätigkeit“ (Aktionsprogramm) ist. Veränderungen der Arbeitszeit, der Bezahlung und der Aufgabenstellung sollten laut Aktionsprogramm verhindern, daß krankheitsbedingte Ausfallquoten von 20-30% entstehen. Wie hoch die Ausfallquote nach dem neuen Sanierungskonzept sein wird, kann sich jeder selbst ausrechnen.

Außerdem spricht Bommelmann von einem bedarfsorientierten Personaleinsatz. „Die MitarbeiterInnen müssen daher äußerst flexibel sein und auch wechselnd in verschiedenen Heimen arbeiten. Darüber hinaus soll die Arbeitsleistung dann erbracht werden, wenn sie wirklich gebraucht wird“ (Sanierungskonzept). Hier bahnt sich ein Arbeitszeitmodell an, das eigentlich schon vor Jahren ausgedient zu haben schien, der geteilte Dienst. Die PflegerInnen arbeiten dann z.B. von 6.30-10 Uhr und von 17.30-21 Uhr, und das sechs Tage in der Woche. Privatleben verboten. Krankheitsbedingte Ausfälle sind bei diesem Modell vorprogrammiert.

Natürlich wird auch im hauswirtschaftlichen Bereich gespart. (Ich kann dieses Wort nicht mehr hören!) Die Reinigungsarbeiten in den Heimen sollen in großem Ausmaß an private Firmen vergeben werden. Damit werden ca. 20 Stellen abgebaut. Außerdem soll geprüft werden, ob der gesamte Küchenbereich abgebaut und z.B. extern organisiert werden kann. Hier wären dann 50 MitarbeiterInnen von Arbeitslosigkeit bedroht.

Zum Schluß geht „Sozial“dezernentin Bommelmann noch darauf ein, ob die Betreuungs- und Pflegedienste weiter als Eigenbetrieb geführt werden sollen. Auch wenn hier noch nichts endgültig entschieden ist, scheint das Konzept des Eigenbetriebs nicht aufgegangen zu sein. Die momentan diskutierte Alternative, die GmbH, würde aber zu einer weiteren Gefährdung von Arbeitsplätzen führen, denn wie Bommelmann schreibt, kann „die Personalbewirtschaftung in einer privatrechtlichen Rechtsform flexibler gestaltet werden“ (Sanierungskonzept).

Insgesamt kann man nur hoffen, daß Personalrat und MitarbeiterInnen der städtischen Alten- und Pflegeheime anfangen sich zu wehren und nicht hinnehmen, was die städtischen PolitikerInnen ihnen vorsetzen. Hier scheint ein erster Schritt getan zu werden. Auf der städtischen Personalversammlung vom 6.11. gab es wütende Proteste der MitarbeiterInnen, und auch die Gewerkschaften DAG und ÖTV verteilten Flugblätter, in denen sie das Sanierungskonzept ablehnen. Die in einigen Häusern vorhandenen Ideen und Konzepte, z.B. Übernahme der Häuser durch die MitarbeiterInnen, sollten von der Verwaltung geprüft werden, so die DAG. Zurecht spricht die Gewerkschaft auch die fehlende detaillierte Kostenaufstellung an, d.h. wo Defizite entstehen und welche genauen Gründe dafür vorliegen.

Wichtig ist gerade jetzt ein massenhafter Protest, denn sonst bleibt uns allen nur irgendwann die Hoffnung: „Bloß nicht älter werden in Kiel!“ (oc)