Nach Recht und Gesetz

Grüne stritten sich über Atompolitik

Hoch her ging es am ersten November-Wochenende bei den Grünen. In Husum hatte man sich zum zweiten Parteitag seit Eintritt in die Landesregierung versammelt. Bereits im Vorfeld hatte es ordentlich Knatsch gegeben. Streitpunkt ist vor allem die Atompolitik. Kritikern des Atomkurses war vorgeworfen worden, die Koalition in Frage zu stellen. Es gingen gar Gerüchte um, Koalitionsgegner sollten aus  dem Landesvorstand entfernt werden. Schützenhilfe für die Realos gab es auch von der SPD. Ute Erdsiek-Rave, Vorsitzende der  Land- tagsfraktion, drohte an, das Regierungsbündnis platzen zu lassen, sollte sich der Parteitag gegen ein Wiederanfahren Krümmels aussprechen.

Dazu kam es dann allerdings nicht. Mehrheitlich entschieden die Delegierten, daß der Ausstieg nach Recht und Gesetz zu erfolgen habe. Sie lehnten damit einen Antrag ab, der Fraktion und Regierungsmitglieder aufforderte, dem Wiederanfahren des als Leukämie-Meiler bekannten Kraftwerks die Zustimmung zu verweigern. Mehrere Kreisverbände und Einzelpersonen hatten diese Position eingebracht, darunter auch die Landtagsabgeordnete Adelheid Winking-Nikolay.

Viel Schweiß hatte es gekostet, diese koalitionskonforme Beschlußlage herzustellen. Immerhin drei Abstimmungen waren nötig, bis die Basis endlich „richtig“ votierte. In der hitzigen Debatte hatte Vorstandsprecher Klaus Müller den Antragstellern vorgeworfen, sie würden juristische Niederlagen und Schadenersatzforderungen in Kauf nehmen. Wilfried Voigt, grüner Staatssekretär für Reaktorsicherheit, machte darauf aufmerksam, daß seine Beamten sich schlicht weigern würden, rechtswidrige Anweisungen zu verantworten. Ralf Henze, energiepolitischer Sprecher des Landesvorstandes, wandte dagegen ein, daß die signifikante Häufung der Leukämiefälle (Blutkrebs) in der Nachbarschaft des Kraftwerks ausreiche, um Krümmel stillzulegen. „Ist die Gesundheit oder das Leben der Menschen nicht wichtiger als eine nur eventuell erfolgreiche Schadensersatzklage der Betreiber?“, fragte er die Delegierten und verwies auf den Koalitionsvertrag, der der Sicherheit den „Vorrang vor jedem wirtschaftlichen oder sonstigen Interesse“ gibt.

Doch inzwischen scheint das Interesse am Erhalt der Koalition zu überwiegen. Aus Enttäuschung über den Beschluß und die Art seines Zustandekommens - es wird gemunkelt, daß auch Nicht-Delegierte mit abstimmten - trat eines der regierungskritischen Mitglieder des Landesvorstandes, Ute Schramm-Ehmke, zurück. Zu den befürchteten Abwahlanträgen kam es zwar nicht, aber die Stimmung bei den schleswig-holsteinischen Grünen ist nach Husum eher noch gereizter. Einige unzufriedene haben sich inzwischen in einer „Basis-Grünen AG“ zusammengeschlossen.

(wop)