Kommentar:

Bärendienste

Bisher haben sich die Grünen - sowohl der Kieler Kreisverband, als auch die Landtagsfraktion - nicht gerade vor Aktivität überschlagen, wenn es darum ging, den Lübecker Skandal öffentlich zu machen oder ein Bleiberecht für die Überlebenden des Brandanschlags einzufordern. Im August hatten Fraktion und Landesvorstand ein „generelles Bleiberecht“ für die Opfer verlangt, doch es hatte nicht den Anschein, als ob im Landtag versucht worden wäre, die Regierung entsprechend unter Druck zu setzen.

Nun hat sich Fraktionsvorsitzende Irene Fröhlich in Lübeck eine Verhandlung angesehen und war so „erschüttert“, daß sie Simonis einen Brief schreiben mußte (vgl. S. 9). Der war zwar privat gemeint, gelangte aber zum Leidwesen der Grünen an die Öffentlichkeit. (Offenbar aus der Umgebung der Ministerpräsidentin. Könnte die SPD deutlicher demonstrieren, was sie von ihrem Juniorpartner hält?)

So wissen wir denn jetzt, daß es an Überforderung lag, daß man die einen trotz Brandspuren schon nach Stunden laufen ließ, den anderen aber aufgrund fragwürdigster Indizien für Monate einsperrte, um ihm schließlich den Prozeß zu machen. Oder sollten wir den Hinweis auf den „Druck der Öffentlichkeit“ so verstehen, daß da vielleicht jemand politisch nachgeholfen hat? Aber dann bräuchte es doch wohl eher eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses als eines zweiten Staatsanwalts, oder?

Einen Bärendienst hat Irene Fröhlich auch den Opfern mit ihrer Bitte geleistet, sie bis zum Ablauf des Prozesses zu dulden. Ob sie im August nicht anwesend war, als Vorstand und Fraktion ein generelles Bleiberecht gefordert hatten? Da muß es ihr ja förmlich in den Ohren geklungen haben, als der Husumer Parteitag sich dagegen verwahrte, daß die Duldung der Überlebenden der Lübecker Brandnacht vom Prozeßverlauf abhängig gemacht wird.

In Husum ist immerhin die Forderung nach einem unbegrenzten Bleiberecht einstimmig erneuert und die Landesregierung aufgefordert worden, die Verantwortung nicht an „Abschiebeminister“ Kanther abzugeben. Wollen wir hoffen, daß der Brief Irene Fröhlichs nicht ein Ausdruck dessen war, wie die Fraktion in Zukunft mit Parteitagsbeschlüssen umzugehen gedenkt. (wop)