(Kein) Freispruch für Krümmel?

Das umstrittene Atomkraftwerk Krümmel wird wieder angefahren. Mit Beschluß vom 7.11. hat das schleswig-holsteinische  Oberver- waltungsgericht (OVG) den Antrag der Klägerin gegen das AKW, Renate Backhaus, abgelehnt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die im April 1991 vom Minister für Finanzen und Energie erteilte Genehmigung zum Einsatz von GE-11-Brennelementen im AKW Krümmel wiederherzustellen. Der Reaktor könne somit unmittelbar wieder ans Netz gehen.

Als Begründung gibt das OVG an, es spreche eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, daß die strittige Genehmigung des Ministeriums für den Einsatz von GE-11-Brennelementen im Kernkraftwerk Krümmel vom 17.4.1991 sich auch bei erneuter Entscheidung im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweise und die Klage der Klägerin abzuweisen sei.

Einerseits gebe es keine Erkenntnisse dahingehend, daß die in der Strahlenschutzverordnung festgelegten Basisgrenzwerte in Bezug auf ein Leukämierisiko fehlgewichtet worden seien (die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung werden dabei natürlich nicht hinterfragt). Andererseits habe das Ministerium seinerzeit die Genehmigung „ohne anzutastendes Ermittlungsdefizit“ erteilt.



Was schließlich die von der Klägerin geltend gemachten Hinweise auf die in jüngster Zeit in den Medien entfachte Diskussion um Mängel des Reaktordruckbehälters angehe, so könne dieser Problemkreis für das vorliegende Streitverfahren um die Rechtmäßigkeit der  Ge- nehmigung vom 17.4.1991 schon deshalb keine Bedeutung erlangen, weil jedenfalls zum damaligen, für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Zeitpunkt keinerlei Anlaß für Ermittlungen in diese Richtung bestanden habe.

Vor diesem Hintergrund erscheine es „unbillig, der Betreiberin ein Zuwarten auf die Ausnutzung der mit einer erheblichen  wirtschaft- lichen Bedeutung verbundenen, mit ganz erheblicher Wahrscheinlichkeit rechtmäßigen Genehmigung etwa bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zuzumuten.“

Während sich der Mitarbeiterstab am Abend des 7.11. mit Vorfreude im AKW Krümmel versammelt hatte, um das Wiederanfahren vorzubereiten, gab Schleswig-Holsteins Energieminister Claus Möller bekannt: „Das Energieministerium wird voraussichtlich noch heute die Zustimmung zum Wiederanfahren von Krümmel erteilen. Der Bescheid wird u.a. Auflagen zur weiteren zusätzlichen Überprüfung des Reaktordruckbehälters enthalten“. Und so geschah es denn auch.

Aber kaum war der Meiler wieder am Netz, sorgte er für neue Schlagzeilen. Im Reaktorkern waren während der Revision Metallspäne entdeckt worden, vermutlich nach Reparaturarbeiten dorthin gelangt. Der Sachverhalt habe keine Auswirkungen auf den Betrieb des Reaktors, meint der Sprecher der Betreiberin HEW gegenüber dem „Spiegel“. Der grüne Staatssekretär Willi Voigt, der die  Wiederan- fahrgenehmigung unterschrieben hat und deswegen zur Zielscheibe innerparteilicher Kritik wurde, scheint ähnlicher Meinung zu sein. Auch er wußte von den Spänen und machte den Betreibern lediglich zur Auflage, Brennstäbe auf Kratzspuren zu untersuchen. Das Entfernen der Fremdkörper würde voraussetzen, daß alle 840 Brennelemente ausgebaut werden.

Von einem Versagen der rotgrünen Koalition in Sachen Atomausstieg sprach die Bürgerinitiative gegen das AKW Krümmel. Die Bundes- vorstandssprecherin der Bündnisgrünen, Angelika Beer, warf dem grünen Staatssekretär vor, er habe den Handlungsspielraum, die  Ge- nehmigung zu versagen, nicht genutzt. Das Thema Krümmel werde weiter für innerparteilichen Zündstoff sorgen, so der Landesvorstandssprecher Klaus Müller.

„Krümmel muß stillgelegt werden. Die GRÜNEN im Koalitionsausschuß, in der Landtagsfraktion und in den Ministerien werden  aufge- fordert, die Stillegung von Krümmel mit allen rechtlich möglichen Mitteln sofort durchzusetzen“, hatten die schleswig-holsteinischen GRÜNEN erst am Wochenende 9./10.11. auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz beschlossen.

Die grünen Landtagsabgeordneten indes „fordern die Landesregierung auf, die entsprechenden strahlenbiologischen, meteorologischen und anlagetechnischen Gutachten in Auftrag zu geben, um endlich die Ursachen der Leukämieerkrankungen aufzuklären und den Weiterbetrieb des KKK (Kernkraftwerk Krümmel) verhindern zu können.“

Allein, es regt sich nichts Wesentliches in Sachen AKW-Ausstieg der rotgrünen Koalition, obwohl die SPD 1988 mit diesem  Wahlver- sprechen angetreten war, und obwohl die GRÜNEN als „Partei des Atomausstiegs“ fast 20 Jahre lang den Sofortausstieg aus der  Atom- energie proklamiert haben.

(bam)