„Haste mal ’ne Mark?“

Einhelliger Protest von Studis und DozentInnen gegen Sparpläne des Landes

Den Reformationstag nahmen SPD-Regierungspolitikerinnen allzu ernst. Das einzige, was ihnen zum Protest von etwa 6.000 Studierenden, ProfessorInnen und Angestellten der Uni Kiel, der Fachhochschulen Kiels und der Medizinischen Uni Lübeck am 31.10. vor dem Landeshaus einfiel, war, daß „die Universität ihre strukturellen Probleme noch nicht gelöst hat“, so Ministerpräsidentin Simonis in einem KN-Interview. Die Uni Kiel müsse „aufpassen, daß sie durch Mangel an Reformwillen“ - gemeint war wohl eher der fehlende Sparwille - „ihren guten Ruf nicht aufs Spiel setzt.“

Die SPD hat ihren „guten Ruf“, wenn sie ihn denn je besaß, längst verloren, zumindest bei den Hochschulangehörigen. Obwohl die Landtagspräsidentin Ute Erdsiek-Rave den Studierenden vor dem Landeshaus entgegenhielt, die Einsparungen seien zu hoch, das werde nochmal überdacht - „ein ehrliches Wort, auf das Sie sich verlassen können“ -, konnte sie sich gegen das anhaltende Pfeifkonzert und die Rhythmen der Sambagruppe von der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät, die den Protest auf dem Weg von der Uni zum Landeshaus lautstark manifestiert hatte, nur schwer durchsetzen. Daß die SPD über ihre Sparpläne höchstens marginal nachdenken wird, machte Wissenschaftsministerin Böhrk in einer Presseerklärung zum Studierendenprotest deutlich: Zwar dürfe und werde „Bildung nicht kaputt gespart“, aber, so verkündete Böhrk fast trotzig, der Haushalt ’97 sei „der erste, der die Hochschulen nicht mehr von Einsparungen ausnimmt“, und für die Maßnahmen des „Umbaus“ der Hochschulen, so Böhrk über den geplanten Abbau, gebe es „keine Alternative“.


Die Argumente dafür werden wider besseres Wissen vorgetragen. Zu dem vom hochschulpolitischen Sprecher der FDP, Ekkehard Klug, geäußerten Vorwurf, die Landesregierung wolle die sog. Überlastmittel für die Hochschulen weitgehend streichen (Rückgang des entsprechenden Haushaltstitels von knapp 2,5 Mio. DM in diesem Jahr auf 137.000 DM im nächsten) sagte Wissenschaftsstaatssekretär Dieter Swatek (SPD), die Kürzung der Überlastmittel sei durchaus sachgerecht und entspreche dem deutlichen Rückgang der Zahl der StudienanfängerInnen. Abgesehen davon, daß dies sachlich einfach falsch ist - für die nächsten Jahre wird mit weiteren 20-30% Zuwachs bei den Studierendenzahlen gerechnet - scheint Swatek nicht bekannt zu sein, daß sich an der Kieler Uni schon jetzt 23.000 Studierende auf 16.000 Studienplätzen drängeln, eine Unterkapazität - die Regierenden nennen das „Überlast“ -, die deutlicher wohl kaum sein kann. Ferner wird der Uni-Etat mit 1,4% knapp fünfmal so hoch zur Kasse gebeten wie der Gesamthaushalt des Landes mit einem Einsparungsdurchschnitt von 0,3%. Neben dem Saarland und Rheinland-Pfalz ist Schleswig-Holstein bezogen auf den Anteil der Ausgaben für die Hochschulen am Gesamtetat das Schlußlicht der alten Bundesländer. Am 21.10. teilte Swatek freudig mit, Bund und Land würden im kommenden Jahr 174 Mio. DM in den Hochschulbau investieren. Letzterer, so Swatek, „ist trotz der öffentlichen Finanzengpässe immer noch ein vordringlicher Investitionsbereich zur Weiterentwicklung der landesweiten Bildungsstrukturen“. Für die Kieler Uni ist dieser „Geldsegen“ allerdings nicht von großer Relevanz, denn hauptsächlich sollen die Fachhochschulen in Kiel-Dietrichsdorf, Heide, Flensburg und Lübeck ausgebaut werden. An der Kieler Uni fließen die Mittel in das hochschulpolitische Lieblingskind der SPD-Standortsicherer, die Technische Fakultät, obwohl diese weit weniger Studierende anzieht als bei ihrer Gründung erwartet.

Wenig überzeugend ist auch, daß die rosa-grüne Koalition immer wieder die notwendige Reform der Unis anmahnt: „Ist es denn so schwer, über den Wasserkopf der Verwaltung nachzudenken?“ fragte Erdsiek-Rave und steigerte damit nochmals den Pegel des Pfeifkonzerts. Wahr ist, daß die Unis seit Jahrzehnten reformbedürftig sind und nach wie vor unter einem erheblichen Demokratiedefizit leiden. Wie aber Reformen bei gleichzeitigem Totsparen möglich sein sollen, darüber schweigt sich die SPD aus oder kommt mit Klopfern wie dem oben zitierten.

Nicht viel leichter hatte es vor dem Landeshaus Irene Fröhlich in ihrer Funktion als hochschulpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen. Außer Gemeinplätzen wie, man müsse „mit knappen Mitteln intelligente Politik machen“ oder „seit 1986 ist schon viel gemacht worden“, konnte auch sie kein Konzept vorweisen. Das wollen die Grünen am 18.11. (14 Uhr im Landeshaus) bei einem hochschulpolitischen Ratschlag mit dem Titel „Umbruch statt Abbruch“ erarbeiten.

So blieb es neben den Studis und Profs der Opposition überlassen, die Sparpläne zu kritisieren. Aber auch da war nicht viel Neues zu hören. Angelika Volquartz (CDU) sah in der Forderung Erdsiek-Raves, über die Leistungsfähigkeit der ProfessorInnen nachzudenken, einen „Skandal“. Ihre Gewährsleute vom RCDS waren zur Demo mit einem Transparent namens „Eliten statt Nieten“ erschienen, was die Offensive der CDU gegen die Regierungskoalition nicht unbedingt glaubhaft erscheinen ließ. Lediglich Ekkehard Klug (FDP) sprach deutlichere Worte: Es werde ein „Raubbau an den Zukunftschancen junger Schleswig-Holsteiner“ betrieben. Wenn die Politik die Prioritäten anders setze, seien auch bei knappen Mitteln die Hochschulen sachgerechter zu fördern. Anke Spoerendonk (SSW) sparte auch nicht mit harten Tönen: Wer in Deutschland studiere, sei von der Politik verlassen, auf Landesebene ebenso wie vonseiten des Bundes, wo das BaföG demontiert und über Sozialabgaben für neben dem Studium arbeitende Studis nachgedacht werde. In der Hochschulpolitik müsse man endlich „klotzen statt zu kleckern.“

Das Resümee des AStA-Vorsitzenden Oliver Niederhoff am Ende der Kundgebung vor dem Landeshaus, man werde, wenn sich jetzt nichts tue, wiederkommen, wird wohl in die Tat umgesetzt werden müssen. An den Plänen der Regierenden, nochmal über die Sparpläne „nachzudenken“, scheint nicht viel dran zu sein. Sowohl SPD als auch Grüne sind ohne Konzept und in der Logik der „Sparzwänge“ gefangen. Ihre einzige Taktik, vor allem die der SPD, ist auf Entsolidarisierung angelegt. Heide Simonis konnte im KN-Interview zwar verstehen, warum „ein junger Mensch auf die Straße geht“. Aber: „Warum er seinen Professor mitnimmt, verstehe ich nicht.“ Die Festigkeit eines die ganze Hochschule umfassenden Bündnisses gegen die Sparpläne wird sich allerdings in der Tat noch erweisen müssen. Indes scheint es derzeit die einzige Möglichkeit zu sein, die Regierenden zumindest unter Legitimationsdruck zu setzen. (jm)