Wahlbetrug?

Nun hat auch Kiel einen „Ausländerbeirat“. Vielleicht. Am 10.11. waren knapp 12.000 Einwanderer ohne deutschen Paß aufgerufen, eine Interessenvertretung mit äußerst begrenzten Befugnissen zu wählen. Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen oder die nur eine Duldung haben, durften nicht mitwählen.

Mit gut 23% beteiligten sich genug, damit die Wahl anerkannt werden kann. Ob sie das auch wird, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest, da es zahlreiche Berichte über Unregelmäßigkeiten gab.

Die bisher (11.11.) bekannt gewordenen Ergebnisse liegen im Bereich dessen, was zu erwarten war. Das von türkischen Nationalisten dominierte „Türkisch-Islamische Bündnis“ erhielt über 60% der Stimmen und damit 13 Sitze, die restlichen sechs Sitze teilen sich je zur Hälfte die „Demokratische Liste“ (ca. 15%) und die „Internationale Liste“ (ca. 13%). Die Listen „Iran“ und „Polnische Kultur“ gingen leer aus.

Am 13.11., nach Redaktionsschluß, wird der Wahlausschuß über die Beschwerden zu urteilen haben. Die „Demokratische Liste“ erwägt, die Wahl anzufechten, und auch einige Mitglieder der „Internationalen Liste“ scheinen in diese Richtung zu tendieren. Auf jeden Fall aber, so zeigte sich auf einem Treffen am 11.11., hat die gemeinsame Empörung über das Vorgehen türkischer Nationalisten die beiden Listen einander näher gebracht. Allzu groß sind die programmatischen Differenzen ja nicht, wie die Interviews zeigten, die wir in den letzten beiden Ausgaben gebracht haben.

Vor allem im Gaardener Wahllokal scheint es hoch her gegangen zu sein. Hier beobachteten Mitglieder der „Demokratischen Liste“ und auch andere, wie Wahlhelfer Wählern ganz offen rieten, Liste 3 („Türkisch-Islamisches Bündnis“) anzukreuzen. Einige wurden sogar dabei ertappt, wie sie den Wahlzettel für Wähler ausfüllten. Ein afrikanischer Wahlhelfer wurde von einem Jugendlichen, als er ihn davon abhalten wollte, mit anderen zusammen in eine Wahlkabine zu gehen, als „Neger“ beschimpft. Vor allem in Gaarden ist es mehrfach vorgekommen, daß die Wähler nicht alleine in die Kabine gingen. Hier wurde auch beobachtet, wie ein Wahlhelfer mehrere Zettel ausfüllte und in eine Urne warf. Ein anderes Mal wurden einer Frau, die mit vier Pässen ankam, die gleiche Zahl Wahlzettel ausgehändigt, die diese dann auch ausgefüllt in die Urne warf.

Ob diese Manipulationen letztendlich das Wahlergebnis wesentlich beeinflußt haben, ist ungewiß. Ein Vertreter der „Demokratischen Liste“ meinte gegenüber der „LinX“, daß die Nationalisten wohl auch unter fairen Bedingungen die Mehrheit bekommen hätten. Dennoch: Vielen geht es ums Prinzip. Man darf gespannt sein, wie die Stadt auf die Beschwerden reagieren wird. (wop)