Die „Problemzonen“ des Herrn Stadtbaurats

Rat beschließt „Städtebauliches Handlungskonzept“

Von der rosa-grünen Koalition abgesegnet wurde das „Städtebauliche Handlungskonzept Innenstadt Kiel“. Dieses vom Stadtbaurat Flagge vorgelegte Konzept beauftragt die Stadtplaner, detaillierte Planungen für „Problemzonen“ in der erweiterten Innenstadt zwischen dem alten botanischen Garten im Norden, dem Knooper Weg im Westen und der Gablenzbrücke im Süden durchzuführen.

Dabei seien, so Flagge, die wichtigsten Veränderungen zusammengefaßt worden, die aus Sicht der Stadtplanung, der Grünplanung und der Verkehrsplanung mittelfristig erforderlich seien, um zu gewährleisten, daß die Innenstadt den Anforderungen gerecht werden könne, die an sie in Zukunft zu stellen seien.

Flagge

Auf einer öffentlichen Veranstaltung im Kieler Rathaus zwei Tage vor der Ratsversammlung gab der Stadtbaurat weitaus detaillierter Auskunft über die Planungen in seinem Amt. Positiven Beispielen „gelungener“ Stadtplanung wie z.B. dem Klosterkirchhof und dem neuen Woolworth stünden unzählige „Schandflecke“ gegenüber. Angesichts zum Teil äußerst komplizierter Verhandlungen mit den privaten Eigentümern und deren Blockaden sei es zuweilen hinderlich, daß diese sich nicht an die Gemeinschaftsverpflichtung von Eigentum erinnerten. Allerdings gebe es auch viele positive Beispiele der Kooperation mit der Privatwirtschaft. Tatsächlich betrage das private Bauvolumen in Kiel derzeit pro Jahr über eine Milliarde DM. Angesichts dieser Rahmenbedingungen sei es in erster Linie Aufgabe der Stadtplaner, „die privaten Interessen (zum Wohle der Stadt) zu lenken“.

Für die Expansion des Sophienhofes und die Überdachung der Holstenstraße

Vehement verteidigte Flagge die städtebauliche Entscheidung für den „Konsumtempel“ Sophienhof. Ohne diesen wäre die Bedeutung der Innenstadt als „Handelsstandort“ gerade auch in Hinblick auf die Konkurrenz im Umland (Raisdorf) aufs Spiel gesetzt worden. Deshalb müsse der Sophienhof gestützt und gefördert werden. Entsprechend befürwortete Flagge auf Nachfrage aus dem Publikum auch die derzeitigen Expansionspläne des Sophienhofes in Richtung Lerchenstraße und „Eisenhenkel“, die auch durch das Baurecht abgesichtert seien. Dagegen müßten die Begehrlichkeiten des Sophienhofes in Richtung Ehmsenplatz anders bewertet werden, da eine Privatisierung des Platzes die sozialen Probleme nur verlagern würde. Ganz anders hingegen beurteilte Flagge die Probleme des nördlichen Teiles der Fußgängerzone (die „obere Holstenstraße“ nördlich der Holstenbrücke), die seit der Eröffnung des Sophienhofes starke Umsatzeinbußen zu verkraften hat. Hier befürwortete Flagge allen Ernstes die alte Idee der Überdachung des gesamten Areals, welche ohne große bauliche Änderungen an den anliegenden Gebäuden zu verwirklichen sei. Zusätzlich sah Flagge vor allem bei den innenstadtnahen Plätzen akuten Handlungsbedarf. Der Verbrauch innerstädtischer Fläche z.B. durch den Parkplatz namens Exerzierplatz sei einmalig: „In Stuttgart, Hamburg oder Karlsruhe, da gibt es sowas nicht!“

Kiels Wasserseite als Potential

Auch dem Tourismus als wichtigem Wirtschaftsfaktor sei städtebaulich Rechnung zu tragen. Schließlich besuchten jährlich ca. 200.000 TouristInnen Kiel. Deshalb müsse der maritime Charakter der Stadt besser zur Geltung gebracht werden. In diesem Zusammenhang erinnerte Flagge an entsprechende Planungen bezüglich des Bootshafens, der eigentlich schon längst hätte saniert werden müssen. Die über ein Jahrzehnt alten Planungen sahen u.a. eine Vergrößerung des Bootshafens vor, welche die „Wasserfläche wieder erlebbar“ mache. Die Wasserfläche solle in Richtung C&A vergrößert werden, auf der Karstadt-Seite solle ein terassenförmiger Zugang geschaffen werden. Realistischer seien die Überlegungen, die Holstenbrücke für den Durchgangsverkehr zu sperren, dies allerdings frühestens mit der Fertigstellung der Mühlenwegtrasse bis zur Autobahn. Die von Flagge selbst befürwortete Herstellung einer Verbindung zwischen Bootshafen und Kleinem Kiel sei momentan aufgrund der Finanzsituation unrealistisch.

Als derzeit größtes Projekt verwies der Stadtbaurat auf die städtischen Bemühungen an der Hörn. Die ursprünglich von den Grünen vor über 10 Jahren in die politische Debatte eingebrachte Hörnbrücke, die im April 1997 fertiggestellt werde, bringe Gaarden näher an die Stadt. Vom Bahnhof zum Vineta-Platz werde es zukünftig nicht weiter sein als vom Bahnhof zum Alten Markt. Auf Nachfrage mußte Flagge allerdings einräumen, daß die politisch beschlossene Fortführung des Fuß-/Rad-Weges bis über die Werftstraße hinaus aufgrund der finanziellen Situation nicht auf der Tagesordnung stehe. Auch vom westlichen Ende des „Fußwegsteg über die Hörn“ wußte der Stadtbaurat nichts Konkretes zu berichten. Auch die derzeitigen Planungen bezüglich des ZOB seien „finanziell schwierig“, es gebe aber vielversprechende Verhandlungen mit einer „Investorengruppe“.

Inzwischen hat die Ratsversammlung eine im „Städtebaulichen Handlungskonzept“ ausgewiesene Planung schon konkretisiert. Die Verwaltung wurde beauftragt, mit dem Betreiber des Sophienhofes und der Bahn AG gemeinsam Planungen für eine Neugestaltung der „zentralen ÖPNV-Umsteigeanlage Sophienblatt“ voranzutreiben. Favorisiert wird eine ebenerdige Querung über das Sophienblatt südlich der Raiffeisenstraße. „Die ursprüngliche Konzeption, die Fußgängerquerungen ... im wesentlichen über Brücken abzuwickeln ..., hat sich nicht bewährt“, heißt es in der Begründung zum Antrag, denn „die notwendige Reinigung der Brücken läßt sich bei notwendiger ständiger Öffnung mit öffentlichen Mitteln nicht sicherstellen. Den Sicherheitsbedürfnissen vieler Nutzer kann nur in unzureichendem Maße entsprochen werden.“ Die jetzige Brücke zwischen Sophienblatt und Bahnhof soll entsprechend rechtlich in den Sophienhof integriert, die Öffnungszeiten denen des Sophienhofes angeglichen werden. Der bündnisgrüne Ergänzungsantrag, den betroffenen Ämtern (z.B. Amt für Soziale Dienste, Jugendamt) ein Vetorecht bei den Planungen einzuräumen (die Brücke zwischen Sophienblatt und Bahnhof entwickelte sich im letzten Winter zum Aufenthaltsort v.a. jugendlicher Obdachloser) wurde nur in abgeschwächter Form angenommen. Die Planungen sollen mit den betroffenen Ämtern nur noch „abgestimmt“ werden. Ein Vetorecht, so Flagge, würde die Planungen langfristig blockieren. (usch)