Sparen ’98

Land plant weiteren Abbau der Hochschulen

Etwas ruhiger geworden ist der Protestlärm um die Kürzungspläne der Landesregierung an den Hochschulen. Gleichwohl nutzen die SparerInnen vom Dienst im Bildungsministerium die Atempause, um weiteren Kürzungswahn auszubrüten.

Eingebettet sind die jüngsten Pläne von Kultusministerin Gisela Böhrk (SPD) in eine sog. „Hochschulreform ’98“. Schon während des Protests Ende Oktober wurde die Ministerin nicht müde, einerseits zu betonen, die Hochschulen dürften nicht „kaputtgespart“ werden, andererseits aber eine „Reform der Hochschule“ einzufordern. Die „Reform“, die Böhrk und GenossInnen dabei im Kopf haben, ist aber keineswegs eine Reform im Sinne einer Demokratisierung und Öffnung der Hochschule, wie sie linke Uni-Gruppen seit Jahren fordern. Nein, es geht um eine Verschlankung der Hochschulen in allen Bereichen. Bei der mittelfristigen Finanzplanung für die Hochschulen hat Böhrk, o Wunder, ein jährlich wachsendes Loch im Hochschuletat entdeckt. Im Jahre 2000 werde dies schon 40 Mio. DM betragen, ließ die Ministerin verlauten, das sind 9% des gesamten Hochschulhaushaltes. Daß diese Finanzmisere zu einem Gutteil von den Kürzungsplänen der Landesregierung hervorgerufen wird, vergaß Böhrk zu erwähnen. Wegen des Einfrierens des Hochschuletats muß die Uni-Selbstverwaltung nämlich jegliche tarifliche Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst durch das Streichen von Stellen finanzieren.

Für ’98 planen Böhrk & Co. nun zweierlei: Erstens die Beseitigung von „Doppelangeboten“, bzw. die „Konzentration“ von weniger begehrten Studiengängen an einem Hochschulstandort im Lande. Irene Fröhlich, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, schwebt dabei eine Durchforstung des Studienangebots der medizinischen Fakultäten in Lübeck und Kiel vor. Bei den Überlegungen zur „Konzentration“ steht jetzt sogar die Technische Fakultät an der Uni Kiel zur Debatte. Offensichtlich läßt sich auch dieses Prestigeobjekt der Landesregierung nicht mehr vor dem Sparrasenmäher schützen, weil es entsprechende Studienangebote im IngenieurInnenbereich auch an den Fachhochschulen gibt.

Zweitens will Böhrk eine „Weiterentwicklung der Personalstruktur“, will sagen einen Abbau derselben. DozentInnen sollen im Rahmen des konzentrierten Studienangebots „flexibler eingesetzt“ werden. Eine gewisse Berechtigung kann man dem nicht ganz absprechen, wenn man bedenkt, daß sich immer mehr ProfessorInnen frustriert aus den Lehrverpflichtungen zurückziehen, wo es denn geht, z.B. ihre Vorlesungen und Seminare durch AssistentInnen durchführen lassen. Andererseits wird auch hier wieder nur an Symptomen herumgedoktert. Denn daß hochqualifizierte Lehre im deutschen Wissenschaftsbetrieb (anders als z.B. in den USA) WissenschaftlerInnen nicht unbedingt zur Reputation gereicht und daß es dadurch nur zu verständlich ist, daß sich viele Lehrende auf die Forschung stürzen, wird nicht beachtet. Die zweite Maßnahme in Sachen „Personalstruktur“ ist der „Professor auf Zeit“, z.B. mit einem 5-Jahres-Vertrag. Solches wird v.a. NachwuchswissenschaftlerInnen hart treffen. Schon jetzt hangeln sich junge Promovierte und Habilitierte von Zeitvertrag zu Zeitvertrag, mit der entsprechenden sozialen Unsicherheit. So manche WissenschaftlerInnen-Existenz endet mit 40 auf dem Arbeitsamt, ohne Chancen auf weitere Vermittlung. Der Weg ins akademische Proletariat ist geebnet.

Ab Dezember will die Landesregierung ihren konzeptlosen Sparideen „Sachverstand“ hinzufügen. Eine ExpertInnenkommission soll bis zum Juni ’97 das neue Hochschul(spar)konzept entwickeln.

Derweil warnen die Rektoren der schleswig-holsteinischen Hochschulen vor dem drohenden Kollaps schon 1997. CAU-Rektor Prof. Ruprecht Haensel sah auf einer Pressekonferenz sogar die Strom- und Wasserversorgung der Uni gefährdet, sollten sich die Sparpläne bei der Verabschiedung des 97er Etats durchsetzen.

Derlei Alarmrufe jedoch fechten Böhrk nicht an. Auch der Kieler Rat hatte sich in einer interfraktionellen Resolution gegen das Kaputtsparen ausgesprochen. Stadtpräsidentin Silke Reyer erhielt einen Antwortbrief aus dem Bildungsministerium. Darin moniert Böhrk „den ungewöhnlichen Ton des Beschlusses der Ratsversammlung“. „In der Vergangenheit“ habe die Stadt Kiel sich schließlich „gegenüber den besonderen Bedürfnissen und Problemen“ der Hochschulen „nicht immer aufgeschlossen gezeigt“. Bürgermeister Zimmer (CDU) wies diesen Vorwurf in der Ratsversammlung vom 21.11. scharf zurück und verwies dabei auf das Engagement der Stadt bei der Ansiedlung des GEOMAR-Instituts auf dem Ostufer. (jm)