KERNspalte

Nicht immer ist es etwas Gutes, was von oben kommt. Anfang letzter Woche herrschte bei unseren Antipoden in Australien für einige Stunden ziemliche Aufregung, als die russische Sonde „Mars 96“ auf dem fünften Kontinent abzustürzen drohte. Sie überlegte sich es dann aber zum Glück noch mal anders und ging einige tausend Kilometer weiter im Pazifik runter. Nun schlummern ihre Reste auf dem Meeresgrund und mit ihnen auch die 200 Gramm Plutonium 238, die an Bord waren. Hofft man zumindest, denn genau so gut könnten die Behälter mit dem radioaktiven Stoff in der Atmosphäre verglüht sein und somit das Ultragift fein verteilt haben. Feststellen läßt sich das nicht mehr, denn die Trümmer liegen in 6.000 Meter Tiefe. Ein Millionstel Gramm Plutonium reicht aus, um bei einem Menschen, der es einatmet, Lungenkrebs zu erzeugen. An der Mars-Mission waren auch deutsche Behörden beteiligt, die sich offensichtlich nicht daran störten, daß das gefährliche Material zur Energieversorgung eingesetzt wurde. Und zwar unnötigerweise, denn die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) hat längst effektive Solarzellen entwickelt, die den gleichen Zweck erfüllen könnten.

Auch ansonsten fliegt des öfteren Plutonium über unseren Köpfen herum. Unlängst deckte Greenpeace auf, daß im November letzten Jahres 100 Kilogramm Plutonium per Luftfracht von England nach Zürich geschafft wurden, genug Stoff für 20 bis 50 Atombomben. Das Material war in der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield aus angereichertem amerikanischen Uran gewonnen worden. Laut Greenpeace-Sprecher Shaun Burnie stellen die 100 Kilo nur einen kleinen Teil dessen dar, was die Atomindustrie in Zukunft mit dem Flugzeug auf die Reise schicken will. Der Transport wurde übrigens von der südafrikanischen Fluggesellschaft SafAir gemanaget, die sich guter Beziehungen zum CIA rühmen kann. Im Zusammenhang mit dessen Iran-Contra-Geschäften flog sie in den 80ern Waffen für die nikaraguanische Konterguerilla.

Mit dem Bombenstoff scheint es - dem Nichtverbreitungsabkommen zum Trotz - einen schwunghaften Handel zu geben. Die USA haben vor einiger Zeit erstmals Zahlen über ihren Plutoniumexport veröffentlicht. Danach haben sie von 1959 bis 1991 748,8 kg an 39 Staaten geliefert. Der Löwenanteil ging an die BRD: 518,1 kg. Daraus lassen sich 100 bis 200 Sprengkörper basteln. Natürlich seien alle Lieferungen ausschließlich für zivile Zwecke gedacht gewesen.

Normalerweise soll ein Kontrollsystem der internationalen Atomagentur IAEA verhindern, daß bei solchen Transaktionen Material in dunklen Kanälen verschwindet. Was davon im einzelnen zu halten ist, zeigte ein Vorfall, der letzte Woche ruchbar wurde: Das AKW Lubmin (Greifswald) hatte Brennstäbe in die USA verkauft und mit den Transportbehältern auch ein Brennelement zurückbekommen. Das war beim Entladen übersehen worden. Das Greifswalder Atomplenum spricht von einem illegalen Atomtransport.

(wop)