„Ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Kieler“
... mag sich König Norbert (Gansel) gedacht haben, als die Ratsversammlung letzte Woche einstimmig beschloß, die Marine in Kiel behalten zu wollen. Von „zivil-militärischer Nutzung des Marinestützpunktes“ wird gesprochen, eine beachtenswerte Wortkreation der Sorte Neusprech, verschleiernd, verdummend: Krieg ist Frieden!
Die Ratsversammlung beschloß es, wie gesagt, einstimmig. Von den Sozialdemokraten hat man es ja nicht anders erwartet. Ihre Ministerpräsidentin gab zur gleichen Zeit im Landtag zu Protokoll, sie könne sich Kiel gar nicht ohne Marine vorstellen. Vielleicht schaut sie sich mal ein paar Fotos aus dem Jahre 1945 an. Dann bekommt sie zumindest einen Eindruck davon, wie Kiel mit Marine aussehen kann.
Aber von den Grünen war schon etwas anderes zu erwarten gewesen. In ihrer Fraktion sitzen lauter Leute, denen man nicht erklären muß, was die Kombination aus Rüstungsindustrie und Marinestützpunkt für Kiel in einem Krieg bedeutet (wenn man denn schon lokalpolitische Gründe braucht, um Antimilitarist zu sein).
Ratsherr Lutz Oschmann begründet für seine Partei den Antrag auch damit, daß man sich von einer gemischten zivilen und militärischen Nutzung einen „sanften Übergang“ zur reinen zivilen Wirtschaft erhofft. Nur ist die Frage gar nicht: entweder militärisch oder gemischt; sondern die Alternative, die das Kriegsministerium präsentiert, lautet: gemischt oder gar nicht. Mit anderen Worten: Bonn will die Flotte abziehen, und die Grünen schließen sich dem Ruf der anderen Parteien an „Nein, bleibt, wir machen es euch so billig wie möglich.“
Genauso schwach Oschmanns Argument, es gebe kein vernünftiges Konzept für die Streitkräfte. Hat er etwa verschlafen, daß die neue Devise lautet, „die Küsten der Weltmeere sicherheitspolitisch zu gestalten“? Dann sollte ihn doch zumindest das penetrante Beharren der CDU auf den Einsatzgruppenversorgern zum Nachdenken bringen.
Aber vielleicht stieße er dabei auf Antworten, die dem Aufsichtsratsessel
die Behaglichkeit nähmen. Da ist es wohl doch angenehmer, gelegentlich
nach St. Petersburg zu reisen, um nachzuschauen, ob sich etwas in Sachen
Bedrohung tut. (wop)