Novellierung der Pflegeversicherung?

Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen kommunalpolitischen Debatte um die städtischen Altenpflegeeinrichtungen (wir berichteten in den letzten beiden Ausgaben) brachte die SPD einen Antrag zur „Novellierung der Pflegeversicherung“ in die Ratsversammlung ein. Die bisherigen Erfahrungen bei der Umsetzung und Durchführung des Pflegeversicherungsgesetzes hätten gezeigt, daß das Gesetz in weiten Bereichen sein Ziel nicht erreicht habe, resümiert die SPD-Fraktion, deren Namensvetter im Bundestag diesem Pflegeversicherungsgesetz zugestimmt hatte. Zudem finde die mit der Verabschiedung des Pflegegesetzes beabsichtigte Entlastung kommunaler Haushalte nur in sehr begrenztem Umfang statt.

Auch Helga Hillebrandt von den Bündnisgrünen beklagte die Auswirkungen der Pflegeversicherung, welche in den Kommunen dazu führe, daß qualifiziertes Altenpflegepersonal zugunsten von ungelernten Kräften reduziert werde. Ratsherr Arno Witt (CDU) dagegen kritisierte den Antrag der SPD ganz im Stile der SUK-Fraktion: „Wer soll das bezahlen?“ Arne Wulf, Fraktionsvorsitzender der CDU, sekundierte: Der SPD-Antrag würde zum Anstieg der Lohnnebenkosten führen, ohne entsprechende Kostendeckung könne dem Antrag nicht zugestimmt werden. Deshalb warben Wulf und Witt für ihren „Alternativantrag“, in dem sie mehrere Sofortmaßnahmen zur „Sicherung des Betriebes der Betreuungs- und Pflegedienste“ in Kiel forderten. Unter anderem sollten nach Ansicht der CDU freiwerdende Stellen nicht wieder besetzt werden, befristete Verträge seien nicht zu erneuern und es müsse soweit wie möglich privatisiert werden. So sollten z.B. Reinigungsarbeiten unverzüglich an private Firmen vergeben werden, ebenso die Essensversorgung und die „Reinigung und Reparatur der Bewohnerwäsche“.

Bei diesem „Alternativantrag“ stand offensichtlich das von der „grünen“ „Sozial“dezernentin vorgelegte Sanierungskonzept Pate. Ausdrücklich berief sich die CDU in ihrem Antrag auf eben dieses Konzept, welches ähnliche Vorstellungen beinhaltet. Trotzdem konnte Eckehard Raupach, Fraktionsvorsitzender der SPD, dieser Argumentation (noch?) nicht folgen. Er appellierte statt dessen an die gemeinsamen Interessen Kieler KommunalpolitikerInnen, die sich im Antrag der SPD wiederfänden: „Können wir die nicht gemeinsam nach außen tragen?“ Schließlich sei dies bei dem Appell an die Landesregierung bezüglich der beabsichtigten Kürzungen an der Kieler Universität so gewesen und auch bei dem interfraktionellen Antrag zum Erhalt des Militärstandortes Kiel. Aber nicht einmal dieser Appell an das oft beschworene gemeinsame Interesse konnte die ChristdemokratInnen und die SUK erweichen. Obwohl ein in der Tat unverfänglicher Teil des CDU-„Alternativantrages“ in den SPD-Antrag übernommen wurde, stimmte die CDU-Fraktion gegen die konsensorientierte rosa-grüne Mehrheit.

Annegret Bergmann, Frauenbeauftragte der Landeshauptstadt Kiel, hat zwischenzeitlich zu dem Sanierungskonzept für die Betreuungs- und Pflegedienste Stellung bezogen. Wie schon der Personalrat lehnte sie das Sanierungskonzept ab. Es sei ausschließlich dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit verpflichtet, von sozialer Verantwortung oder vom Bewußtsein der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Beschäftigten sei dagegen nichts zu spüren. Auch fehle jegliche politische Zieldefinition. Der Pflegeschlüssel von 1:2,5 (ein pflegender Mensch auf 2,5 zu Pflegende) im Aktionsprogram „Älter werden in Kiel“ sei eine politische Festsetzung gewesen, mit der der Anspruch auf ein bestimmtes Qualitätsniveau der Pflege vertreten worden sei. Im Sanierungskonzept werde dagegen nicht einmal erklärt, warum kein anderer als der Pflegeschlüssel 1:4 mehr finanzierbar sei. Dem geplanten massiven Stellenabbau fehle so jede realistische Grundlage, die sich nicht nur nach den Finanzen, sondern an der Einschätzung des zukünftigen Bedarfs richtet. Letztlich könne bei der Umsetzung des Sanierungskonzeptes der städtische Anspruch, für eine innovative Sozialpolitik zu stehen, nicht mehr aufrechterhalten werden. Stattdessen schlägt Bergmann vor, unter Einbindung externer Fachleute sowie des Heimpersonals vor Ort umgehend ein neues, sozialverträgliches Konzept zu erarbeiten. Ein erster Schritt wäre „eine fachkundig moderierte öffentliche Diskussion der Verantwortlichen über Möglichkeiten und Vorschläge zur Erhaltung der Arbeitsplätze im Betreuungs- und Pflegebereich“. (usch)