Haushaltsdebatte in der Ratsversammlung:

Sparen, Streichen, Privatisieren?

Haushaltsdebatten sind im Geschäft des Parlamentarismus traditionell der Ort für politische Generalabrechnungen. Auch anläßlich der Debatte zum Haushalt ’97 der Landeshauptstadt in der Ratssitzung vom 12./13. Dezember ließ sich keine der vier Fraktionen diese Gelegenheit entgehen.

„Offensives Bekenntnis zur Marinestadt“

Als erster zog der kommissarische Oberbürgermeister Karl-Heinz Zimmer (CDU) Bilanz. Am Anfang seiner Rede stand die von leider allen Ratsfraktionen geteilte „bange Frage: Wird Kiel bald keine Marinestadt mehr sein?“ und daraus folgend eine Beleuchtung der übrigen, ebenfalls nicht besonders rosigen „Standortaussichten“ Kiels. HDW werde demnächst nur noch einen Personalstand von 3.000 haben, der Nord-Ostsee-Kanal gerate zunehmend ins Hintertreffen, indem die Umschiffung Skagens für immer schneller werdende Schiffe absehbar lukrativer sei. Trübe Aussichten, wie Zimmer meinte, die sich nur durch ein „offensives Bekenntnis zur Marinestadt Kiel“ und zur „Marinewerft HDW“ etwas sonniger gestalten ließen. Auch im Geschäft mit dem Hafen sah Zimmer unliebsame Widerstände in Gestalt des U-Boot-Bunkers „Kilian“: Er sei „enttäuscht, daß die Landesregierung noch immer nicht über den Antrag auf Abriß der Trümmer entschieden“ habe. Auch habe man es „noch immer nicht geschafft, Geomar von der sogenannten Schwentineflotte zu befreien.“ Ganz auf der Linie der Lobbyisten des Kapitals war Zimmer auch, wenn er das Hindernis für neue Gewerbegebiete zuforderst in einer „überzogenen Naturschutzgesetzgebung“ sah. Euphorischer und einem militärischen Sprachduktus nicht abgeneigt zeigte sich Zimmer bei der für 97/98 geplanten Hörnsanierung. Die Weichen dafür seien gestellt, die „Aktion Paukenschlag könne beginnen.“

Das wesentliche Problem der Stadt aber sei die Überschuldung. Seiner parteipolitischen Herkunft treu sah auch Zimmer in der Privatisierung das Allheilmittel zur Sanierung des Haushalts. Wie im Privatbereich müsse man sich von Eigentum trennen, wenn die Mittel knapp würden. Im Auge hatte er dabei z.B. die Kieler Wohnungsbaugesellschaft (KWG), die Stadtwerke und die städtischen Anteile an der Müllverbrennungsanlage (MVA). Nicht ganz der Linie seiner Partei folgend sah Zimmer aber auch Bonner Ursachen für den schwindenden Handlungsspielraum der Kommune: „Alle deutschen Städte sind sich darin einig, daß der Bund nicht immer wieder neue Sozialgesetze verabschiedet, die wir zu bezahlen haben. Die ganz aktuelle Forderung lautet, der Bund habe sich an der Finanzierung der Leistungen zu beteiligen, die er anordnet.“ Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die von SPD und Grünen im Haushalt angesetzten 1 Mio. DM für das Arbeitslosenticket lehnte er allerdings „freiwillige soziale Verpflichtungen“ der Stadt ab.

Privatisieren!

Zimmers Parteikollege und CDU-Fraktionsvorsitzender Arne Wulff stimmte härtere Töne an. Den Haushaltsentwurf von Rosa-Grün verdammte er in Bausch und Bogen. Dieser Haushalt orientiere sich noch immer „an der Einstellung, es gäbe etwas zu verteilen“. Wulffs ideologische Losungen für „Befreiungsschläge“: „Statt öffentlicher Mehrausgaben Sparsamkeit, statt öffentlicher Regulierung Freiheit, statt öffentlich betriebener Gesellschaften Privatisierung“. Wie Zimmer schwebte für die Aktion Privatisierung auch Wulff v.a. die KWG vor, wozu er auf ähnliche Privatisierungskonzepte in den SPD-regierten Städten Bremen und Schwerin verwies. Die hiesigen „hinterwäldlerischen Sozialdemokraten“ hegten jedoch im Gegensatz zu ihren dortigen fortschrittlichen Genossen weiterhin „Denkverbote“. Auch bei der MVA müßten Modelle für „andere Beteiligungen auf den Prüfstand“ kommen. Zu den konkreten Gegenvorschlägen der CDU zum rosa-grünen Haushalt führte Wulff desweiteren an: „Arbeit schaffen ist die beste Sozialpolitik“. Dazu müsse der Standort Kiel attraktiver gemacht werden - durch Senkung der Gewerbesteuer von 430 auf 410 Punkte. Den Einnahmeausfall von 8,3 Mio. DM könne man leicht verkraften, da schon in diesem Jahr die Einnahmen aus der Gewerbesteuer unerwartet hoch gewesen seien. Dieser seltsamen Logik des Herrn Wulff konnten aber wohl nur seine FraktionskollegInnen folgen.

Die Mittel für die Haushaltssanierung durch drastische Reduzierung der Schuldenlast will die CDU, so Wulff, aus dem Verkauf der städtischen Beteiligungen erwirtschaften. Neben den bereits genannten Beteiligungen sind für Wulff dabei auch die städtische Alten- und Pflegearbeit und das Abfallwirtschaftsamt Manöveriermasse. Ja, man könne die durch komplette Privatisierung freiwerdenden Mittel sogar „zu einem kleineren Teil in die heimische Wirtschaft fließen lassen“. Weitere Subventionen und Geschenke also für die Wirtschaft, deren stetig wachsende Gewinne Wulff und seine CDU offenbar nochmals steigern wollen.

„Trotz alledem: Es geht voran“

Die SPD, so ihr Fraktionschef Eckehard Raupach, will die Löcher im Vermögenshaushalt durch Einsparungen im Verwaltungshaushalt stopfen. Der von der CDU geforderten Senkung der Gewerbesteuer erteilte er eine deutliche Absage: „Die Bankgewinne würden etwas höher werden, die Stadt etwas kaputter und die Zahl der Kaputten in der Stadt etwas größer, wenn Sie könnten wie Sie wollen, Herr Wulff.“ Wie Zimmer verwies auch Raupach, allerdings etwas deutlicher, auf die aus Bonn kommenden Zumutungen für den städtischen Haushalt. Die Sozialhilfe sei „von einer Notversorgung längst zur Regelversorgung verkommen“. Aber auch das Land lasse die Stadt im Stich, so z.B. bei der Quote für die Jugendhilfe, die „unter scheinheiligen Vorwänden“ von ursprünglich zugesagten 34% auf 20% heruntergefahren worden sei, was die Stadt weitere 6 Mio. DM koste.

Allerdings habe auch die Regierungskoalition im Rat Fehler gemacht. Wenn ein Bürgermeister, ein Oberbürgermeister und ein Großteil der Führungscrew des Theaters „gehen müssen, haben wir alle offensichtlich Fehler in Personalentscheidungen gemacht“. Die wankelmütige Rolle der SPD-Ratsfraktion bei den angedeuteten Entscheidungen ließ Raupach allerdings unerwähnt. Den Rest seiner Rede widmete Raupach, wie es sich für eine Regierungspartei geziemt, der reihenden Auflistung wirklicher und vermeintlicher Erfolge ihrer Politik.

„Städtische Finanzen sturmreif geschossen“

Eher zahnlos wirkte die Kritik der Bündnisgrünen an den Privatisierungsplänen der CDU. Den Koalitionspartner ließ Lutz Oschmann sogar völlig ungeschoren davonkommen. Recht ausführlich listete Oschmann dagegen den die Kommunen immer mehr knebelnden Bonner Sozialkahlschlagskatalog auf. Die Bonner Koalition habe mit den diversen Maßnahmen des Sozialabbaus „die städtischen Finanzen sturmreif geschossen“. Die Gemeindefinanzen seien der „Sparstrumpf“ für die Bonner Koalition. Immer enger werde der kommunale Spielraum durch „Lasten der Deutschen Einheit, Gewerbesteueraushöhlung, das Recht auf einen Kindergartenplatz (das die Kommunen finanzieren müssen - jm), explodierende Sozialhilfeausgaben“. Gleichzeitig sänken „die Finanzzuweisungen, quasi als verstärkender Ausgleich“. Vor diesem Hintergrund blase nun auch noch die Kieler CDU „zum Generalangriff“, indem sie durch die Privatisierung „noch mit Erfolg öffentlich bewirtschafteter“ Einrichtungen wie KWG und MVA die öffentlichen Finanzen Kiel weiter dezimieren wolle. Die Finanzpolitik der CDU sei unsolide. Schon die Abschaffung der Getränkesteuer habe die Stadt 6 Mio. DM gekostet. Die 8,5 Mio. Verlust aus der von der CDU geforderten Senkung der Gewerbesteuer seien auch nicht zu decken. Die in einer der letzten Nachtragshaushalte ’96 von der CDU beantragte Abschaffung der Zweitwohnungssteuer sei ähnlich absurd gewesen, wie sich die CDU von ihrem Bürgermeister Zimmer habe vorrechnen lassen müssen. Kurzum: Das Konsolidierungskonzept der CDU sei ein „reiner Show-Antrag, durchgefallen!“.

Als Schwerpunkte der Bündnisgrünen im Haushalt listete Oschmann auf: Schul- und Jugendbereich, Frauenprojekte und soziale Sicherung, Energieeinsparungen und den Radwegebau im Rahmen des Programms „Fahrradfreundliches S.-H.“. Ferner gebe es auch durchaus Erfolge der rosa-grünen Wirtschaftspolitik in der Stadt. So seien v.a. die Anstrengungen zur Konversion von Rüstungsbetrieben im Rahmen des KONVER II-Programms erfolgreich. Wenn auch der Konkurs der Firma DST ein harter Schlag für Kiel sei, so sei dies dennoch kein Indiz für das Scheitern der Konversionspolitik, denn ohne diese wäre das Unternehmen schon viel früher verschwunden. Sein Lieblingskind, die Konversionspolitik, konterkarierte Oschmann am Ende seiner Rede jedoch erneut, indem er eine „realistische und nüchterne Einschätzung der Bundesmarine“ (siehe dazu auch den Leserbrief von Lutz Oschmann auf S. ??) forderte. Vor einem Aus der Marine haben offenbar auch die Grünen Angst. Man brauche in dieser Frage einen „möglichst breiten Konsens über Ziele, Visionen und Leitbilder“.

SUK in der Bütt

Die Politclowns von der SUK, namentlich ihr Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kottek, begnügten sich mit einer „Unernsten Rede zum Haushalt 1997“. Diese verfrühte Büttenrede hätte auf den Kieler Umschlag besser gepaßt als in den Ratssaal. Konkrete Vorschläge zum Haushalt hatte die SUK nicht vorzubringen. Lediglich mit einem Wust von Streichungsanträgen zu einzelnen Haushaltsposten machte sich die SUK in ihrer kompletten Unkenntnis der kommunalpolitischen Gegebenheiten und der geförderten Initiativen und Projekte später sogar bei der CDU unbeliebt. CDU-Fraktionschef Wulff wunderte sich in seiner Rede, daß die SUK den „richtungsweisenden Vorschlägen“ der CDU nicht folgen wolle, und fügte ironisch hinzu: „Ich räume ja ein, daß die CDU sich mit solchen Ideen schon befaßt hat, als es die SUK noch nicht mal als Embryo gab. Aber Sie haben sie dann doch in Ihr einseitiges - ich meine einblättriges - Programm zur Kommunalwahl übernommen.“

Fazit: Haushalt mit rosa-grünem Profil

Wenn auch die Bonner Politik der Kommunalpolitik kaum noch Spielräume läßt, wie fast alle RednerInnen in der Haushaltsdebatte feststellten, ist es den Grünen immerhin gelungen, der SPD einiges abzutrotzen. Letztere hätte, wie gemunkelt wurde, sich auch gerne von manchem Haushaltsposten getrennt. Gerade für Initiativen und Projektarbeit (z.B. Arbeitsloseninitiative, deren Budget die CDU vollkommen streichen wollte), sind die im Haushalt auch für 1997 bereitgestellten Mittel überlebenswichtig, wenn sie auch immer noch viel zu niedrig sind. So hat das „kleinere Übel“, eine rosa-grüne Koalition, gegenüber dem Streichwahn der Konservativen und sog. Christdemokraten gelegentlich auch Vorteile. Impulse für wirklich neue Weichenstellungen gibt es mit diesem Haushalt jedoch nicht. (jm)