Kommentar

Von Minderheiten und „Volksgruppen“

Minderheitenpolitik ist modern. Auch bei Linken, die mit Recht darauf verweisen, daß den sieben oder acht Millionen Emigranten in Deutschland nicht nur alle wesentlichen politischen Rechte verweigert werden, sondern diese auch einer Zwangsassimilation unterworfen werden. In bester preußischer Tradition übrigens, aber das nur am Rande. Auch bei der Bundes- und der schleswig-holsteinischen Landesregierung steht „Minderheitenschutz“ hoch im Kurs.

Doch Vorsicht! Minderheit ist nicht gleich Minderheit: In Flensburg, wurde jetzt ein Europäisches Zentrum für Minderheitenfragen gegründet, und es war viel von Okzitaniern, Pomaken und Albanern die Rede, von Ungarn, die in Serbien unterdrückt werden. Von „Volksgruppen“ also, mit deren Sezessionsbestrebungen man unbotmäßige europäische „Partner“ und Gegner disziplinieren könnte. Nicht gesprochen wurde hingegen von Kurden, die in Deutschland verfolgt und in der Türkei mit deutschen Waffen massakriert werden. Auch von den Emigranten schwieg man lieber, denen man noch in der dritten Generation die Staatsbürgerrechte verwehrt, oder den Bosniern, die in das Inferno ihrer „Heimat“ deportiert werden. Am „Tag der Freude für die europäischen Minderheiten“ schoben Bayern und Baden-Württemberg die erste Gruppe nach Sarajevo ab.

In der Bundesrepublik, so erfahren wir von der Bonner Regierung und den Förderern des Flensburger Zentrums, gibt es nämlich gar keine Minderheiten oder nur zwei ganz kleine: die Dänen und die Sorben. Heide Simonis erwähnt noch gerne die deutschen Sinti und Roma, hat sie aber bei der Aufzählung in ihrer  Landes- verfassung irgendwie vergessen. Über deren himmelschreiende Diskriminierung, deren Analphabetisierung in den öffentlichen Schulen schweigt sich die Ministerpräsidentin lieber aus. Das würde ja auch nur den feierlichen Rahmen stören.

Minderheiten, so erzählt man uns, sind nur solche, die auf heimischen Boden siedeln („seit unvordenklichen Zeiten“, wie Hobbyhistoriker Kanther weiß) und Bürger des Staates sind, in dem sie leben. Ein solcher Minderheitenbegriff sollte hellhörig machen. Und zwar nicht nur wegen seines aggressiven außenpolitischen Potentials, sondern auch wegen seiner antiaufklärerischen Intentionen: Die Minderheitenpolitiker der Bundesregierung wollen kollektive „Volksgruppenrechte“ im internationalen Recht verankern. Ganz bewußt setzen sie diese gegen die individuell gefaßten Menschenrechte. Eine Linke, der dazu nur das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ oder ein umgepolter Nationalismus einfällt, wird dem kaum etwas entgegenzusetzen haben.

(wop)