Leserbrief/Gegendarstellung

zu den Artikeln über die Marine in LinX 24/96

Liebe Leute,

es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn parteipolitisch nicht so genehme Beiträge in der Ratsversammlung journalistisch überspitzt wiedergegeben werden, der Kommentar und der Artikel zu meinem Beitrag am 21.11.96 in der Ratsversammlung allerdings ist objektiv fehlerhaft. Da ich schon viele Jahre an dem Thema Konversion arbeite, habe ich mich über die LinX-Darstellung sehr geärgert.

1. Die GRÜNE Fraktion hat sich immer für die Verkleinerung der BW/Marine eingesetzt und alle Reduzierungen der Truppenstärke in Kiel begrüßt. Allerdings haben wir gleichzeitig gefordert, die verbleibenden Soldaten und Zivilangestellten räumlich zu konzentrieren, damit Liegenschaften oder deren Teile zivil nachgenutzt werden können. Viele militärische Liegenschaften in Kiel sind ja echte Sahnegrundstücke direkt an der Förde. In diesen Zusammenhang gehört auch die GRÜNE Forderung der gemeinsamen zivil/militärischen Nutzung, dabei haben wir konkret immer das Marine-Arsenal genannt. Dies ist nur noch zum Teil genutzt und bietet sich an zur weiteren zivilen Verwendung: seetiefer Hafen, sehr gute Anbindung an die Eisenbahn. Zivile Mitnutzung würde in der Tat einen „sanften Übergang“ der Flächen, Gebäude und der Arbeitskräfte in neue zivile Tätigkeiten ermöglichen. Das wäre echte Konversion. Diese Forderung von uns stieß immer auf heftigen Widerstand von CDU und SPD: geht nicht, keine schlafenden Hunde wecken etc. Wenn nun das BMVg selbst eine gemeinsame Nutzung fordert und die Ratsversammlung so etwas durch Beschluß unterstützt, kann ich schlecht dagegen stimmen, da ich es als erster selbst gefordert habe. Ob damit die Bundesmarine länger bleibt, als die Finanzen es zulassen, wird sich zeigen. Ich glaube es nicht. Der zivile Übergang beschleunigt sich aber. In meiner Rede habe ich ausdrücklich auf ein gleiches Vorgehen auch für das Arsenal gedrungen.

2. Weiter habe ich Norbert Gansel kritisiert wegen seines Hinweises auf mögliche Gefährdungen aus der östlichen Ostsee, also aus den russischen Häfen. Den Besuch in Kaliningrad (nicht Leningrad) habe ich deshalb angeführt, weil ich vor Ort den Zustand der Baltischen Flotte gesehen habe. Das ist tatsächlich keine einsatzfähige Marine. Deshalb existiert diese Bedrohung objektiv nicht, deshalb die Kritik an Gansel.

3. Die Bundeswehr hat sich einen neuen Auftrag gesucht, Krisenreaktionskräfte für den weltweiten Einsatz. Trotzdem ist mein Hinweis richtig, es gibt immer noch kein überzeugendes Konzept für eine Bundeswehr, die eigentlich keine Feinde in Europa mehr hat, sondern von „Freunden“ umzingelt ist. Wenn es in der bundesrepublikanischen Gesellschaft einen Konsens über die Aufgabe der Bundeswehr gäbe, dann könnte der Wehretat, der immer noch mit 46 Mio. viel zu hoch ist, nicht ständig als Sparbüchse eines CSU-Ministers für Haushaltslöcher benutzt werden.

4. Auf die Nachfrage von Moritz (CDU) zu dem Einsatzgruppenversorger habe ich deutlich gesagt, daß die GRÜNEN den Bau dieses Kriegsschiffs ablehnen und deshalb auch eine Stationierung in Kiel. Auch diese Aussage war unüberhörbar.

Soweit meine Klarstellung zum Thema, über ein Abdrucken in eurer Zeitung würde ich mich freuen.

Mit konversionspolitischen Grüßen, Lutz Oschmann, Ratsfraktion B 90/DIE GRÜNEN