Erneut weltweite Proteste gegen den Irak-Krieg

Am 12. April kam es im Rahmen eines internationalen Aktionstages erneut zu weltweiten Protesten gegen den Irak-Krieg. Dass die Teilnehmerzahlen deutlich geringer waren als in den Wochen zuvor, konnte angesichts des Kriegsverlaufes sowie des Zusammenbruchs der irakischen Armee und des Regimes kaum verwundern. Massive Demonstrationen gab es aber wieder in Spanien, wo insgesamt etwa eine halbe Millionen Menschen u.a. in Barcelona und Madrid auf die Straße gingen und damit v.a. gegen die Haltung ihrer eigenen Regierung protestierten. Weitere Großdemonstrationen mit jeweils bis zu 50.000 Teilnehmern fanden in Rom, London, Dhaka (Bangladesh) und mehreren australischen Städten statt. In kleinerem Umfang wurde u.a. in Berlin, Oslo, Stockholm, Zürich, Sao Paolo und etwa 50 französischen Städten protestiert.

In Kiel hatte das Anti-Kriegs-Bündnis zur fünften samstäglichen Friedensdemonstration in Folge aufgerufen. Nachdem in der Woche zuvor noch 700 demonstriert hatten, waren es diesmal auch hier mit ca. 150 Menschen deutlich weniger. Die LinX dokumentiert im Folgenden die Rede des Anti-Kriegs-Bündnisses, die auf dieser Demo gehalten wurde:

“Liebe KielerInnen, liebe TeilnehmerInnen der Demonstration, in den letzten Wochen und Monaten haben global Millionen von Menschen gegen den Irak-Krieg protestiert. Auch heute wird es im Rahmen eines internationalen Aktionstages erneut zu weltweiten Protesten kommen, u.a. auch zu Großdemonstrationen in London und Washington. Hier in Kiel gehen wir heute ebenfalls zum wiederholten Male für eine friedliche Welt auf die Straße. Wir sind heute weit weniger als in den letzten Wochen und manch ein Passant mag sich fragen warum wir weiter auf die Straße gehen.Schließlich haben wir in den letzten Tagen Bilder des Jubels aus Bagdad gesehen. Viele Menschen im Irak haben die US-Soldaten als Befreier begrüßt und sich über den Sturz des Regimes Saddam Husseins gefreut. Zwar wird im Norden des Irak noch gekämpft, doch das Ende des Krieges scheint nah zu sein. Warum protestieren wir heute dennoch? Wir protestieren heute nicht, weil wir den Sturz des Hussein-Regimes in irgendeiner Weise bedauern. Wir sind solidarisch mit den Menschen, mit den Kurden u.a., die sich jetzt über den Fall des Regimes freuen, welches sie jahrzehntelang blutig unterdrückt hat.

Wir protestieren heute, weil wir IHREM Frieden, dem Frieden von Bush und Blair nicht trauen.

Wir sollten nicht vergessen, was in den letzten drei Wochen passiert ist.Zunächst haben die USA und Großbritannien einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Willen der großen Mehrheit der Menschen weltweit geführt, sich haben sich über die Proteste von Millionen von Demonstranten hinweggesetzt.
Sie haben den Krieg gerechtfertigt, indem sie gesagt haben, Saddam Husseins Regime sei eine große Gefahr für die USA und die Welt, produziere Masssenvernichtungswaffen und haben Verbindungen zu Al-Qaida.

Wie “gefährlich” das irakische Militär tatsächlich war, haben wir nun gesehen. Es wurde von den US/GB-Streitkräften in nur drei Wochen vernichtend geschlagen. Bis heute wurden keinerlei Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen oder Verbindungen zu Terroristen gefunden. Mit “eingebetteten” Reportern haben die USA versucht den Krieg als ein Live-Spektakel zu inszenieren, als einen “sauberen” Krieg, in dem es keine Opfer gibt. Dennoch konnten wir die Grausamkeit des Krieges sehen.Tatsächlich hat die US-Luftwafe massiv zivile Ziele bombardiert und dabei auch Streubomben eingesetzt. Tausende Menschen sind dabei getötet oder verletzt worden. Es gibt keine genauen Zahlen, aber die Krankenhäuser von Bagdad sind überfüllt mit den Opfern.

Weiterhin haben die US-Streikräfte mehrere Journalisten - darunter einen Al-Dschasira-Reporter - getötet, die sozusagen nicht eingebettet waren. Sie haben damit auch auf die Pressefreiheit geschossen. Nun inszenieren sich Bush und Blair als Menschenfreunde und Befreier. Tatsächlich sind die Perspektiven für die irakische Bevölkerung sehr unsicher. Neben Jubel sehen wir im Irak vor allem Verzweiflung und Chaos. Die soziale und humanitäre Lage ist katastrophal: es fehlt an medizinischer Versorgung für die zahlreichen Verletzten, Millionen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, die Ausbreitung von Krankheiten droht.
Die Bevölkerung ist nach zwei Kriegen und 12-jährigem Embargo verarmt – folglich kommt es jetzt zu massiven Plünderungen.

Die USA haben keinerlei Konzept und offenbar auch wenig Interesse an dieser Lage etwas zu ändern. Sie beschränken sich stattdessen auf die militärische Bewachung der Ölfelder. Ihnen geht es nicht um Befreiung, sondern um die Sicherung der 2. größten Erdölreserven der Welt für die US/GB-Ölkonzerne.
Sie werden versuchen eine Regierung bzw. Militärverwaltung zu installieren, die dies gewährleistet. Inwieweit ihnen das gelingt bleibt abzuwarten.
Der Krieg wird wohl bald vorbei sein, ein längerer Konflikt ist jedoch durchaus möglich. Denkbar ist eine Situation wie in Afghanistan, wo immer wieder Kampfhandlungen stattfinden und das Land in Einflussgebiete rivalisierender Clans zerfällt.

Im Nordirak zeichnet sich bereits ein weiterer Brenpunkt ab: die Kurden haben dort mit US-amerikanischer Unterstützung die Erdölstadt Kirkuk eingenommen. Hier entwickelt sich bereits ein Konflikt mit der Türkei, die einen unabhängigen Kurden-Staat vermeiden will. Momentan benutzen die USA die Kurden, aber es ist absolut möglich, dass sie erneut fallengelassen werden. Beim Konflikt um die Kontrolle der Kurden-Gebiete könnten aus den heutigen “Befreiern” schnell neue Unterdrücker werden.

Was bedeutet der baldige Sieg der US-amerikanischen und britischen Streitkräfte noch?

Die USA werden sich ermutigt fühlen weitere Kriege anzuzetteln. Die rechten, neokonservativen Vordenker der US-Administration haben mögliche Ziele bereits benannt: Syrien, Iran oder Nordkorea. Dabei müssen wir immer bedenken, dass die USA – im Gegensatz zum Irak – ein Staat sind, der über Tausende Massenvernichtungswaffen verfügt und damit gedroht hat atomare Waffen präventiv einzusetzen.

Doch nicht nur die USA, auch andere Staaten könnten sich durch dieses Vorbild ermuntert fühlen ihrerseits Präventivkriege zu führen.Die Entfremdung zwischen der westlichen und arabische Welt hat sich durch diesen Krieg massiv verschärft, viele Araber fühlen sich ohnmächtig und gedemütigt. Weiterhin ist die Gefahr neuer terroristischer Anschläge durch diesen Krieg sicherlich nicht kleiner geworden.

Was tut in dieser Situation die deutsche Bundesregierung? Und was hat sie während des Krieges getan?

Vor dem Krieg hat sie “Nein” gesagt. Während des Krieges ist sie dann zunächst abgetaucht, hat ihr “Nein” nicht aktiv vertreten, hat sich geweigert die Vökerrechtswidrigkeit dieses Krieges festzustellen. Denn wenn sie dies getan hätte, hätte sie den USA zugleich die Überflug- und Nutzungsrechte für militärische Anlagen entziehen müssen. Stattdessen hat sie eben diese Anlagen mit Bundeswehr-Soldaten schützen lassen. Weiterhin versucht die Bundesregierung nun Deutschland über die UNO wieder ins Spiel zu bringen, was die Entsendung von Soldaten, den Wiederaufbau des Irak und dabei zu erzielende Profite betrifft.
Welche weiteren Konsequenzen zieht Schröder aus dem Vorgehen der USA? Er meint, dass Europa nun in die Lage kommen müsse unabhängig von der USA zu handeln. Dazu soll der Aufbau der EU-Armee beschleunigt werden, die dann ebenfalls global intervenieren soll. Auch hier wird also aufgerüstet – eine friedliche Politik müsste anders aussehen.

Der Irak-Krieg hat uns einer friedlichen, freien Welt nicht näher gebracht – im Gegenteil. Angesichts der globalen Hegemoniebestrebungen der USA und der gleichzeitigen Aufrüstung in der EU und anderen Teilen der Welt droht uns ein permanenter, globaler Kriegszustand. Diese Perspektive ist frustrierend. Sicherlich sind momentan auch viele der Menschen entmutigt, die gegen diesen Krieg aufgestanden sind und nicht wissen wie sie diese Entwicklung aufhalten können.
Dennoch ist die globale Friedensbewegung ein Zeichen der Hoffnung. Sie ist die erste wirklich globale Bewegung und hat Millionen zusammengebracht, die nicht mehr nur zuschauen, sondern eingreifen wollen, die darum kämpfen gehört zu werden. Auch in den USA und GB haben sich große Friedensbewegungen gebildet. Bush und Blair haben noch die Macht um dies zu übergehen. Doch die Bewegung hat sie  teilweise isoliert und politisch geschwächt. Diese Bewegung sollten wir weiterhin geduldig aufbauen. Auch hier in Kiel haben sich in den letzten Wochen viele Menschen in Bündnissen zusammen getan – so z.B. im Anti-Kriegs-Bündnis oder in verschiedenen Schülergruppen. Diese Organisierung sollten wir ausbauen, Kontakte halten, diskutieren, weiterhin Gegenöffentlichkeit schaffen.

Wir fordern:

Stoppt den Krieg im Irak!

Sofortiger Abzug der Invasionstruppen!

Humanitäre Hilfe statt Besatzung!

Abzug des deutschen Militärs aus der Region!

Keine deutschen Truppen in den Irak, auch nicht als UN-Truppen!

Gegen den Aufbau der EU-Armee!

Abrüstung aller Massenvernichtungswaffen in den USA, in GB, in Frankreich, in Russland, weltweit!

Wir sagen: Gegen eine Welt der Kriege!

Eine andere, eine friedliche Welt ist möglich!”

(cg)