KernSpalte

Die Bundesregierung eiert nach wie vor zwischen publicity-trächtigen Restriktionen gegen die Atomindustrie und der technologischen Sicherung des Bestands - um nicht zu sagen: Ausbau - hin und her. Ihr Umweltminister, der in Umfragen mit verbesserten Sympathiewerten aufwartende Jürgen Trittin, hat mit großem Tamtam zwar den 1974 fertiggestellten und stets umstrittenen Reaktorblock Biblis A unbefristet stilllegen lassen, weil die Ansaugöffnungen der Notkühlpumpen viel zu klein sind, konkret ca. halb so groß wie von der Sicherheitsvorschrift verlangt, und das vermutlich schon seit Inbetriebnahme. Obwohl nach einem Vorfall im schwedischen AKW Barsebäck 1992, als losgerissenes Isoliermaterial die Ansaugpumpen verstopfte, alle deutschen AKWs angeblich auf das Problem hin untersucht wurden, blieb dieser gravierende Sicherheitsmangel jedoch mehr als zehn Jahre unentdeckt oder verschleiert. Der BBU und andere Umweltschutzorganisationen verlangen bei dieser Gelegenheit die endgültige Stilllegung, denn die Sicherheit von Biblis war schon immer kritisiert worden. Die kürzlich erfolgte umfangreiche Nachrüstung habe "nichts gebracht".

Eine Absage erteilte Trittin auch der Einrichtung eines Versuchslabors im Erkundungsschacht für das Endlager Gorleben während des Moratoriums. Immerhin aber gab er zu, dass diese Möglichkeit im Ministerium angedacht worden sei. Andererseits erteilte er, wenn auch unter Auflagen, die Betriebsgenehmigung für den Forschungsreaktor FRM II in Garching bei München, der - weltweit einzigartig - mit hochangereichertem, atomwaffenfähigem Uran (HEU) betrieben werden soll.Die Verschärfung des Entsorgungsnachweises und die verlangte Umstellung bis 2010 auf niedriger angereichertes Uran können nur mühsam einen von den USA immerwieder kritisierten Sonderweg kaschieren, der dem seligen FJS gewiss gefallenhätte - wie auch der Standort!

Ebenfalls bedenklich in diese Richtung zeigt die Kapazitätsausweitung der Urananreicherungsanlage in Gronau (NRW) von 1400 über zur Zeit 1800 Tonnen Uranoxid auf beantragte 4500 to ab 2004. Diese Menge würde ausreichen, um 36 große AKWs zu versorgen - Deutschland als Exportland für Uranbrennstoff? Der Rohstoff für die Anreicherung kommt übrigens aus der Uranhexafluoridfabrik in Pierrelatte, Frankreich, und ist für Blockaden mindestens so geeignet wie ein Castortransport. Darauf machten Initiativen aus NRW Ende März aufmerksam, als 85 to UF6 ungehindert angeliefert wurden.
Störungsfrei verlief auch ein Castortransport, der am 8. April von Neckarwestheim und am 9. April von den norddeutschen AKWs Brokdorf, Brunsbüttel,Stade und Krümmel startete.

Die vom SH-Umweltminister in Auftrag gegebene großangelegte Studie zu Ursachen von Lymphdrüsenkrebs und Leukämie, u.a. in der Elbmarsch, hat ihre Ergebnisse vorgestellt. Danach scheiden die Atomanlagen aus. Das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin macht vielmehr die Verwendung vonInsektiziden und Holzschutzmitteln in privaten Haushalten für das erhöhte Krankheitsrisiko verantwortlich. Das Risiko betreffe besonders Männer, und zwar in der Umgebung von Baumschulen und Hochspannungsleitungen. Das ergab sich aus Interviews mit 1430 erkrankten und 3041 gesunden Vergleichs-Personen. Gekostet hat den Steuerzahler diese Erkenntnis 3,25 Mio. Euro. Es wird jedoch nicht angeraten, die Gartenschädlinge in Zukunft lieber radioaktiv zu verseuchen als totzuspritzen.

              (BG)