“Landtagsdebatte zur Bekämpfung des Frauen- und Mädchenhandels”

Die Thematik Frauenhandel in Schleswig-Holstein taucht immer mal wieder in der öffentlichen Diskussion auf – zuletzt in der 32. Tagung des Landtages im April. Anlass, einmal die gleichen Fragen an contra zu stellen, auf die anlässlich des Berichtauftrags der Landtagsfraktionen die Ministerin für Justiz, Frauen, Jugend und Familie geantwortet hat.

contra ist die Beratungs- und Koordinierungsstelle für Betroffene von Frauenhandel in Schleswig-Holstein. contra arbeitet seit vier Jahren in der Trägerschaft des Nordelbischen Frauenwerkes. Begonnen hatte contra als dreijähriges Modellprojekt. Mit einer groß angelegten Kampagne im Jahre 2002 wurde erreicht, dass contra weiterhin aus Mitteln des Landes gefördert wird – allerdings mit reduzierten Fördermitteln. Um die Arbeit von contra sicherzustellen, erhöhte das Nordelbische Frauenwerk seinen Anteil an der Finanzierung wesentlich – von 18 % jährlich während der Modellphase auf 51,6 % jährlich seit 2002.
Angesichts des starken Bedarfes an Beratung und Unterstützung in Schleswig-Holstein war eine Weiterführung des Angebotes von contra auch absolut notwendig.
Frauenhandel ist in Schleswig-Holstein sehr verbreitet. contra gibt an, in den letzten vier Jahren 219 Frauen beraten zu haben. Die Beratung ist sehr intensiv und umfasst Krisenintervention, psychosoziale Beratung und Begleitung, Unterbringung, Klärungen der ausländerrechtlichen und sozialrechtlichen Situation (auch Behördengänge mit den Frauen), Unterstützung bei Gerichtsverfahren, Organisation und Unterstützung bei der Ausreise.

Die betroffenen Frauen sind oftmals sehr jung und kommen vorwiegend aus den mittel- und osteuropäischen Staaten, dem Baltikum und aus Afrika.
Der Beratungsbedarf stieg und steigt mit zunehmender Bekanntheit von contra. Personell ist contra jedoch nur mit 2 Mitarbeiterinnen ausgestattet, die jeweils eine 75 %- Stelle besetzen.

Um die Beratung landesweit sicherzustellen, sind Kooperationen mit vielen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen nötig. Dies sind i.d.R. Kriminalpolizeistellen, Ausländerbehörden, Sozialämter, Unterbringungsorte, Gesundheitsämter, Frauenprojekte, entsprechende Organisationen in den Herkunftsländern etc. contra leistet in diesem Zusammenhang auch die erforderliche Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit.

Frauenhandel ist eine Menschenrechtsverletzung und als Nichtregierungsorganisation sieht contra den eigenen Auftrag, im Rahmen der Koordinierungs- und Vernetzungstätigkeiten auf diese Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen und auf entsprechende Verbesserungen der strukturellen Rahmenbedingungen hinzuwirken: landesweit, bundesweit, international.

Nur entsprechende Rahmenbedingungen, die der Situation von Frauenhandel betroffener Frauen angemessen begegnen und umfassende Unterstützung und Beratung ermöglichen, können langfristig Verbesserungen für die Frauen erbringen.

Umso mehr erstaunt es, den Bericht der Ministerin zu lesen unter www.lvn.ltsh.de/infothek/wahl15/drucks/2500/drucksache-15-2562.pdf. Hier steht “die Aufgaben im Rahmen der Kooperations- und Vernetzungsarbeit mit dem Ziel präzisieren und konzentrieren (zu wollen), dass den Beratungskräften künftig mehr Zeit für ihren Aufgabenschwerpunkt – die Beratung und Betreuung – zur Verfügung steht.” Als Vorschlag zur Optimierung benennt die Landesregierung die Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements in die Arbeit von contra. Bürgerschaftliches Engagement scheint derzeit wieder ein Vorschlag zu sein, der landauf, landab angesichts der leeren Kassen greift.

Erfreulich jedoch, dass die Landtagsfraktionen in ihren Redebeiträgen darauf hingewiesen haben, dass bürgerschaftliches Engagement sicherlich nicht die geeignete Lösung sein könne. Vielmehr solle darauf hingewirkt werden, dass die Mittel aus der Gewinnabschöpfung, die derzeit in die allgemeine Landeskasse fließen, den Opfern selbst zukommen. Darüber hinaus solle die Fachberatungsstelle aus diesen Mitteln in ihrer Arbeit unterstützt werden.

Die Landesregierung sieht hierfür keine Möglichkeit, da dies eine Abkehr vom Haushaltsgrundsatz sei. Allerdings haben das Land Baden-Württemberg und Hamburg eben diese Möglichkeit mittels Sockelbeträgen in deren Gesetzgebung verankert.Auf diese Weise könnte dann auch die angefragte Schutzwohnung finanziert werden, die für eine adäquate Unterbringung dringend notwendig wäre und für die das Land sowie die Kirche derzeit keine Mittel bereitstellen können.
Auf die Frage nach der Veränderung ausländerrechtlicher Rahmenbedingungen, die einen besseren Schutz der Opfer ermöglichen könnte, antwortet die Landesregierung im Grunde, dass diese nicht notwendig sei. Anders als z.B. in Italien gibt es jedoch keine rechtliche Grundlage, die Zeuginnen trotz ihrer Mitwirkung im staatlichen Interesse ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht einräumt, da häufig eine Gefährdung der Frauen in ihren Herkunftsländern aufgrund ihrer Aussagen besteht. Für eine präventive Bekämpfung des Frauenhandels wäre es zudem äußerst wichtig, die ausländerrechtliche Möglichkeit einzuführen, zum Zwecke der Prostitution nach Deutschland einzureisen (Arbeitsmigration). Hier auf die Bundesgesetzgebung durch das Land Schleswig-Holstein entsprechend einzuwirken, wäre ein begrüßenswertes Engagement.

Auf Anfrage zum Bericht sagte contra: “Es ist gutes Signal, dass auch seitens der Landtagsfraktionen einhellig Handlungsbedarf zur Verbesserung der Situation betroffener Frauen gesehen wird. Dies entspricht dem Ziel unserer verschiedenen Aktivitäten, mit denen wir immer wieder auf diese Themenbereiche aufmerksam machen und Veränderungen anstreben. Wir sehen im Bereich der Einhaltung der Menschenrechte noch großen Handlungsbedarf, wobei auch staatliche Unterstützung gefragt ist. Die durch die Fraktionen benannte Wertschätzung unserer Arbeit und des großen finanziellen Engagements unserer Trägerin unterstützt unsere Motivation in der täglichen Arbeit.”

(gho)