Kommentar

Gärungsprozesse

Man sollte meinen, eine linke Partei hat in Zeiten wie diesen, da die Schröder-Fischer-Bande zum Generalangriff an der Heimatfront geblasen hat, Besseres zu tun, als sich über Personalfragen zu streiten. Weit gefehlt, aber bei den so genannten Reformern der PDS tickten die Uhren schon immer etwas anders. (Allein die Sprachregelung der bürgerlichen Presse ist schon orwellesk: "Reformer" heißen diejenigen, die in Berlin und McPomm für Zerschlagung des Flächentarifs, Sozialabbau und Lohnraub verantwortlich sind, "Orthodoxe" diejenigen, die dagegen opponieren.)

Einer ihrer Ghostwriter Dieter Klein hatte einen umfangreichen Kommentar zur aktuellen Programmdebatte vorgelegt, und im Duett mit der Parteivorsitzenden Gabi Zimmer verlangt, der Bundesvorstand habe darüber zu diskutieren, und zwar sofort. Nach Darstellung der "Reformer" um André Brie, Wolfgang Gehrcke und Gregor Gysi (der sich diesmal im Hintergrund hielt) soll es sich um eine aktuelle politische Intervention gehandelt haben. Tatsächlich handelt es sich aber um ein voluminöses (24 LinX-Seiten könnte man mit ihm füllen) programmatisches Allerlei, dazu reichlich nebulös und unkonkret, d.h. nicht gerade geeignet, eine Antwort auf die jüngsten Angriffe der Schröderschen "Agenda 2010" zu geben. Wer es überprüfen will kann unter www.sozialisten.de nachlesen. Von Frieden über Demokratie bis hin zur Umwelt- und Wirtschaftspolitik wird alles abgehandelt. Allerdings war dem Autor, obwohl er schon zum allgemeinen Rundumschlag ausholte, der alltägliche rassistische Terror, mit dem Millionen Einwanderer zu leben haben, einen eigenen Abschnitt wert. Auch fiel zum x-ten Male in Dokumenten, die von "Reformern" eingebracht wurden, der Lohnausgleich bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung hinten runter. Aber das ist für Leute wie Ex-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der jetzt in Immobilien macht und "nie wieder so schlecht verdienen" will, wie bisher im Bundestag, kein Thema, das auf den Nägeln brennen würde.

Wie dem auch sei. Das Klein-Konvolut wurde vom Vorstand am letzten Aprilwochenende um einen Monat vertagt. Man hielt mit knapper Mehrheit anderes für wichtiger, u.a. eine so genannte Sozialkampagne, mit der auf die "Agenda 2010" geantwortet werden soll. Doch der haben die "Reformer" inzwischen erfolgreich die Show gestohlen. Sofort nach der Vorstandssitzung preschten verschiedene ostdeutsche Landesfürsten, darunter der skandalerprobte Helmut Holter aus Schwerin vor und forderten einen Sonderparteitag, auf dem missliebige Vorstandsmitglieder wie der neue Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch, der vor einigen Jahren von der SPD übergewechselt war, abgewählt werden sollen. Begierig griffen die Medien das Thema auf, zumal Vorsitzende Zimmer mit einer Pressekonferenz, auf der sie eigentlich die Sozialkampagne hätte vorstellen sollen, nachhalf

Schröder wird sich freuen, dass sich die einzig nennenswerte potenzielle Opposition in den Parlamenten gegen seine Sozialraubpolitik selbst blockiert. Für die Linken bleibt nur zu hoffen, dass es in der PDS endlich den überfälligen Klärungsprozess gibt, und die Parteilinken sich durch- oder eher absetzen. Dann wäre der Weg endlich offen für neue Projekte, die sich selbstverständlich auf die außerparlamentarische Opposition konzentrieren müssen.

   (wop)