Langweilig: der Verfassungsschutzbericht 2002

Die Lage ist stabil, erfordert aber weiter höchste Aufmerksamkeit.” Mit diesen Worten stellte Innenminister Klaus Buß, SPD, den Bericht für das Jahr 2002 des Landesamtes für Verfassungsschutz der Öffentlichkeit vor. Die Informationen waren wie gewohnt spärlich und  boten wenig Neues, auf eine politische Bewertung wurde von vorneherein verzichtet.

Nach den Zählungen des Verfassungsschutzes war die Anzahl von Anhängern der extremen Rechten mit 1410 leicht rückläufig. Allein das parteiungebundene neonazistische Spektrum der “Freien Nationalisten” konnte einen Anstieg auf geschätzte 550 Mitglieder verzeichnen. Schwerpunkte neonazistischer Aktivitäten sind weiterhin Kiel, Lübeck, Neumünster, Pinneberg, feste Strukturen haben sich im Raum Elmshorn, Geesthacht und Rendsburg herausgebildet. Nach der Übernahme des NPD-Landesverbandes durch bekennende Neonationalsozialisten im Oktober des Jahres 2001 verlor die NPD weiter an Mitgliedern. Geringe Aktivitäten gingen alleine von dem aktionistisch, neonazistisch ausgerichteten Teil aus. Die Zahl von Straftaten mit extrem rechten Hintergrund wird mit insgesamt 317, davon 56 Gewalttaten, im Gegensatz zum Bundestrend als rückläufig beschrieben. Auf die Definition einer “rechtsextremistischen Straftat” wurde allerdings erneut verzichtet. Im letzten Jahr waren genau diese in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert worden, nachdem bekannt geworden war, dass verschiedene Landesverfassungsschutzämter mit dem Begriff “Rechtsextremismus” kreativ umgegangen waren und so ihre Statistiken nach unten korrigiert hatten. Im Zusammenhang mit der Anti-Antifa-Arbeit berichtet der VS weiter, dass bei verschiedenen Hausdurchsuchungen sog. Erfassungsbogen und Listen mit personenbezogenen Daten von vermeintlichen politischen Gegnern und Informationen zu Treffpunkten und “Versammlungsadressen” gefunden wurden. Die betreffenden Personen und Objekte wurden hiervon allerdings nicht informiert.

Zu dem inzwischen gescheiterten NPD-Verbotsverfahren steht in dem Bericht nichts. Dies ist wenig überraschend, hatte sich doch VS und Innenministerium in Schleswig-Holstein bezüglich des Verbotsantrages überaus bedeckt gehalten, obwohl sich gerade in Schleswig-Holstein der offen neonationalsozialistisch Flügel innerhalb der NPD durchgesetzt hatte. Ob dies mit einer möglichen Infiltration der Partei durch Mitarbeiter des VS zusammenhängt, ist offen. Zu dem einzig bisher bekannt gewordenen Fall, ein Mitglied des NPD-Kreisverbands Lübeck arbeitete für den Verfassungsschutz, schweigt sich der Bericht jedenfalls aus.
Nicht erwähnenswert schien den Verfassungshütern auch eine weitere qualitative Veränderung, die das Lager der extremen Rechten zumindest unmittelbar berührt: die Gründung eines Landesverbandes der rassistischen Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO oder Schill-Partei).

Noch mühsamer wird das Lesen des VS-Berichtes beim Kapitel III. “Linksextremismus”: insgesamt 860 Personen werden als “linksextremistisch” eingestuft, darunter 360 Autonome. Letztere werden zwar als politisch bedeutungslos eingestuft und es wird offen auf ihren endgültigen Verfall spekuliert, trotzdem werden sie für zahlreiche angebliche Straftaten – insbesondere im antifaschistischen Bereich – verantwortlich gemacht.

Deswegen, so der Innenminister, gebe es “keine Form staatlicher Toleranz” und alle Demokraten seien dazu verpflichtet, Autonome zu ächten und Bündnisbestrebungen eine deutliche Absage zu erteilen. Insgesamt wirkt das Ganze etwas konstruiert: so lässt sich der VS-Bericht auf über eine Seite über eine Debatte über “bewaffnete und militante Politik” aus, um im letzten Satz festzuhalten, dass diese Debatte in Schleswig-Holstein keine Rolle spielt. Aber immerhin erhielt die RAF fünf Jahre nach ihrer offiziellen Auflösung kein eigenes Kapitel mehr.

Zum Thema “Extremistische Bestrebungen von Ausländern” nur soviel: ein Schwerpunkt lag natürlich auf der Bedrohung durch den “islamistischen Terrorismus”, auch wenn nur einzelne Personen über Kontakte zu derartigen Strukturen verfügten. Insgesamt haben nach der Erbsenzählerei des VS alle beobachteten Gruppen an Mitgliedern und Anhängern, egal ob sie einen linken, nationalistischen oder religiös fundamentalistischen Ansatz verfolgen.

    (ima)