Attac-Frauenkongress:

"Das trifft vor allem Frauen"

Vom 9. bis zum 11. Mai findet in Köln der Kongress ”Dienste ohne Grenzen? GATS, Privatisierung und die Folgen für die Frauen” statt. Organisiert wird er unter anderem von der bekannten Feministin Maria Mies. Sie ist emeritierte Professorin und lebt in Köln. Dirk Eckert sprach mit ihr. Das Interview erschien zu erst in der jungen Welt. Wir drucken es mit freundlicher Erlaubnis des Autors ab. Weitere Texte von ihm sind im Internet unter www.dirkeckert.de zu finden.

LinX: In der WTO wird gerade über das Dienstleistungsabkommen GATS verhandelt. Sie haben die Verhandlungen wegen fehlender Demokratie und Transparenz kritisiert. Richtet sich Ihre Kritik nur gegen die Art der Verhandlungen oder auch gegen das GATS selber?
Maria Mies: Auch der Inhalt ist ein einziger Skandal: Sämtliche Dienstleistungsbereiche sollen privatisiert, globalisiert und dereguliert werden. Das umfasst ein breites Spektrum von Bereichen, die notwendig sind zur Daseinsvorsorge: etwa Wasserversorgung, Abwasser, Nahverkehr, Bildung, Gesundheitsversorgung, soziale Dienste usw. Diese Bereiche waren bisher unter Kontrolle der öffentlichen Hand, und jeder Mensch hatte einen Anspruch auf diese Dienstleistungen, und zwar zu erschwinglichen Preisen. Das wird sich automatisch ändern, wenn diese Dienstleistungen als Waren auf dem internationalen Markt von großen Dienstleistungskonzernen angeboten werden. Aber da winken ungeheurere Profite, die in anderen Bereichen, etwa beim Handel mit Autos, gar nicht mehr erzielt werden können.

Würde es denn genügen, die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge und soziale Regulierungen aus den Verhandlungen herauszunehmen, oder lehnen Sie den Handel mit Dienstleistungen grundsätzlich ab?

Ich lehne das grundsätzlich ab, aber es wäre natürlich schon ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man die Daseinsvorsorge herausnähme. Dienstleistungen sind einfach etwas anderes als Waren wie Autos oder Kühlschränke. Nehmen Sie die sozialen Dienste: Altenversorgung, Kindergärten, alles, was die Menschen brauchen, um in einem Gemeinwesen menschlich leben zu können. Wenn diese Dienste von rein profitorientierten internationalen Konzernen abhingen, dann wäre nicht mehr sichergestellt, dass überhaupt die Daseinsvorsorge für alle gesichert ist. Oder sie werden zu Preisen angeboten, die für die meisten unbezahlbar sind, wie wir es in Cochabamba in Bolivien mit dem Wasser erleben. Außerdem sinkt die Qualität der Dienstleistungen, wie schon in England geschehen. Die soziale Polarisierung zwischen denen, die sich Schule, Krankenhäuser, Wasserversorgung noch leisten können und denen, die sie sich nicht mehr leisten können, nimmt zu.

Im Mai findet in Köln ein internationaler Kongress zum GATS und den Folgen für die Frauen statt, den Sie mit organisieren. Inwiefern sind Frauen vom GATS besonders betroffen?

Die Mehrzahl der Arbeitskräfte im Dienstleistungsektor sind überall auf der Welt Frauen. Bei Privatisierungen werden als erstes Arbeitskräfte reduziert. Das trifft also vor allem Frauen, die bisher in diesen Dienstsleistungsbereichen ihre Arbeit gefunden haben, sei es im Gesundheitsbereich, im Schulbereich, in der Verwaltung, bei den Banken oder im Tourismus. Auch als Kundinnen sind sie betroffen: Besonders für alleinerziehende Mütter sind viele Dienstleistungen dann nicht mehr erschwinglich.

Zum Kongress kommen auch Referentinnen aus den Ländern des Südens, etwa aus Indien und Bangladesh. Inwiefern ist GATS auch ein Nord-Süd-Thema?
In den Ländern des Südens ist die Politik der Privatisierung, Liberalisierung und Globalisierung des Dienstleistungsbereichs schon viel früher vorangetrieben worden, und zwar durch die Strukturanpassungsprogramme von Weltbank und IWF. Deren Auflagen sehen vor, alle Subventionen in diesen Bereichen zu streichen, z.B. für kostenlose Gesundheitsversorgung oder Grundschulen. Deshalb haben wir ganz bewusst Frauen aus den Ländern des Südens eingeladen, damit sie darüber berichten können, was diese Politik für die Bevölkerung und besonders für die armen Frauen bedeutet. Die Politik des GATS ist nichts anderes als die Politik von Weltbank und IWF und deren Strukturanpassungsprogrammen, auch für die Industrieländer.

Gibt es Alternativen zu dieser Politik?

Wir machen den Kongress nicht nur, um zu analysieren und anzuklagen, sondern vor allen Dingen, um voneinander zu lernen Wir haben z.B. Aktivistinnen aus Kanada eingeladen. Dort haben verschiedene Städte, Vancouver etwa, der Regierung gesagt, dass sie das GATS in ihren Kommunen nicht akzeptieren werden. Oder aus Österreich: Dort schließen sich Städte zusammen und erklären sich zu GATS-freien Zonen. Aber das setzt voraus, dass die Bevölkerung aufgeklärt ist, dass sie weiß, worum es geht. In Deutschland ist dieser Widerstand bisher sehr unterentwickelt.