Internationale Konferenz in Berlin:

Europäisches Sozialforum vorbereitet

Der Zug rollt. Unaufhaltsam. Europas soziale Bewegungen, Gewerkschaften und Globalisierungskritiker finden langsam zueinander, und zwar – das liegt in der Natur der buntscheckigen, internationalen Gesellschaft, die sich da versammelt – eher als quirliger Ameisenhaufen, der manchem Beobachter chaotisch erscheinen mag, denn als wohlorganisierte Phalanx. Allein 300 Delegierte kamen am letzten Aprilwochenende in Berlin zusammen, um das nächste Europäische Sozialforum (ESF) vorzubereiten. Wie auf derartigen Konferenzen üblich ging es nicht ohne ein gerüttelt Maß an Selbstdarstellung ab, die ein universelles Bedürfnis zu sein scheint. Dennoch kann sich das Ergebnis – im wesentlichen die inhaltliche Ausgestaltung der Tagesordnung für das zweite ESF im November im französischen Saint Denis – durchaus sehen lassen.

In dem Pariser Vorort hofft man, an den Erfolg des ersten derartigen Treffens im November letzten Jahres im italienischen Florenz anzuknüpfen. Seinerzeit waren weit über 30.000 Aktivisten aus den sozialen Bewegungen Europas, aus Gewerkschaften, Frauen-, Migranten-, und Umweltorganisationen zusammengekommen, um fünf Tage lang über gemeinsame Ziele und Strategien zu beraten.
Seitdem sich im Januar 2000 zum ersten Mal die internationale globalisierungskritische Bewegung zum Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre traf, haben sich in einer ganzen Reihe von Ländern lokale und nationale Sozialforen gegründet. In Deutschland steckt die “Initiative für ein Sozialforum in Deutschland”, die das Berliner Vorbereitungstreffen ausrichtete, noch in den Kinderschuhen.

Dennoch hat man mit aktiver Unterstützung der örtlichen ATTAC-Gruppe eine recht erfolgreiche Vorbereitungskonferenz auf die Beine gestellt. Räume stellten die Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Allgemeine Studierendenausschuss der Technischen Universität zur Verfügung, die IG Metall spendierte eine Anlage für Simultanübersetzung. Die Berliner PDS-Senatoren hatten den Veranstaltern zwar Wohlwollen signalisiert, das allerdings platonisch blieb. Räume oder Zuschüsse gab es nicht.

Eines der wesentlichen Ergebnisse des Berliner Treffens sieht Erhard Crome von den Organisatoren darin, dass man sich bereits auf die wesentlichen Umrisse einer Tagesordnung für Saint Denis geeinigt habe. Damit sei im Gegensatz zu Florenz wesentlich mehr Zeit für die inhaltliche Vorbereitung und das Absprechen sowie Einladen von Referenten und Rednern. Wie auf dem ersten Forum soll die Großveranstaltung wieder in große Konferenzen und Plenardebatten sowie unzählige kleinere Seminare unterteilt werden. Schwerpunkte werden unter anderem der Kampf gegen den Krieg, und die Zerschlagung des öffentlichen Dienstes sowie für die Rechte der Einwanderer sein.

Gewisse Mängel waren auf der Berliner Vorbereitungskonferenz nicht zu übersehen: Das Projekt noch immer ein vornehmlich weißes und westeuropäisches. Ersteres wird sich hoffentlich im November ein wenig abmildern, denn in Frankreich sind die Einwanderer besser als hierzulande organisiert und vor allem mehr in die sozialen Kämpfe integriert. Die französischen Organisatoren haben zugesagt, die Strukturen der Einwanderer einzubeziehen und einige Gruppen waren auch in Berlin vertreteten. Doch die mangelnde Beteiligung aus Osteuropa, und zwar inklusive der EU-Beitrittsländer, bleibt ein Problem. Gegenüber vorherigen Delegiertentreffen hat es in Berlin sogar einen Rückschritt gegeben. Das liegt in einigen Ländern an der Isolation und geringen Größe dortiger Gruppen. Mehr noch ist allerdings schlicht fehlendes Geld für Fahrtkosten das Problem. Hier wären die wohlhabenderen Organisationen im Westen gefordert, doch beim DGB war man “noch nicht so weit”, zur Unterstützung osteuropäischer Gewerkschafter in die Tasche zu greifen.

Wie in Florenz soll auch das zweite ESF mit einer Großdemonstration und einer Versammlung der sozialen Bewegungen abgeschlossen werden. Auf der werden gewöhnlich konkrete gemeinsame Kampagnen verabredet. Auf diese Regelung hatte man sich seinerzeit in Porto Alegre geeinigt, um die Foren vor allem Als Ort des Austausches offen zu halten. Im Namen der Foren sollen keine Beschlüsse gefasst werden, um unnötig polarisierende Debatten zu vermeiden. Wer dennoch internationale Aktionen verabreden will, hat dazu am Rande – vor allem in der Versammlung der sozialen Bewegungen – genug Gelegenheit. Dennoch warben in Berlin vor allem Vertreter der britischen Sozialistischen Arbeiterpartei, der Mutterorganisation der hiesigen Linksruck-Gruppe, vehement dafür, das ESF zu einem Ort umzufunktionieren, auf dem vor allem Kampagnen beschlossen und Resolutionen verabschiedet werden. Bei der Mehrheit der Delegierten stießen sie damit allerdings auf wenig Gegenliebe.

Am Rande des Berliner Treffens fand auch eine gut besuchte internationale Antikriegskoordination statt, zu der selbst aus den USA Vertreter angereist waren. Dort einigte man sich darauf, parallel zum ESF in Saint Denis eine europäische Friedenskonferenz abzuhalten, auf der, wie Hugo Braun von ATTAC Deutschland meint, “dem militärischen Projekt Kerneuropas ein friedliches Modell entgegengesetzt werden soll”. Debattiert wurde unter anderem auch ein internationales Tribunal gegen die USA und Großbritannien, deren Krieg und Besatzungsregime einhellig verurteilt wurden. Umstritten war ein Vorschlag für einen weiteren globalen Aktionstag, der an den Erfolg vom 15. Februar anknüpfen soll. Seinerzeit waren weltweit 12 bis 16 Millionen Menschen gegen den Krieg auf die Straße gegangen. Manche Teilnehmer hielten eine Wiederholung für unrealistisch. Der Vorschlag soll Ende Mai in Rahmen der Konferenzen gegen das Treffen der G-8-Staaten im französischen Evian weiterdiskutiert werden.

 (wop)