Vor 70 Jahren: Bücherverbrennung auf dem Wilhelmplatz

Wie überall im Deutschen Reich wurden am 10.5.1933 auch in Kiel auf dem Wilhelmplatz "undeutsche" Bücher verbrannt. Mit diesen Aktionen wollten die Nationalsozialisten ein Signal setzen, um Auffassungen und Gedanken, die mit der nationalsozialistischen Ideologie nicht übereinstimmten, zu vernichten. Zu den Ideen, die mit dem Nationalsozialismus nicht vereinbar waren, zählten z.B. kommunistische, sozialistische und sozialdemokratische Vorstellungen, wie sie u.a. von Karl Marx, Friedrich Engels und August Bebel vertreten wurden. Die Forschungen zur Psychoanalyse, die von Freud erst in den zwanziger Jahren begründet worden waren, durften nicht mehr gelesen werden, die Bücher von Freud, Adler und Jung als führende Psychoanalytiker wurden vernichtet. Verboten wurden auch die Bücher von kritischen Schriftstellern wie Thomas Mann, der Anfang des Jahrhunderts den Roman "Die Buddenbrooks" über eine Lübecker Kaufmannsfamilie schrieb, oder Kurt Tucholsky, der in seinen Schriften die demokratische Verfassung der Weimarer Republik verteidigte.

Auch der jüdische Schriftsteller, Neurologe und Psychiater Alfred Döblin (u.a. "Berlin, Alexanderplatz") zählte ebenso zu den "verbrannten Dichtern" wie auch die Jugendbuchautorin Else Ury, die wahrscheinlich 1943 in einem Konzentrationslager in Polen ermordet wurde. Else Ury schrieb u.a. die bis zum Verbot sehr beliebten "Nesthäckchen"-Bücher.

Die Bücherverbrennung in Kiel wurde vorbereitet durch studentische “Kampfausschüsse wider den undeutschen Geist" und bildete den Abschluß angeblich spontaner Aktionen, bei denen Bücher aus den Bibliotheken entfernt und Hochschullehrer, die verbotene Literatur im Unterricht empfahlen, von nationalsozialistischen Studenten angegriffen wurden. In zwölf "Thesen wider den undeutschen Geist", die bereits einen Monat vorher in der Kieler Zeitung veröffentlicht wurden, wurde erklärt, was an den Hochschulen als "deutsch" zu gelten habe. In den Thesen 5. und 6. hieß es z.B. "5. Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter. Der Student, der undeutsch spricht und schreibt, ist außerdem gedankenlos und wird seiner Aufgabe untreu. 6. Wir wollen die Lüge ausmerzen. Wir wollen den Verrat brandmarken. Wir wollen für den Studenten nicht Stätten der Gedankenlosigkeit, sondern der politischen Erziehung."

Zur Bücherverbrennung selbst wurde öffentlich aufgerufen. Den Auftakt bildete ein Vortrag in der Universitätsaula von Prof. Weinhandl, dann wurde mit einem Fackelzug zum Wilhelmplatz gezogen, auf dem dann stellvertretend für die Vernichtung fortschrittlichen Gedankenguts die Bücher von zahlreichen von den Nationalsozialisten verfemten und verfolgten Schriftsteller/innen ins Feuer geworfen wurden.

Aus: Arbeitskreis Asche-Prozeß (AKAP, Hrsg.): Antifaschistische Stadtführungen. Kiel 1933-1945. Stationen zur Geschichte des Nationalsozialismus in Kiel. Kiel 1998, S. 10.