Hartz IV und das Kieler Modell:

Der Druck auf die Arbeitslosen wächst

Die 45 Teilnehmer am Attac-Plenum am 13.10.04 in Kiel waren sehr gespannt, was die Umsetzung des "Kieler Modells" von Hartz IV für Kiel bedeutet. Der eingeladene Leiter des Sozialamtes Alfred Bornhalm war gut vorbereitet. Mit Folien, die auch im Internet unter www.kiel.de zu finden sind, versuchte er das Kieler Modell zu erläutern. Einige Teilnehmer hatten sehr konkrete Fragen, auch rechtlicher Art, was die Folgen für die Arbeitslosen betrifft und starke Zweifel ob die Gesetze so wie angekündigt überhaupt umgesetzt werden können. Es wurde bestätigt, dass es viele Dinge (Sachverhalte) gibt, für die es noch keine klare Regelungen gibt, wie z.B. die Zumutbarkeitsregelungen und was angemessener Wohnraum ist. Der Sozialamtsleiter wies darauf hin, dass es noch viele Korrekturen durch das Sozialgericht erwartet werden.

Von attac-Sprechern wurde daraufhin gewiesen, dass die Hartz-Reform generell abgelehnt werden, weil sie im Wesentlichen das Ziel habe, das gesamte Lohnniveau zu senken um damit bessere Wettbewerbsbedingungen und Steigerung des Profits zu bewirken. Eine Umverteilung des Reichtums von oben nach unten durch höhere Besteuerung der Reichen sei notwendig.

"Die formative Kraft des Faktischen" werde automatisch zu einer Senkung des Lohnniveaus führen, so die Meinung des Sozialamtsleiters.
Der Sozialamtsleiter stellte demgegenüber das Kieler Modell als Maßnahme vor, die  Menschen dazu bringt wieder selbst aktiv zu werden. Ab dem 1.1.2005 sind sowohl 19.000 Kieler Sozialhilfeempfänger, wie auch die 10-11.000 Arbeitslosenhilfeempfänger finanziell und rechtlich gleichgestellt. In den einzelnen Stadtteilen werden Sozialzentren eingerichtet. Jedem Arbeitslosen wird dort ein so genannter Fallmanager zugeteilt, der ihn in allen Fragen vertrauensvoll begleitet. Gemeinsam soll für jede/n ein individueller Plan entwickelt werden, der auch Fortbildung- und Weiterbildungsmaßnahmen enthalten kann. Hilfe durch Dritte, wie Schuldnerberatung, Drogenberatung oder Kinderbetreuung sollen durch Zusammenarbeit mit dem Fallmanager erarbeitet werden. Gibt es keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Fallmanager, der ja über den Pflichtfragebogen der Arbeitsagentur genaue Kenntnisse über die finanziellen, beruflichen und persönlichen Lebensumstände des "Kunden" informiert ist, greifen auch Sanktionen, die zur zeitweiligen Leistungskürzung führen können. Auf den so genannten "Hilfeplan" durch den Fallmanager hat jeder Arbeitslose einen Rechtsanspruch, der gilt allerdings nicht für Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen.Zentral für Kiel soll für alle Jugendlichen unter 25 Jahren ein spezielles Amt zuständig sein, was sich im Jobcenter der ehemaligen KIBA befindet. Eigene zentrale Teams gibt es für Hochschulabsolventen und für Behinderte und Kranke ist das Reha-Team zuständig.

In welchen Tätigkeiten sollen die Arbeitslosen untergebracht werden und wie sieht es aus mit den 1-Euro-Jobs? Das war die Frage, die den Teilnehmern des Attac-Plenums unter den Nägeln brannte. Hier ist von der Stadt Kiel geplant so genannte "Arbeitsgelegenheiten die im öffentlichen Interesse liegen" einzurichten. Zur Zeit seien dies ca. 750-900 Stellen, die aber auf 2000-3000 erweitert werden sollen, z.B. in Kindergärten, Küchen, pädagogischen Tätigkeiten oder Hausmeisterjobs zu unterschiedlichen Zeiten und Löhnen. Möglich wären vergütungen von 0,5 - 2,5 Euro bei maximal täglich 6 Stunden an 5 Tagen. Der Fallmanager darf hier nicht überziehen und muss "gegensteuern", was die Arbeits- und Lohnbedingungen betrifft.

Wie zu erwarten, gab es eine längere heiße Auseinandersetzung, in der sich auch ein Betriebsratsmitglied der AWO meldete und erklärte, dass sie mit allen Mitteln verhindern werden, dass die AWO solche Billigjobs zur Verfügung stellt. Zum einen würde es dazu führen, das ausgebildetes Fachpersonal unter Druck gesetzt und entlassen wird und zum anderen seien die Qualifikation der  Arbeitslosen unzureichend und es sei ihnen nicht für 1 Euro zuzumuten. Von anderen wurde auf die Forderung nach einem Existenzgeld für alle und Mindestlöhnen, die zum Leben reichen hingewiesen.

Auf die Frage, wie Hartz IV und das Kieler Modell denn in Kieler Betrieben Arbeitsplätze auf dem "ersten Arbeitsmarkt" schafft, darauf gab es wie erwartet keine Antwort. Von Attac-Sprechern wurde in diesem Zusammenhang eine drastische Arbeitszeitverkürzung entsprechend der gestiegenen Produktivität in der Produktion gefordert.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass das Kieler Modell nichts anderes ist, als nur die reine Umsetzung der Hartz IV-Reform. Es dient dem verschärften Druck auf das Lohnniveau und der Schaffung von Zwangsarbeitsverhältnissen zu Billiglöhnen. Dies wurde von allen Teilnehmern kritisiert.
Demgegenüber wäre es eher nötig allen Jugendlichen eine qualifizierte Berufsausbildung zu ermöglichen und für alle Arbeitslosen eine Fort- und Weiterbildung bei Existenzgeld zu ermöglichen.

Wenn die Betriebe keine Ausbildung- und Arbeitsplätze schaffen wollen, dann ist der Staat dazu verpflichtet dafür zu sorgen. Es ist klar, dass das mit dem ausgehungerten Stadthaushalt nicht möglich ist. Hierzu muss das Geld von den Reichen und den Konzernen durch konsequente Besteuerung beschafft werden.
Das Problem von Überproduktion, Kapitalflucht und Arbeitslosigkeit lässt sich sicherlich langfristig nur durch die selbstständige Kontrolle und Wiederaneignung der Produktionsmittel durch die Arbeiter beheben, aber dafür müssen auch ihre Fähigkeiten erhalten bleiben.

(Uwe Stahl)