Wir dokumentieren hier den bundesweiten Aufruf „Agenturschluss“:
Wenn am 1. Januar 2005 die neuen Hartz-Gesetze in Kraft treten sollten,
rufen wir dazu auf, die “Arbeitsagenturen” und “Personal Service Agenturen”
(PSA) bundesweit zu schließen. Am ersten Werktag des neuen Jahres,
am Montag dem 3. Januar 2005, werden wir den Start von “Hartz IV” stoppen.
Wir werden in Form von Besetzungen, Blockaden oder Versammlungen in den
Ablauf der Erwerbslosenbürokratie eingreifen. Wir wollen die Nötigung
und Beschneidung unseres Lebens anhalten und einen Raum schaffen für
den Ausdruck unserer Ängste, unserer Wut und unserer eigenen Vorstellungen
von einem würdigen Leben.
Ob wir mit den jetzt stattfindenden Demonstrationen, Kundgebungen und
Aktionen die notwendige gesellschaftliche Kraft entfalten, damit die Regierung
die “Hartz-Gesetze” zurücknimmt, wissen wir nicht. Unsere Wut und
unsere Phantasie sind aber noch lange nicht aufgebraucht. Wir rufen besonders
zur Teilnahme an der Arbeitsagentur-Aktionswoche vom 2. bis 5. November
und zur bundesweiten Großdemonstration an der Zentrale der “Bundesagentur
für Arbeit” am 6. November in Nürnberg auf. Selbst wenn die “Hartz-Gesetze”
Alltag werden, wird der soziale Protest und Widerstand dagegen nicht zu
Ende sein. Es sind schon andere Gesetze wieder gekippt worden. Weisen wir
das gesellschaftliche Elend, das uns jetzt versprochen wird, zurück.
Erinnern wir uns an die erfolgreichen Proteste gegen die Einführung
einer Kopf-Steuer (“polltax”) in England Anfang der 90er Jahre. Die massenhafte
Aufkündigung des “sozialen Friedens” brachte das Gesetzesvorhaben
seinerzeit zu Fall.
Viele Menschen begreifen, dass der Angriff auf uns und unsere Bedürfnisse
gleichermaßen für Erwerbslose wie für Lohnarbeitende gilt.
Für diejenigen, die lohnarbeiten, als Erpressung zu Mehrarbeit und
Lohnverzicht. Für diejenigen, die erwerbslos sind, als Leistungskürzung
und Zwang in Billigjobs. Immer mehr Aufwendungen für Renten- und Krankenversicherung
kommen für alle dazu. Dass ausgerechnet die großen Sozialverbände
wie Caritas, Diakonie oder AWO von der Einführung der nur symbolisch
entlohnten Zwangsarbeit für “Arbeitslosengeld-II-BezieherInnen” profitieren
wollen, macht sie zu klaren Gegnern im Widerstand gegen die “Hartz-Gesetze”.
Im gemeinsam und gleichzeitig erlebten Alltag der Bedrohung mit Arbeit
und Arbeitslosigkeit gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Erwerbstätigen
und Erwerbslosen. Darin liegt aber auch die Möglichkeit, im Protest
und Widerstand, nicht nur gegen die “Hartz-Gesetze”, zusammen zu kommen.
Im aktuellen Umbau des Sozialstaates verschiebt sich die Aufgabe der
neuen “Agenturen für Arbeit”. Im Leitbild der “Verfolgungsbetreuung”
tritt die Zielrichtung der Kontrolle und Ausübung von Zwang gegenüber
den erwerbslosen “KundInnen” deutlich hervor und die Förderung und
Beratung in den Hintergrund. Wenn die “Arbeitsagenturen” zur “Arbeitspolizei”
werden, stellen wir ihre Existenzberechtigung in Frage. In diesem Sinne
soll die Schließung der “Arbeitsagenturen” durch unsere Aktionen
auch die Forderung nach der Auflösung dieser Behörde ausdrücken.
Was konkret am 3. Januar 2005 in den “Arbeitsagenturen” und “PSAs” passieren wird, ist abhängig von den Menschen vor Ort, von ihrem Zorn und von dem, was sie sich zutrauen. Unser Ziel ist es, uns in den Ämtern zu versammeln, den Betrieb lahm zu legen und dort zu protestieren und zu diskutieren. Dabei können die Beschäftigten der Arbeitsämter mit einbezogen werden. Sollten wir vor verschlossenen Türen stehen, haben wir ein Teilziel erreicht und können uns überlegen, ob und wie wir uns Zutritt verschaffen. Vielleicht haben wir auch vorher schon eine Idee dazu.
Organisiert euch! Macht Agenturschluss in eurer Stadt! Verlegen wir die Montagsdemonstrationen am 3. Januar in die “Arbeitsagenturen” und “PSAs”. Achtet auf Aufrufe und Ankündigungen!
Wir haben mehr vom Leben als von der Arbeit!
Agenturschluss ist eine Initiative von sozialpolitisch engagierten Gruppen aus mehreren Städten. Sie entstand auf dem Kongress “Die Kosten rebellieren - Internationale Versammlung zu Prekarisierung und Migration” und wurde auf einem bundesweiten Treffen Anfang Augustkonkretisiert.
Ihr erreicht uns unter agentur_schluss@yahoo.com